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Natur oder Kultur?

Zwischen Genen & Erziehung: Was wir über die Persönlichkeits-Entwicklung bei Babys wissen

Baby _ Getty Images/ undefined undefined

Die Entwicklung der Persönlichkeit bei Babys hängt einerseits von den Genen und andererseits auch von der Umwelt ab. Welchen Einfluss sie jeweils haben, was das für Geschwister bedeutet und was wir Eltern daraus lernen können.

Biologen haben das Geheimnis der Vererbung in den vergangenen 150 Jahren nach und nach gelüftet, seit der Augustinermönch Johann Gregor Mendel um 1856 im Klostergarten von Brünn Versuche mit Erbsenpflanzen machte und dabei als Erster beobachtete und dokumentierte, nach welchen Regeln bestimmte Merkmale an die nächste Generation weitergegeben werden. Wenn die Keimzellen von Frau und Mann verschmelzen und ein Baby entsteht, liegt jedes Gen in allen entstehenden Körperzellen doppelt vor, von väterlicher und mütterlicher Seite. Klingt einfach wie eine Fertigbackmischung. Aber ganz so simpel ist es nicht.

Gene der Eltern: unterschiedlicher Einfluss auf Babys Entwicklung

Das Baby, das auf die Welt kommt, ist keine Mischung aus 50 % Papa und 50 % Mama, sondern etwas ganz Neues. Es ist zum Beispiel möglich, dass innerhalb eines Gen-Paares die Erbinformation eines Elternteiles ganz unterdrückt wird und das Gen des anderen dominiert. Die Gene von Vater und Mutter können sich wechselseitig verstärken und abschwächen oder mit einander eine Wechselwirkung eingehen. Denn manchmal wird auch eine Generation übersprungen, und ein Merkmal von den Großeltern tritt erst bei deren Enkeln wieder auf. Es ist also eigentlich doch kein Wunder, sondern eher die Bestätigung der Vererbungslehre, wenn jemand zwar seiner Mutter nicht besonders ähnlich sieht, aber sehr wohl der Großtante, dem Opa oder der Urgroßmutter.

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Intelligenz, Temperament & Mimik von Kindern sind genetisch bedingt

Was wir uns häufig nicht vor Augen führen: Die weitaus meisten unserer Gene, über 99 %, sind mit denen aller anderer Menschen identisch. Und zu 98 % gleichen wir genetisch unseren tierischen Verwandten, den Affen. Aber die „wenigen“ Unterschiede reichten aus, um uns zu einzigartigen Individuen zu machen.

Die weitaus meisten unserer Gene, über 99 %, sind mit denen aller anderer Menschen identisch.

Die Gene entscheiden ob wir groß gewachsen oder eher klein sind, lockige Haare oder glatte, blaue oder braune Augen haben. Die Gene und ihre Anordnung sind der Bauplan, der entscheidet, wie ein Mensch „konstruiert“ ist. Und sie sind – das weiß man heute immer besser – auch mitverantwortlich für Verhaltens-, Begabungs-, und Temperamentsunterschiede.Die Schätzungen schwanken, aber man geht davon aus, dass etwa Intelligenzunterschiede bis zu 50 % durch die Gene erklärt werden können.

Auch das Temperament ist offensichtlich genetisch mitbedingt. So scheinen zum Beispiel die Offenheit für neue Erfahrung, Originalität, Kreativität, aber auch solche Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit schon mit der Zeugung zu einem guten Teil festzustehen. Auch ob ein Baby schüchtern ist oder nicht, ist von seinen Genen mitgesteuert.

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Sogar die Mimik folgt zum Teil dem genetischen Programm: Israelische Forscher beobachteten das Minenspiel von Menschen, die von Geburt an blind waren. Das Ergebnis: Obwohl die Probanden die Gesichtsbewegungen ihrer Verwandten nie gesehen hatten, ähnelte ihre Mimik der ihrer Familienangehörigen stärker als der von Fremden.

Bedürfnis nach Familienähnlichkeiten

Sobald ein Baby auf die Welt kommt, ist es für alle ein großes Vergnügen, sie festzustellen: „Die Augen von Papa, die Mimik von Opa!“ „Und diese Händchen! Wie die große Schwester!“ „Und diese heitere Gelassenheit – ganz die Mama!“ Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: Es ist zum Teil nichts als Einbildung. Gerade bei einem Baby kann man noch nicht sehr viele Familienähnlichkeiten feststellen. Und schon gar keine bedeutsamen Charakterzüge.

Aber auch wenn es eine Täuschung ist, ist es immerhin eine sinnvolle. „Es ist ein Ur-Bedürfnis des Menschen, Familienähnlichkeiten festzustellen“, meint der Entwicklungspsychologe Professor Franz Neyer von der Uni Vechta, der erforscht, wie Blutsverwandtschaft auf unsere Beziehungen wirkt. Ähnlichkeit schafft Nähe und erzeugt Bindung. Auf diese Weise wird das Neugeborene in die Familie aufgenommen.

Die Überzeugung: „Da ist jemand, der zu uns gehört“, lässt die Anstrengungen der ersten Monate leichter ertragen und stärkt die Beziehung. Das gilt besonders für die zwischen Vater und Kind. Denn während die Mutter sich ganz sicher sein kann, dass sie die Mutter ist, besteht beim Vater (rein theoretisch zumindest) immer die Möglichkeit, dass es doch das Baby eines anderen ist. Für Väter sind Ähnlichkeiten daher häufig besonders wichtig, da sie der sichtbare Beweis dafür sind, dass sie der Erzeuger ihres Nachwuchses sind.

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Wie Eltern die neue Erkenntnisse für Babys Entwicklung nutzen können

Unsere Eltern wussten meist noch nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Das ist heute anders. Wir wissen mehr und erfahren ständig Neues – ob wir wollen oder nicht. Gen-Therapie, Vaterschaftsbestimmung durch DNA-Tests oder die Konservierung von Nabelschnurblut: Durch die stetigen Fortschritte der Wissenschaft werden wir ständig mit immer neuen Informationen und Möglichkeiten konfrontiert.

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Aber wie nützen uns diese Informationen über Babys Entwicklung? Was können Eltern daraus mit in den Alltag nehmen? Vielleicht zunächst das eine: Wenn in der Zeitung gelegentlich solche Meldungen veröffentlicht werden wie „Gen für Unordnung entdeckt“ oder „Gen für Faulheit isoliert“, handelt es sich in der Regel um eine starke Vereinfachung. Die Wirkungsweise der Gene ist so kompliziert und vielfältig, dass selbst Wissenschaftler, die sich den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigen, noch nicht sicher wissen, was einzelne Gene ganz genau im Körper auslösen und bewirken.

Vieles ist noch ein Rätsel. Aber es gibt etwas, was wir auf jeden Fall aus der Genforschung mitnehmen können: Die Erkenntnis, dass man Kinder ganz offensichtlich nicht beliebig nach seiner Vorstellung formen, sondern sie „nur“ fördern kann. Schon Babys sind die, die sie eben sind. Eltern können und sollen nicht Schicksal spielen. Sie können ihre Babys aber feinfühlig beobachten und sie darin unterstützen, mit ihrem Wesen und ihren Eigenschaften gut umzugehen, sie in ihrem Sein bestärken und ermutigen.

Geschwister erleben ihre Umwelt unterschiedlich

Gemeinhin glauben wir, dass Geschwister, die zusammen bei ihren Eltern aufwachsen, von den gleichen Einflüssen geprägt werden. Irrtum! Wissenschaftler unterscheiden zwischen „geteilter Umwelt“ und „ungeteilter Umwelt“. Die geteilte Umwelt ist das, was Geschwister tatsächlich gemeinsam erleben, zum Beispiel die soziale Schicht, die Wohnung und die Einstellung der Eltern.

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Die „ungeteilte Umwelt“, das sind die Einflüsse, denen ein Kind alleine ausgesetzt ist. Das können vorgeburtliche Erfahrungen sein, die Geburt selbst, das abendliche Vorlesen mit Papa, Erlebnisse im Kindergarten, eine verehrte Lehrerin, ein verhasster Fußballtrainer, der beste Kumpel oder auch ein Verkehrsunfall mit anschließendem Krankenhausaufenthalt. Interessant ist, dass diese Einflüsse offensichtlich vielfältiger und prägender sind als die, die wir mit unseren Geschwister teilen.

Wie unterschiedlich die Kindheit von Geschwistern empfunden und erlebt wird, zeigen auch die Kindheitserinnerungen. Die sind nämlich oft erstaunlich verschieden, obwohl man als Kind im selben Haus gewohnt und die Ferien gemeinsam an demselben Ostseestrand verbracht hat.

„Was wir erinnern, ist extrem individuell“, sagt Professor Henning Scheich, Neurobiologe am Leibniz-Institut in Magdeburg, Zentrum für Lern- und Gedächtnisforschung. Ein Sonntag bei den Großeltern kann für den älteren Bruder ein hoch emotionales Erlebnis gewesen sein, das ihn prägte. Für die jüngere Schwester war es nur ein langweiliger, stinknormaler Nachmittag, der keine Spuren im Gedächtnis hinterlassen hat.

Jedes Baby entwickelt sich unterschiedlich

„Erinnert wird, was für das Individuum relevant war“, sagt der Neurobiologe Scheich. Geschwister entwickeln sich also unterschiedlich, weil die elterlichen Gene bei jedem anders gemixt wurden – aber auch, weil sie die Welt mit anderen Augen sehen. Das zeigt auch die Zwillingsforschung. Selbst eineiige Zwillinge, deren Gene identisch sind, entwickeln sich nicht gleich – auch sie haben eben keine identische Umwelt und sehen und empfinden die Welt vom ersten Tag an unterschiedlich.

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Es fängt schon im Mutterleib an – da erobert sich der eine Embryo mehr Raum, der andere muss sich mit etwas weniger Platz begnügen. Aber Babys treffen nicht nur eine unterschiedliche Umwelt an, sie prägen sie vermutlich auch entsprechend ihrer Persönlichkeit. Sie formen zum Beispiel den Erziehungsstil ihrer Eltern mit. Denn im Miteinander mit unseren Kindern handeln wir nicht nur aktiv, wir reagieren dabei immer auch auf das Wesen unserer Babys.

Der schöne Satz: „Wir behandeln unsere Kinder alle gleich“, entspricht insofern nicht der Wirklichkeit. Jedes Kind ist unterschiedlich und verhält sich anders als sein Bruder oder seine Schwester - und erwiesenermaßen behandeln wir es daher automatisch auch anders. Das wiederum verstärkt oder schwächt bestimmte Eigenschaften, für die das Baby vielleicht eine genetische Disposition mitbringt. Kurz gesagt heißt das: Die Entwicklung eines Babys verläuft im Grunde als eine Art Pingpong-Spiel zwischen Anlagen und Erziehung.

Die Entwicklung eines Babys verläuft als eine Art Pingpong-Spiel zwischen Anlagen und Erziehung.

Auch die Umwelt hat großen Einfluss auf Babys Persönlichkeit und Entwicklung

Aber zementiert ist das Schicksal und die Entwicklung eines Babys mit seiner Zeugung deshalb nicht. „Wir sind keine Sklaven unserer Gene“, sagt etwa der britische Genetiker Steve Jones. Die Gene, die ein Baby von seinen Eltern mitbekommt, bestimmen bis zu einem gewissen Grad das Potenzial, das es hat. Sie machen bestimmte Entwicklungen wahrscheinlicher, andere wiederum sind fast ausgeschlossen.

Es gibt also Grenzen, die von Geburt an da sind. Aber was genau aus einem Baby mit seinen individuellen Anlagen innerhalb seiner Möglichkeiten später einmal werden wird, hängt von Zufall, Schicksal, Lebensumständen, Erfahrungen und unserer Erziehung, kurzum: von der Umwelt ab.

Ein Mensch, der von Natur aus sehr extrovertiert ist, kann diese Eigenschaft in ganz verschiedenen Bereichen ausleben, zum Beispiel als Schauspieler, aber auch als Manager oder Lehrer. Nichts ist festgelegt. Und die Hirnforschung weiß inzwischen auch, wie stark die Verschaltungen der Synapsen im Gehirn von den frühen Erfahrungen eines Babys beeinflusst werden. Liebe, Geborgenheit, Beziehung und Zärtlichkeit sind für Babys Entwicklung vermutlich genauso entscheidend wie seine Erbanlagen.

Und was prägt ein Baby nun mehr: Natur oder Kultur?

Die Frage, was einen Menschen letztlich stärker prägt, seine Natur (also die Gene) oder die Kultur (wie Erziehung und Freunde), wurde lange sehr kontrovers diskutiert. In den 70er Jahren ging man davon aus, dass alles Erziehung ist, in den 90er Jahren schwang das Pendel wieder zurück zur Natur. Inzwischen hat man sich mehr oder weniger darauf geeinigt, dass beide Faktoren zusammenwirken. Aber wie das genau aussieht, ist auch heute noch nicht vollständig geklärt.

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