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Nicht so einfach

Geschlechtsneutrale Erziehung: Brauchen Kinder das?

geschlechtsneutrale Erziehung

Geschlechtsneutrale Erziehung ist gar nicht so einfach. Denn sie zielt darauf ab, nicht nach Junge oder Mädchen zu gucken, sondern einfach auf das Kind.

Was bedeutet geschlechtsneutrale Erziehung?

Bei geschlechterneutraler Erziehung geht es nicht in erster Linie darum, das Geschlecht des Kindes zu verleugnen, viel mehr gibt es verschiedene Stufen dieser Erziehungsform. Einige Eltern wählen dabei den Weg, ihrem Umfeld überhaupt nicht zu erzählen, welches Geschlecht ihr Kind hat. Dazu vergeben sie noch einen geschlechtsneutralen Namen und schon setzt bei vielen das große Rätselraten ein.

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Geschlechtsneutrale Erziehung in Deutschland

Zugegeben, geschlechtsneutrale Erziehung in dieser Form wird es in Deutschland kaum geben. Inzwischen ist es zwar erlaubt, einen geschlechtsneutralen Namen ohne einen geschlechtsbestimmenden Zweitnamen zu vergeben, aber in der Praxis könnte das immer noch schwer umsetzbar sein. Hilfreich ist es vielleicht zu wissen, dass das Gesetz da auf eurer Seite ist.

Aber die Idee hinter dieser sehr strengen Auslegung von geschlechtsneutraler Erziehung ist das Ziel, dass sich jedes Kind so entwickeln kann und soll, wie es möchte. Kein Kind soll sich durch geschlechtsspezifische Stereotypisierungen in der Erziehung und die Erwartungen der Gesellschaft in eine bestimmte Rolle gedrängt fühlen.

Ziel geschlechtsneutraler Erziehung

Bei Geschlechterneutralität geht es nicht darum, die neutrale Mitte zwischen männlich und weiblich zu finden, sondern darum, dem Kind selbst zu überlassen, wer es sein möchte – ohne die Grenzen, die einem durch ein Geschlecht aufgesetzt werden.

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Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um Chancengleichheit. Dabei sollte Kindern die Möglichkeiten gegeben werden, unterschiedlichste Ausprägungen von männlichem und weiblichem Verhalten zu erleben. Aus diesen gemachten Erfahrungen können sie sich dann die Elemente heraussuchen, die sie für sich selbst am passendsten erleben.

So funktioniert geschlechtsneutrale Erziehung

Wenn ihr eure Kinder geschlechtsneutral erziehen wollt, dann bedeutet das auch, dass ihr sie vorurteilsfrei verschiedene Geschlechterrollen ausprobieren lasst. Und das geht am besten, wenn ihr ihnen an Kleidung und Spielzeug alles anbieten, was eben für alle Geschlechter angeboten wird. Das ist manchmal gar nicht so leicht, weil auch wir Eltern ja unsere Vorurteile und Ideen im Kopf haben.

Mitten aus dem Leben von familie.de

Unser familie.de Chefredakteurin erklärte ihrer Freundin mal, dass ihr Sohn ja wirklich das totale Klischee sei, weil er ausschließlich mit Bagger, LKW und Co spielte. Auf die Nachfrage, wie viele Puppen ihm denn zur Verfügung stehen würden, wurde es kurz leise. Denn es gab einfach keine für ihn.

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Kinder ohne Zugehörigkeit

Die größte Kritik an geschlechtsneutraler Erziehung ist, dass eine solche Erziehung angeblich versucht, Jungen zu Mädchen und Mädchen zu Jungen zu machen. Was ausgemachter Unsinn ist, denn niemand wechselt das Geschlecht, weil er mal einen Rock trägt. Genauso wie niemand homosexuell wird, weil sie zwei Mamas hat.

Zugehörigkeitsgefühl fehlt

Es wird auch befürchtet, dass Kindern, die geschlechtsneutral aufwachsen, ein Zugehörigkeitsgefühl fehlt. Und dieses Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Geschlecht ist in unserer Gesellschaft ein Merkmal, das identitätsbildend ist. Fühlen sich Kinder keinem Geschlecht zugehörig, fehlt ihnen eine orientierungsgebende Gruppe.

Eure Kinder könnten sich nicht zugehörig fühlen, gerade dann, wenn die anderen Kinder sie immer wieder dazu zwingen, sich für ein Geschlecht zu entscheiden. Psycholog*innen befürchten, dass dies in Identitätskrisen und einer gestörten Persönlichkeitsentwicklung des Kindes resultieren könnte.

Kinder können alles erreichen

Natürlich passiert das nicht, wenn Mädchen und Jungen "nur" damit groß werden, dass sie alles erreichen können was sie wollen. Wenn ihr erklärt, dass ihr Geschlecht kein Hinderungsgrund für den Berufswunsch ist, wenn sie sich mit Spielzeug und Kleidung ausprobieren dürfen und ihr sie sein lasst, wie sie sein möchten.

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Geschlechtsneutrale Erziehung bereitet nicht aufs Leben vor

Einige Kritiker*innen merken an, dass einen geschlechtsneutrale Erziehung Kinder nicht auf das richtige Leben vorbereitet, in dem es nun einmal Geschlechterdifferenzierungen gebe. Und auch das stimmt. Ein Junge, der unbefangen mit einem rosa Tutu unterwegs ist, wird häufig mir Spott oder Unverständnis konfrontiert werden.

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Wie viele Mädchen fügen sich doch in die Rolle der Puppenmama und "Hausfrau" weil die Großeltern genau das belohnen und loben. In dem Fall brauchen eure Kinder euch als starke Partner*innen, die ihnen immer den Rücken stärken. Denn nur wenn Kinder merken, dass sie bedingungslos geliebt werden, finden sie den Mut, die Kritiker*innen zu überhören.

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Wir Eltern sind für die Erziehung verantwortlich

Die Grenze von geschlechtsneutraler Erziehung ist oft in den Köpfen von uns Eltern. Natürlich gibt es Mädchen, die vielleicht eine Weile ausschließlich in rosa Kleidern herum laufen und Jungs, die nur blau tragen. Klar ist das nervig. Aber wer hat ihnen diese Sachen denn gekauft? Das waren vermutlich wir Eltern. Und wenn wir dann noch mehrfach betont haben, wie "süß" oder "wild" unser Kind im entsprechenden Outfit aussieht, dann ist es nicht verwunderlich, dass unsere Kinder das immer und immer wieder tragen möchten.

Geschlechtsneutrale Erziehung um jeden Preis?

Was ihr gar nicht erst versuchen solltet: Die Verhaltensweisen eurer Kinder geschlechtsneutral umzuformen. Denn nur weil wir uns vielleicht wünschen, dass das angeborene Geschlecht keine Rolle spielt, ist das für unsere Kinder nicht unbedingt der Fall.

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Es gibt Kinder die möchten nicht neutral aufwachsen, die gehen auf in einer rosa-hellblau Welt, die uns Eltern vielleicht erschreckt. Schluckt euer Unverständnis runter, es ist vollkommen in Ordnung, wenn eure Kinder sich, für den Moment oder auch für immer, in (übertreibenen) Geschlechterklischees wohl fühlen.

Offen bleiben ist wichtig

Das angeborene Geschlecht spielt beim Heranwachsen von Kindern eine Rolle, die man nicht unterschätzen sollte. Auch die damit verbundenen Geschlechterrollen beeinflussen die Entwicklung von Kindern – sowohl im Positiven, wie im Negativen.

Letztendlich ist es wohl vor allem wichtig, unvoreingenommen an die Erziehung des Sprösslings heranzutreten und dem Nachwuchs so eine freie Wahl seiner Lebensentwürfe zu ermöglichen.

Gesellschaft findet geschlechtsneutrale Erziehung oft schwierig

Gesellschaftliche Einflüsse aus der Erziehung rauszuhalten ist quasi unmöglich. Es wird immer jemanden geben, der den Rock bei eurem Sohn kommentiert. Der erklärt, dass Mädchen so oder so sein müssen. Was ihr machen könnt: Euren Kindern vorleben, dass Geschlechterstereotypen genau das sind: Stereotypen, die wahr sein können, aber nicht müssen.

Denn Vorbilder sind wichtig für Kinder: Wenn ein Mädchen einen Hammer geschenkt bekommt, aber noch nie eine Frau gesehen hat, die einen Hammer in der Hand hält, dann wird sie wohl auch nicht mit dem Hammer spielen. Gelebte Gleichberechtigung lautet hier das Stichwort.

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Teilt den Mental Load

Alle können in einer Familie alles, familiäre Aufgaben sind nicht an ein Geschlecht gebunden. Und das solltet ihr euren Kindern auch gemeinsam vorleben. Auf diese Weise lebt ihr euren Kindern nicht nur vor, dass ihr eine gleichberechtigte Partnerschaft lebt und beide Elternteile sich kümmern. Ihr schenkt euch selbst mehr Frieden. Weil ihr den ganzen Mental Load miteinander teilt.

Andrea Zschocher

Meine Meinung

Ich finde die Idee der geschlechtsneutralen Erziehung gut. Aber ich muss auch gestehen, dass es für mich eben nur eine Idee ist. Ich erlebe bei meinen drei Kindern, dass es für sich durchaus wichtig ist, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sind. Das schränkt sie nicht ein, sie spielen alle mit allem, Puppen werden von den Jungs genauso bekuschelt, wie meine Tochter auf Bäume klettert. Aber doch ist es für sie wichtig zu wissen: Ich bin ein Junge / Mädchen.

Wir als Eltern leben vor, dass das Geschlecht nicht bestimmt, was wir (nicht) tun können, jede*r darf alles versuchen und ausprobieren.

Andrea Zschocher

Bildquelle: getty images / Orbon Alija