Egal ob beim Muttertagsbesuch, Familienfeiern oder einem kurzen Anruf – für viele erwachsene Töchter fühlt sich der Kontakt zur eigenen Mutter irgendwie ... schwierig an. Statt Wärme und Verständnis gibt’s unterschwellige Spannung, unausgesprochene Vorwürfe oder gleich offene Kritik. Warum tun sich gerade Mütter und Töchter so schwer miteinander – und was braucht es, um aus dem Dauerkonflikt endlich herauszukommen? Darüber hat Psychologin Sarah Trentzsch in der FAZ nachgedacht. Wir möchten euch ihre inspirierenden Gedanken hier zusammenfassen.
Wenn Nähe zur Last wird: Warum so viele erwachsene Töchter wütend auf ihre Mütter sind
Nähe ist nicht unbedingt immer liebevoll oder warm – manchmal ist sie schlicht zu viel. Es geht um eine emotionale Übergriffigkeit, die gar nicht so gemeint ist, aber trotzdem wirkt. Wenn die Mutter bei jedem Besuch sofort mit ihren eigenen Sorgen kommt, jede Entscheidung kommentiert oder subtil Erwartungen formuliert („Na, du hast’s ja gut – ich hatte damals keine Hilfe...“), wird das schnell zu einer unsichtbaren Last.
Nähe wird laut der Sozialpsychologin dann zum Klammergriff – selbst wenn nur einmal im Jahr Weihnachten gefeiert wird. Und genau das macht’s so schwer: Die Tochter fühlt sich verantwortlich, will die Mutter nicht enttäuschen, will nett sein – und ist innerlich längst auf Abstand. Ein ständiger Balanceakt zwischen Rücksicht und Selbstschutz, der Energie frisst und kaum echte Verbindung zulässt.
„Sie hat doch ihr Bestes gegeben“ – ja. Aber reicht das?
Viele Mütter haben sich für ihre Kinder aufgeopfert. Sie waren (fast) immer da, haben funktioniert, gekümmert, getröstet. Und doch: Gerade Töchter sind als Erwachsene oft enttäuscht. Sie spüren, dass da etwas fehlt. Nähe, die zu eng war. Erwartungen, die sich wie eine Pflicht anfühlten. Und: Schuldgefühle, die sich kaum abschütteln lassen. Die Psychologin Sarah Trentzsch bringt es in ihrem Gastartikel bei der FAZ auf den Punkt: „Viele Töchter tragen eine lebenslange Belastung mit sich rum.“
Sozialpsychologin und Familienberaterin Sarah Trentzsch analysiert in ihrem Buch "Wofür wir Töchter unsere Mütter brauchen: Portrait einer Beziehung" die Mutter-Tochter-Beziehung aus der Tochterperspektive. Seit vielen Jahren berät sie Mütter und erwachsene Töchter, die ihre Beziehung verbessern möchten. Ihr Buch ist dafür ein guter Anfang und gibt wertvolle Denkanstöße:
Zu viel Nähe, zu wenig Abstand
Was viele als „normale“ Mutter-Tochter-Spannung abtun, ist oft ein echtes Beziehungsthema. Mütter und Töchter hängen häufig emotional so eng zusammen, dass der gesunde Abstand fehlt. Das kann sich anfühlen, als sei man nie richtig erwachsen geworden – obwohl man längst eigene Kinder, Job und Alltag wuppt. Trentzsch beobachtet: „Viele erwachsene Frauen sind permanent damit befasst, sich gegen ihre Mütter abzugrenzen.“
„Du bist nicht für mein Glück verantwortlich“ – eine Mutter, die das sagen kann, schenkt Freiheit
Was Töchter wirklich brauchen? Mütter, die sie loslassen. Die ihnen zutrauen, eigene Entscheidungen zu treffen – und nicht ihre Hoffnungen, Verletzungen oder Einsamkeit auf sie projizieren. Mütter, die nicht „nur“ Mutter sind, sondern auch Frau. Die ihre Tochter nicht zum emotionalen Rettungsboot machen. „Eine selbstzufriedene Mutter, die nicht nur Mutter, sondern auch Frau ist […] ist eine größere Stütze“, so Trentzsch.
Warum Mütter nicht an allem schuld sind – und Töchter trotzdem wütend sein dürfen
Natürlich haben Mütter ihr Bestes gegeben. Aber: Auch das Beste kann verletzen. Krisen, Trennungen, Überforderung – das alles formt Kindheiten. Und die Wunden daraus dürfen benannt werden. Es geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Um das Verstehen und Verabschieden von Rollen, die überholt sind. Um das Zulassen von Reibung – ohne recht haben.
Generationenknatsch mit System
Die Mutter-Tochter-Dynamik ist mehr als nur persönlich – sie ist auch gesellschaftlich geprägt, betont Sarah Trentzsch. Immer noch liegt die emotionale Familienarbeit oft bei den Frauen. Und genau da wird’s brenzlig: Wenn Mütter nie gelernt haben, sich selbst ernst zu nehmen, fällt es ihnen schwer, ihre Töchter in die Freiheit zu entlassen. Und umgekehrt tragen viele Töchter das Gefühl in sich, sich revanchieren zu müssen – für eine Liebe, die nie locker, sondern oft schwer war.
Was eurer Beziehung helfen kann
Es gibt natürlich kein Schema F in einer Beziehung. Auch nicht bei Müttern und Töchtern. Grundsätzlich können euch schon winzige Perspektivwechsel oder Veränderungen in der eigenen Denkweise helfen, eure Beziehung zu eurer Mutter entspannter zu gestalten:
- Den Schmerz anerkennen, ohne gleich Lösungen zu erwarten
- Sich (innerlich) abnabeln, ohne den Kontakt abzubrechen
- Alte Geschichten neu betrachten – mit einem Blick, der auch die Mutter als Mensch sieht
- Sich selbst erlauben, anders zu leben, zu fühlen, zu handeln
- Gespräche suchen, aber nicht auf Verständnis pochen
Fazit: Es muss nicht perfekt sein. Nur „gut genug“
Mutter-Tochter-Beziehungen sind komplex, vielschichtig, manchmal explosiv. Aber sie müssen nicht ewig auf der Kippe stehen. Der erste Schritt raus aus dem emotionalen Dauerstress wäre: Nehmt den Druck raus, hört auf, einander retten zu wollen. Und lasst zu, dass eure Beziehung und auch Liebe sich verändert. „Gut genug“ reicht manchmal doch. Für ein echtes Miteinander auf Augenhöhe.

