Während wir heute zwischen hunderten Reisezielen, Buchungsportalen und Instagram-Hotspots jonglieren, packten unsere Eltern einfach den Koffer ins Auto und fuhren los. Die Boomer-Generation hatte eine ganz eigene Art zu reisen – ohne Smartphone, ohne Online-Bewertungen und oft mit deutlich weniger Stress. Ein nostalgischer Blick zurück zeigt: Von der Urlaubsphilosophie unserer Eltern können wir Millennials und Gen Y tatsächlich einiges lernen.
Die Urlaubsplanung der Boomer war geprägt von Einfachheit und Pragmatismus. Statt endloser Recherche im Internet gab es den Katalog vom Reisebüro, persönliche Empfehlungen oder einfach das bewährte Ziel vom letzten Jahr. Diese Reduktion von Optionen führte oft zu mehr Zufriedenheit und weniger Entscheidungsstress. Während wir heute zwischen tausenden Möglichkeiten wählen und ständig befürchten, nicht die "perfekte" Location zu buchen oder "zu viel" zu bezahlen, waren unsere Eltern mit weniger Auswahl oft glücklicher. Eine wertvolle Lektion in Zeiten der Überinformation!
#1 Mit dem Finger auf der Landkarte: Abenteuer ohne Google Maps
Die Reisevorbereitung begann mit dem Ausbreiten einer knisternden Landkarte auf dem Wohnzimmertisch. Gemeinsam beugte sich die Familie darüber, plante Routen und entdeckte Orte, die man unterwegs besuchen wollte. Faltkarten wurden zu treuen Begleitern, auf denen man mit Kugelschreiber den Weg markierte. Wenn man sich verfuhr, fragte man einfach bei Einheimischen nach – oft der Beginn unvergesslicher Begegnungen. Diese analoge Navigation führte zu unerwarteten Entdeckungen und echten Abenteuern, die kein Algorithmus je vorschlagen würde.
Heute könnten wir uns wieder öfter trauen, ohne permanente digitale Führung zu reisen. Das Gefühl, einen Ort wirklich selbst erkundet zu haben, ist unbezahlbar. Wir entdecken zum Beispiel seit einigen Jahren, was sich hinter den braunen Sehenswürdigkeiten-Schildern auf der Autobahn verbirgt – sprich, wir fahren tatsächlich ab und schauen, was uns dort erwartet. So haben wir schon wirklich schöne und spannende Orte in Deutschland erkundet.
#2 Club Med und Pauschalurlaub: Als "All-inclusive" noch ein Luxuserlebnis war
Die Boomer erfanden nicht nur den Massentourismus, sie zelebrierten ihn auch. Club Med, Robinson Club oder der klassische Pauschalurlaub waren keine billigen Alternativen, sondern das Nonplusultra des Reisens. Mit Animation, Buffets und Gleichgesinnten verbrachte man unbeschwerte Wochen, ohne sich um irgendetwas kümmern zu müssen. Die Urlaubsfotos zeigten stolz die Hotelanlage und den gedeckten Tisch – Authentizität war kein Kriterium für einen gelungenen Urlaub.
Was wir davon lernen können: Manchmal darf Urlaub einfach nur entspannend sein, ohne kulturellen Anspruch oder die Pflicht, jede Minute zu "optimieren". Die Kunst, einfach mal nichts zu tun und das zu genießen, beherrschten unsere Eltern meisterhaft.
Bei den heutigen Reisepreisen in den Ferien wird der Pauschalurlaub sowieso wieder zum Luxusgut für Familien. Was vielleicht auch daran liegt, dass keiner mehr in "einfache" Hotels will, sondern nur in die Nobel-All-Inclusive-Haste-nicht-gesehen-Mega-Hotels, die wir die ganze Zeit auf Instagram sehen. Vielleicht müssen wir da einfach Abstriche machen und wie unsere Eltern mit 2- oder 3-Sterne-Hotel zufrieden sein. Dann wird Familienurlaub im Hotel auch wieder leistbar.
#3 Interrail: Die Mutter aller Backpacking-Abenteuer
Lange bevor Millennials mit Rucksack durch Südostasien zogen, eroberten Boomer mit dem Interrail-Ticket Europa. Mit einem einzigen Fahrschein konnte man einen Monat lang durch zahlreiche Länder reisen – ohne Buchungs-Apps oder Hostel-Bewertungen. Man stieg einfach in den Zug und schaute, wo man landete. Übernachtet wurde in Bahnhöfen, auf Campingplätzen oder bei spontan gefundenen Gastgeber*innen.
Diese Form des unbeschwerten Reisens ohne minutiöse Planung brachte eine Freiheit, die wir heute vermissen. Vielleicht sollten wir öfter den Mut aufbringen, ohne Reservierungen loszuziehen und dem Zufall wieder mehr Raum zu geben.
#4 Der Koffer ohne Rollen: Als Reisen noch Muskelkraft erforderte
Schwere Koffer aus Hartplastik ohne Rollen, die man durch Bahnhöfe und Hotelflure schleppen musste – für Boomer war das völlig normal. Packlisten wurden sorgfältig erstellt, denn jedes überflüssige Teil bedeutete zusätzliches Gewicht. Diese Beschränkung führte zu einer Kunst des minimalistischen Packens, die viele Millennials erst wieder neu entdecken müssen.
Die Lektion: Weniger ist oft mehr und mit reduziertem Gepäck reist es sich leichter. Statt für jede Eventualität gerüstet zu sein, könnte man sich auf das Wesentliche konzentrieren – und im Notfall vor Ort kaufen, was fehlt. Eben letzteres ist mein großes Entspannungsmantra beim Kofferpacken: Unterhosen: Check, Ausweise: Check, Geld/Kreditkarte: Check, Lieblingskuscheltier: Check ... Damit ist alles Wichtige im Koffer und der Rest käuflich!
#5 Familienauto Richtung Süden: Die große Freiheit auf vier Rädern
Die Urlaubsreise im vollgepackten Familienauto war ein Ritual für sich. Der Vater oder die Mutter am Steuer, das andere Elternteil mit Proviant auf dem Beifahrersitz, die Kinder auf der Rückbank mit Spielen und Büchern – so ging es Richtung Süden. Stundenlange Fahrten ohne Klimaanlage, mit Pausen an Raststätten und dem obligatorischen "Wann sind wir endlich da?" alle 30 Minuten.
Diese gemeinsame Reisezeit schweißte Familien zusammen. Die Anreise war nicht lästige Pflicht, sondern Teil des Abenteuers. In Zeiten von Billigflügen und der ständigen Suche nach Zeitersparnis könnte diese entschleunigte Art des Reisens wieder mehr Wertschätzung verdienen.
Ich erinnere mich bis heute gerne daran, wie besonders es war, im Wohnwagen auf Rastplätzen zwischen brummelnden LKWs zu schlafen (macht heute aus Sicherheitsgründen kaum noch jemand, leider), wie die Rastplätze im Süden gerochen haben (nach Nadelbaum und Pippi) und wie heiß es im Auto war und wie erfrischend der kühle Fahrtwind an der Hand, die ich aus dem Fenster strecken durfte. Ach ...
#6 Die Ferienwohnung mit Plastikblumen: Heimat auf Zeit ohne Instagram-Tauglichkeit
Während Millennials heute nach dem perfekten Airbnb mit Instagram-tauglicher Einrichtung suchen, waren die Unterkünfte der Boomer oft pragmatisch: Ferienwohnungen mit Plastikblumen, braunen Fliesen und Schlafsofas. Die Ausstattung war funktional, nicht stylish (oder vielleicht war sie für die damaligen Verhältnisse doch stylisch?). Aber genau diese Einfachheit schuf einen Raum, in dem man wirklich abschalten konnte – ohne den Druck, die Unterkunft fotografieren und teilen zu müssen.
Diese Bescheidenheit bei der Unterkunftswahl könnte uns heute helfen, den Fokus wieder auf das Wesentliche zu legen: Zeit mit der Familie, Erholung und echte Erlebnisse statt perfekter Kulissen.
Ich gebe zu, dass ist schwer. Denn wenn ich nach Ferienwohnungen/Airbnb schaue, dann schrecke ich auch vor biederen Einrichtungssünden zurück. Aber tasächlich sagt ein schnödes Sofa oder Uroma-Bettgestell nichts darüber aus, ob es ein toller Urlaub wird oder nicht. Dafür spart man mit Buchung einer "unhippen" Unerkunft bares Geld.
#7 Reiseführer aus Papier – Als Bewertungen noch zwischen zwei Buchdeckeln standen
Dicke Reiseführer von Baedeker oder Polyglott waren die Bibeln der reisenden Boomer. Darin fand man sorgfältig recherchierte Informationen, ohne durch endlose Online-Bewertungen scrollen zu müssen. Man vertraute den Empfehlungen der Autor*innen und entdeckte Orte, die heute vielleicht nie den Algorithmus-Filter der Buchungsportale passieren würden.
Diese kuratierte Form der Reiseinformation hatte etwas Beruhigendes und ließ mehr Raum für eigene Entdeckungen. Statt dem Diktat der Fünf-Sterne-Bewertungen zu folgen, könnte es sich lohnen, wieder mehr auf gut recherchierte Quellen und den eigenen Instinkt zu vertrauen.
Ich liebe Reiseführer auch heute noch und empfehle allen, auch weiterhin welche zu kaufen. Nichts macht mehr Vorfreude auf einen Urlaub als in einem Reiseführer aus Papier zu schmökern.
#8 Im Reisebus durch Europa – Als Gruppenreisen noch Kult waren
Die Busreise war für viele Boomer der Inbegriff des geselligen Urlaubs. Mit 50 Gleichgesinnten durch Europa zu touren, jeden Abend in einem anderen Hotel zu schlafen und tagsüber von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu eilen – was heute manchmal belächelt wird, war damals ein echtes Abenteuer. Der Reiseleiter mit seinem Mikrofon und dem hochgehaltenen Fähnchen sorgte dafür, dass niemand verloren ging und alle pünktlich wieder im Bus saßen. Diese organisierten Touren boten Sicherheit und gleichzeitig die Möglichkeit, in kurzer Zeit viel zu sehen.
Was wir davon lernen können: In einer Zeit, in der individuelles Reisen zum Statussymbol geworden ist, vergessen wir oft die Vorteile gemeinsamer Erlebnisse. Die Busreisen unserer Eltern schufen Gemeinschaft, neue Freundschaften und geteilte Erinnerungen. Vielleicht sollten wir den Mut haben, uns wieder öfter auf geführte Touren einzulassen – ohne ständig nach dem einzigartigen, Instagram-tauglichen Erlebnis zu suchen, das sonst niemand hat.
Entschleunigung als Urlaubskunst
Der Blick auf die Urlaubskultur der Boomer zeigt vor allem eines: Reisen war damals oft entspannter, unaufgeregter und weniger perfektionistisch. Ohne ständige Erreichbarkeit, ohne den Druck der perfekten Social-Media-Präsentation und mit mehr Raum für Zufälle und Überraschungen.
Vielleicht liegt genau darin die wichtigste Lektion für uns Millennials: Urlaub darf unperfekt sein, spontan und ohne minutiöse Planung. Denn am Ende sind es nicht die perfekten Instagram-Momente, die in Erinnerung bleiben, sondern die unerwarteten Begegnungen, die gemeinsamen Abenteuer und die Momente, in denen wir wirklich abschalten konnten. Also packt beim nächsten Mal vielleicht einfach den Koffer ins Auto, nehmt eine Landkarte mit und schaut, wohin die Reise führt – ganz wie unsere Eltern es uns vorgemacht haben.











