Eine gute Freundin von mir war vor zwei Wochen noch glücklich mit ihrer Familie im jährlichen Skiurlaub in Tirol. Aaaaargh! Wer die Nachrichten verfolgt hat, weiß spätestens jetzt, dass das Tirol zu einer der Gegenden in Italien gehörte, wo sich das Corona-Virus am schnellsten ausgebreitet hat. Das hieß für die vierköpfige Familie aus Thüringen: Zwei Wochen verordnete Quarantäne und Hausarrest. Könnt ihr euch vorstellen, wie man diese Zeit mit zwei quirligen nimmermüden Kindern von vier und sechs Jahren durchsteht, ohne kurz vor dem Ausrasten zu sein?
Meine Freundin führte für uns ehrlich und authentisch Tagebuch und dokumentierte ihren Einfallsreichtum in Sachen Kinderbeschäftigung. Wie sie diese Woche ohne Nervenzusammenbruch überlebte und was man so alles Cooles mit Kindern drinnen machen kann, erfahrt ihr in ihrem Tagesbericht.
Tag 0: Bye bye Tirol, hello Quarantäne
Oh nein, ich kriege die Krise. Diese schöne Landschaft bleibt nunmehr eine blasse Erinnerung. Vor uns liegen zwei Wochen Stayathome, weil ein doofes Virus kursiert und wir dieses eventuell mit nach Deutschland schleppen? Das Auto ist vom zusätzlichen Einkauf so voll, dass so ein Virus gar keinen Platz mehr hätte. Während der Fahrt mache ich innerlich eine Quarantänebeschäftigungsliste und meditiere nochmal. Den Kindern erkläre ich, was da auf sie zukommt. Der Große (6 Jahre) hat Angst: “Mama, da kriege ich keine Luft mehr.” und dreht im Auto vollkommen frei. Irgendwie kommen wir dann abends mit mulmigem Gefühl zu Hause an. Das war vorerst der letzte Ortswechsel für zwei Wochen.
Tag 1: Wir bauen Salzteig-Vulkane und organisieren die Woche
Rufe Sonntag permanent die Corona-Hotline vom Gesundheitsamt an und erstelle einen Tagesplan für die Quarantäne. Oh Mann, Termine für Ergotherapie müssen verschoben und der Arbeitgeber auch noch kontaktiert werden. Wir werden das Ganze hier nur überleben, wenn wir alles genau planen, einen Rhythmus finden und die Kinder wissen, was wann passiert. Der Tag wird strukturiert mit Mahl- und Spielzeiten, Elternauszeiten (ooh jaaaa), Fernsehzeiten (natürlich erst Kinderbildungsfernsehen und dann Cartoons). Tag läuft soweit super. Erste Beschäftigungsidee: Vulkane aus Salzteig basteln. Was bin ich jetzt froh, dass letzes Jahr im Kindergarten Experimentiertag war! Die Kinder sind voll bei der Sache, wir müssen nur erklären, dass wir nicht all unser Mehl für Experimente nutzen können. Eben mal einkaufen ist jetzt nicht. Im Netz sehe ich die Bilder von den gesperrten Spielplätzen. Irgendwie beklemmend.
Tag 2: Kinder sind wie Springfrösche ...
Morgens noch jede Menge Organisatorisches zu klaren. Kinder springen wie Frösche umher, alle fünf Minuten eine neue Idee. Wir machen gefühlt tausende Dinge. Ich bin happy, aber total fertig. Meine Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass kein allzu großer Blödsinn passiert, wenn mal einer von uns nicht im Raum ist. Was mir an solchen Tagen hilft? Die Tipps von Nicola Schmidt in “Erziehen ohne Schimpfen”. Das hilft mir, um Ruhe zu bewahren, wenn es hinter mir schreit, schimpft, kratzt und haut, wenn man mal nicht hinschaut …
... alles eher unkoordiniert und mit viel Geschrei ...
Was wir heute gemacht haben? Eis aus gefrorenen Bananen und Himbeeren gemacht, eine Wasserbahn gebaut, Seifenblasen gezaubert, Handabdrücke gemalt und im Garten Trampolin gesprungen. Alles ziemlich unkoordiniert. Das macht mich wahnsinnig! Ich mache mir für die nächsten Tage eine Liste mit Ideen und prüfe unser Experimente-Buch auf haustaugliche Indoorsachen. So präpariert kann der nächste Tag kommen.
Tag 3: Endlich Workout für Mama
Juchuuuu Besuch! Man glaubt nicht, wie man soziale Kontakte außerhalb der Familie vermisst. Natürlich nur bis vor die Haustür mit genügend Abstand und ohne Körperkontakt. Wir bekommen einen Stapel TipToi-Bücher und etwas frische Lebensmittel. Obst und Gemüse war komplett alle (die Hasen müssen ja auch ernährt werden). Unangenehmer Nebeneffekt des Besuchs: Die Freundin meiner Tochter weint, weil sie nicht mit ihr spielen darf. Wir winken über den Gehweg. Ist das traurig … Abends freue mich mich, dass mein Fitnessstudio ein Video zum Sportkurs verlinkt. Kleines Kind macht mit und wir schwitzen beide zu Body Attack, yeah.
Tag 4: Wir säen aus ...
Der vierte Quarantänetag beginnt mit einem Supergau: Waschmaschine kaputt. Oh no … Wäsche müsste bis zum Ende der Quarantäne reichen, denn der Handwerker kann sie schlecht von der Haustür aus reparieren. Heutige Kinderbeschäftigung: Aussäen. Der Große hat sich in Tirol ganz viele Samen gekauft und sät fleißig aus.
... und es keimt ...
Auch ich sprudle vor Ideen: Baue ein Wasserrad mit Korkschiffchen und die Kinder spielen fein damit. Der Versuch, mit den Kindern Fenster zu putzen: kläglich gescheitert, denn hinterher ist es schlimmer als vorher. Danke ihr schlauen Medienleute für die tollen Tipps. 😉
Gut, dass wir einen Garten haben!
Was bin ich jetzt froh, dass wir einen Garten haben. Da die Sonne seit Tagen scheint, sind die Kinder kaum noch zu halten, obwohl es recht kühl ist. Der Garten wir verkabelt wie ein Spinnennetz, indem die beiden dann gemütlich ihr Mittagessen einnehmen. So haben wir als Eltern auch mal etwas Ruhe.
Erfolg! Bruder und Schwester spielend vereint ...
Gerade bin ich sehr happy über die zwei. Sie scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass sie in diesen Tagen ein Team sind und nur einander haben. Ich höre seltener Streit. Balsam für mein Mutterherz.
... beim Basteln einer Wasserbahn mit Korkschiffchen!
Ich bin irgendwie stolz auf mein Werk und freu mich, dass sie Kinder es annehmen. Die kleine Tochter leidet etwas mehr, da sie nicht alles kann bzw. darf, womit der Große spielt. Für altersgerechte Spiele ist sie aktuell leider nicht zu begeistern.Typisches Geschwisterdillema.
Weiteres Quarantäne-Problem: Die Lebensmittel werden knapp, aber der Lieferdienst ist bis weit im Voraus ausgebucht. Wir hoffen jetzt auf eine Obst- und Gemüse-Kiste. Aber wer weiß, ob und wann diese ankommt. Puh.
Tag 5: Großes Kind will etwas kaputt schlagen, aber ...
… Hmpf. Ich wusste, dass es irgendwann soweit ist. Der Große artikuliert es zumindest entsprechend und sehr konstruktiv: “Mama, können wir eine Pinata bauen?” Letztlich bauen wir nach vielem Hin- und Herüberlegen doch keine, sondern versuchen ein neues Experiment aus unserem Experimente-Buch.
... wir machen Wasserballon-Experimente!
Wir pusten mit Natron, Zitronensäure und Wasser einen Luftballon auf. Der Große ist begeistert und stürzt sich voll auf die Sache. Ich freu mich!
Zum Glück ist das Wetter so sonnig und wir können in den Garten. Nicht auszudenken, wenn wir den nicht hätten. Ich lese von eventueller Ausgangssperre für nächste Woche und mir wird schlecht. In den Stadtwald darf man schon seit einigen Tagen nicht mehr. Wo sollen wir Familien dann nur mit den Kindern hin? Das macht mich alles echt sauer.
Tag 6: Vom Bauen und Zerstören eines Piratenschiffs
Langsam weiß ich nicht mehr welcher Tag heute ist und was wir alles so gemacht haben. Highlight des Tagen: Mit der Post kommt das Geburtstagsgeschenk für die Kleine an. Aus dem Verpackungskarton basteln wir ein Piratenschiff und malen es bunt an. Der Große muss Energie rauslassen und am Ende des Tages muss das Schiff dran glauben. Ich versuche die Online-Angebot unserer Stadt zu nutzen, bin aber nicht so recht zufrieden. Die Kleine setzt sich zu mir ans Klavier. Das beruhigt uns.
Tag 7: Das große Kinderbacken
Endlich Wochenende! Für die Kinder heißt das: Sie dürfen den ganzen Tag im Schlafanzug bleiben und wir sind nicht so streng mit den Tagesabläufen. Die Kinder erklären den Tag zum großen Backtag und wollen eines nach dem anderen backen – Brot, Muffins, Pizza. Abends wieder ein kleines Experiment: Bauen eine Rakete aus Filmdöschen, in die wir Backpulver und Essig füllen. Super, es klappt und fliegt uns um die Ohren!
Tag 8 Osterbasteleien retten uns den Sonntag
Sonntag. Wir fangen jetzt mit dem Osterbasteln an. Beide freuen sich schon lange darauf und setzen sich gern hin, um Eier zu bemalen. Wir machen aus der restlichen Farbe Aquarelle und Pusten mit Trinkhalmen Farbe über das Papier. Heutiges Highlight: Eine Freundin kommt zu Besuch an den Gartenzaun und wir quatschen. Es ist krass, wie man das vermisst. Die Abwechslung tut echt gut, wenn es auch total seltsam ist sie nicht hereinbitten zu können. Doch WhatsApp ersetzt halt keinen richtigen Kontakt.
Wir haben es geschafft!
Wow. Ich fasse es nicht, dass wir seit einer Woche zu viert nur im Haus sind! Wir haben es überlebt und sind nicht verhungert, dank unserer Freunde. Es ist wirklich komisch und mich graut vor der zweiten Woche. Aber aktuell sprühe ich nur so vor Ideen, so dass mir noch einiges einfällt, was wir zu Hause machen können. Ich finde, wir haben uns echt gut durchgewurschtelt und die Kinder wissen jetzt, wie man sich richtig ordentlich die Hände wäscht. Wenigstens daran werden sie sich bestimmt erinnern. Die zweite Quarantänewoche wirft schon ihre Schatten voraus.