Fußball, Ballett, Klavierunterricht – und nach drei Wochen ist die Begeisterung schon wieder verflogen. Kommt dir das bekannt vor? Viele Eltern stehen vor der Frage, ob sie ihre Kinder zum Durchhalten motivieren oder lieber das nächste Hobby ausprobieren lassen sollen. Doch Vorsicht: Laut Expert*innen könnte das ständige Abbrechen von Aktivitäten weitreichende Folgen für die Zukunft deiner Kinder haben.
Ständig wechselnde Hobbys: Wieso das später zum Problem werden kann
Immer mehr Eltern, besonders aus der Millennial-Generation, erlauben ihren Kindern, Hobbys einfach aufzugeben, sobald die Begeisterung nachlässt. „Fußball? Erst super, dann doof. Karate? Nach zwei Trainings eine Tragödie. Schwimmen? Begeistert gestartet, dann lieber am Beckenrand gechillt. Ende vom Lied: Wir brechen ab. Immer wieder“, beschreibt eine Mutter auf LinkedIn ihre Erfahrungen.
Sie vertritt die Ansicht, dass ihr Kind dadurch lerne, loszulassen, statt an „Unsinn“ festzuhalten. Doch Generationenforscher Rüdiger Maas sieht diese Entwicklung kritisch. Er warnt davor, dass Kinder durch ständiges Abbrechen in eine Negativspirale geraten können, die sie langfristig unglücklich macht und wichtige Lebenskompetenzen verhindert.
Im Video erfährst du, wie du deinem Kind Regeln liebevoll und konsequent vermittelst:
Warum das Quitten zur gefährlichen Gewohnheit werden kann
Generationenforscher Rüdiger Maas, Autor der Bücher „Generation lebensunfähig“ und „Konflikt der Generationen“, beobachtet einen besorgniserregenden Trend. Gegenüber „BuzzFeed News Deutschland“ von „IPPEN.MEDIA“ sagt er: „Das Aufhören-Lassen wird immer verbreiteter. Das gab es früher auch schon, aber inzwischen wird es zunehmend sozial erwünscht und ist sogar positiv konnotiert.“
Besonders im Sport sei das Dranbleiben wichtig, damit Kinder Erfolge erleben und stolz auf sich sein können. „Wer aber ständig abbricht, wechselt immer ins Nächste und hat das Gefühl, nichts beenden zu müssen. Diese Suche nach der Utopie kann Kinder am Ende sehr unglücklich machen“, erklärt Maas. Wenn Kinder nie lernen durchzuhalten, fehlt ihnen später eine wichtige Kompetenz für Schule, Ausbildung und Beruf.
Die überinvolvierte Elternrolle und ihre Folgen
Heute beginnen Kinder oft schon sehr früh mit organisierten Freizeitaktivitäten. Dabei sind die Eltern häufig stark involviert: Sie begleiten zum Training, schauen zu und dokumentieren alles mit dem Smartphone. „Sie ziehen ihre Kinder um, schauen beim Training zu und machen mit ihrem Smartphone Fotos. So kann der Verein keine zweite Heimat sein“, kritisiert der Experte.
Diese ständige elterliche Präsenz verhindert, dass Kinder im Verein oder bei anderen Aktivitäten eine „zweite Familie“ in Form von eigenständigen Freundschaften aufbauen. Statt sich auf das Hobby zu konzentrieren und vom Trainer oder von der Trainerin zu lernen, orientieren sich die Kinder an den Eltern: „Wie war ich? Hast du das gesehen? Hast du es aufgenommen?“ Diese Dynamik kann die Entwicklung von Selbstständigkeit und sozialen Bindungen außerhalb der Familie erheblich beeinträchtigen.
Der richtige Mittelweg zwischen Zwang und Aufgeben
Maas betont, dass es beim Thema Hobbys nicht um Zwang gehen sollte, aber auch nicht um bedingungsloses Nachgeben bei jedem Motivationstief. „Es war nicht schlecht, auch mal allein etwas zu machen, einfach mit Freunden auf dem Bolzplatz zu spielen, ohne dass Eltern danebenstehen und Fotos machen“, erinnert der Forscher.
Kinder sollten sich zwar frei entfalten können, aber gleichzeitig wichtige Lebenskompetenzen erlernen: Wenn man nie lernt, durchzuhalten, lernt man auch nicht, sich durchzubeißen. „Karriere heißt auch, dranbleiben“, sagt der Experte. Strategien zur Bewältigung von Herausforderungen gehören zum Aufwachsen dazu, werden heute aber kaum noch vermittelt. „Das finde ich fatal“, so Maas. Eltern sollten daher einen Kompromiss finden, etwa indem sie neue Interessen ermöglichen, aber gleichzeitig zum Durchhalten bei bestehenden Aktivitäten ermutigen.
Praktische Kompromisse statt radikaler Entscheidungen
Bei wechselnden Interessen empfiehlt der Experte einen pragmatischen Ansatz: Wenn ein Kind Fußball spielt, aber unzufrieden ist und lieber Karate machen will, könne man dem Kind auch anbieten, beides auszuprobieren: „Klar, du kannst Karate machen, aber bleib beim Fußball erstmal dran.“ Manchmal brauchen Kinder einfach etwas Motivation von ihren Eltern und vielleicht auch die Chance, das Training ohne elterliche Beobachtung zu erleben.
So können sie eigene Erfahrungen sammeln und lernen, auch bei Schwierigkeiten durchzuhalten. Diese Balance zwischen Unterstützung und Loslassen hilft Kindern, Selbstvertrauen und Durchhaltevermögen zu entwickeln – Eigenschaften, die für ein erfolgreiches Leben unerlässlich sind.
Selbstständigkeit fördern ohne zu überfordern
Millennial-Eltern sollten sich öfter darauf besinnen, was ihnen selbst als Kind gutgetan hat. Viele von uns haben als Kinder von der Freiheit profitiert, eigene Erfahrungen zu machen, ohne ständige elterliche Überwachung. Diese Freiräume ermöglichten es uns, Selbstständigkeit zu entwickeln und aus eigenen Fehlern zu lernen.
Heute besteht die Gefahr, dass wir unseren Kindern diese wichtigen Erfahrungen vorenthalten, wenn wir zu stark in ihre Aktivitäten eingreifen oder ihnen zu schnell erlauben, bei Schwierigkeiten aufzugeben. Ein gesundes Maß an Herausforderung ist wichtig für die Entwicklung von Resilienz und Selbstvertrauen. Kinder brauchen die Erfahrung, dass sie Hindernisse überwinden können und den Stolz, der damit einhergeht.
Die Entscheidung zwischen Durchhalten und Aufgeben ist keine Entweder-oder-Frage. Kinder brauchen sowohl die Freiheit, verschiedene Interessen zu entdecken, als auch die Erfahrung, Herausforderungen zu meistern. Als Eltern können wir unsere Kinder unterstützen, indem wir ihnen helfen, einen gesunden Mittelweg zu finden. Wir sollten sie ermutigen, bei Schwierigkeiten nicht sofort aufzugeben, ihnen aber auch die Möglichkeit geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und aus ihren Erfahrungen zu lernen.


