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Dr. Christian Schmitz

Fettabsaugen? Klar! Wenn du Lipödem-Schmerzen loswerden willst, nicht fürs Bikini-Foto

Leide ich an Lipödem? Dr. Christian Schmitz klärt auf

Schwere Beine, Schmerzen, immer wieder blaue Flecken – manchmal steckt ein Lipödem dahinter. Eine chronische Fettverteilungsstörung, von der vor allem Frauen betroffen sind. Und das oft jahrelang, ohne es zu wissen. Denn die Erkrankung wird nicht nur häufig unterschätzt oder mit Cellulite verwechselt, sondern tritt schubweise auf, ausgelöst durch hormonelle Veränderungen. Woran man ein Lipödem erkennt und was wirklich hilft, erklärt Lipödem-Experte Dr. Christian Schmitz.

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Schaut euch einfach das Video oben an – oder lest den Text. Was immer gerade besser für euch passt.

Was sind typische Lipödem Beschwerden?

Dr. Christian Schmitz: Das ist eine ganz wichtige Frage, die sich viele Betroffene, insbesondere im Stadium 1, stellen: "Leide ich an Lipödem oder leide ich nicht an Lipödem?" Typische Beschwerden sind eine Neigung zu blauen Flecken, den sogenannten Hämatomen. Es kann eine schnell auftretende Ermüdung der Beine, aber auch der Arme sein, zum Beispiel beim Haare föhnen oder beim Arbeiten über Kopf. Hinzu kommt ein Schweregefühl, dass am Abend auftreten kann, eine Schwellungsneigung und auch Schmerzen.

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Jetzt gibt es aber eine Sache zu beachten bei den Schmerzen – viele Lipödem-Patientinnen sind sehr leistungsorientiert und zum Teil sehr leidensfähig und können deswegen auch gar nicht genau differenzieren: "Ist das eigentlich Schmerz oder muss ich das so anfühlen?"

Und diesen Struggle, würde man sagen, haben ganz viele Patientinnen, wenn sie unseren Fragebogen ausfüllen. Viele wissen erst nach der Therapie oder nachdem jetzt zum Beispiel eine konservative Therapie angefangen wurde, anhand der dort eingetretenen Verbesserung, dass das kein Normalzustand war, was sie jahrelang erlitten haben.

Dr. Christian Schmitz ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Facharzt für Allgemeine Chirurgie und Experte fürs Thema Lipödem. Auf Instagram findet ihr ihn @drschmitz_thelipohero – hier klärt er über die Erkrankung auf.

Wenn ich mit Lipödem schwanger werde, womit habe ich zu rechnen?

Dr. Christian Schmitz: Das Lipödem kann in vielen Punkten sehr, sehr gut beschrieben werden. Ursächlich fehlen uns leider noch viele Antworten. Zu den Beschreibungen gehört aber, dass wir wissen, das Lipödem entwickelt sich schubweise.

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Momente, in denen diese Schübe entstehen können, sind Momente hormoneller Umstellung. Dazu zählen natürlich die Pubertät, vielleicht der Beginn der Einnahme der ersten Pille, dann natürlich die Schwangerschaft, Stillen, vielleicht auch ein Wechsel im Kontrazeptivum, wenn man eine Pille auf eine Spirale umstellt oder eine Hormonspirale hatte und diese entfernt, aber auch großer Stress und nicht zuletzt die Wechseljahre.

Das bedeutet, wenn bereits ein Lipödem vorhanden wäre, dann ist schon damit zu rechnen, dass ein Schub durch die Schwangerschaft ausgelöst werden könnte.
Dr. Christian Schmitz, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Chirurgie

Welche konservativen, also nicht operativen Therapiemöglichkeiten gibt es beim Lipödem?

Dr. Christian Schmitz: Hier wird meist mit manueller Lymphdrainage begonnen. Das lässt sich auch unterstützen durch eine automatisierte Lymphdrainage- und Entstauungstherapie. Zusätzlich wird eine maßangefertigte Kompressionswäsche an den betroffenen Stellen getragen. Das kann natürlich die kompletten Beine und auch die kompletten Arme einschließen. Der Effekt dieser Therapie ist, dass wir eine mitunter deutliche Verbesserung der Symptome sehen, hinsichtlich Schmerzen, Schwellung unter Umständen auch der blauen Flecken und auch des Schweregefühls.

Die konservative Therapie gerät an ihre Grenzen, wenn es darum geht, das zusätzlich entstandene Volumen wieder zu reduzieren. Das ist in diesem Rahmen nur schwer oder gar nicht möglich. Und wenn dann nur temporär durch die Lymphdrainage beispielsweise.

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Reicht das nicht, kommen die operativen Therapiemöglichkeiten ins Spiel

Dr. Christian Schmitz: Hier gibt es zwei Aspekte zu beachten. Einmal, um die Symptome möglichst dauerhaft und ohne Wiederkehrgefahr zu beseitigen, muss die sogenannte subtotale Lipektomie an den betroffenen Stellen durchgeführt werden. Das heißt, mittels irgendeiner Variante der Fettabsaugung wird das Fettgewebe an den betroffenen Stellen komplett oder nahezu komplett entfernt.

Und zusätzlich gilt es natürlich auch noch den Gewebemangel zu versorgen, denn wir haben ein gewisses Volumen, das wir dann in relativ kurzer Zeit verkleinern. Und das kann dazu führen, dass es zu überschüssiger Haut kommt. Da gibt es neben dem, was früher nur möglich war, dem chirurgischen Entfernen der Haut, andere Maßnahmen, die eine Straffung der Haut herbeiführen.

Etwa durch den Einsatz spezifischer Technologien, wie zum Beispiel dem Laser, den ich persönlich gerne einsetze. Im Kontext der Therapie durch einen plastischen Chirurgen mag der ein oder andere das vielleicht schnell in die Ecke der Schönheitschirurgie rücken, aber im Bereich des Lipödems sind wir ganz klar mit einer medizinischen Indikation betroffen. Und es gilt diese Behandlung so zu gestalten, dass eine Krankheit beseitigt wird.

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"Fettabsaugung? Nimm doch ab!" – viele Betroffene kämpfen nicht nur mit Schmerzen – sondern auch mit Vorurteilen.

Dr. Christian Schmitz räumt mit den 3 häufigsten Mythen rund ums Lipödem auf:

Mythos #1: “Patientinnen in Stadium 1 haben keine Beschwerden …”

Die Beschwerden beim Lipödem sind sehr, sehr vielfältig, aber das ist natürlich Quatsch, bloß weil es noch nicht so schlimm aussieht wie Stadium 3, heißt das nicht, dass Patientinnen im Stadium 1 nicht auch einen massiven Leidensdruck haben können.

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Mythos #2: “Wenn man das Fett absaugen lässt, kommt es sowieso an anderen Stellen wieder …”

Es gibt dieses Phantom der Umverteilung, das kann auch wirklich passieren, aber eigentlich eher, wenn man Nicht-Lipödem-Fett absaugt. Das Lipödemfett nimmt kaum am Stoffwechsel teil.

Es gibt zahlreiche Lipödem-Patientinnen, die schon wirklich intensive Diätversuche und Sport und verschiedene Dinge hinter sich gebracht haben und das alle bestätigen können. Man nimmt ab an Stellen wie dem Gesicht, an den Brüsten, vielleicht auch am Bauch, aber niemals da, wo das Lipödem symptomatisch ist und Beschwerden macht. Dort verliert man auch keinen Volumen.

Und dementsprechend verhält sich auch der Körper. Wenn man dem Körper reines Lipödemfett entzieht, ist der Umverteilungseffekt eher gering ausgeprägt. Es ist viel stärker ausgeprägt, wenn wir nicht Lipödemfett entfernen, wenn zum Beispiel vielleicht die Diagnose nicht 100%ig richtig war oder einfach, wenn an Stellen abgesaugt wird, wo typischerweise kein Lipödemfett vorkommt.

Mythos #3: “Cellulite und Lipödem sind das Gleiche …”

Das ist natürlich Quatsch. Cellulite ist eine bestimmte Veränderung im Gewebe, die sich aber auch histologisch anders darstellt als das Lipödem. Das bedeutet, wenn man Gewebeproben nähme vom einen und vom anderen, dann sind da unterschiedliche Bilder erkennbar. Eine Patientin, die unter Lipödem leidet, kann natürlich auch unter Cellulite leiden und das klinische Bild ist oft ähnlich, aber Cellulite macht nicht die Lipödem-typischen Beschwerden.

Deswegen "freue" ich mich immer über die ganz vielen Ärzte und Ärztinnen aus der Welt, die dann unter den entsprechenden Facebook und Instagrambeiträgen kommentieren "Das ist kein Lipödem, das ist doch einfach nur Cellulite" – aber  kennen gar nicht die Symptomatik der Patientin.