Noch vor nicht ganz zwei Monaten waren die Kinderarztpraxen voll, weil viele Kitas die Kinder mit Schnupfen und Husten wieder nach Hause schickten - als Vorsichtsmaßnahme. Nun haben viele Bundesländer klare Regeln und doch gibt es kein einheitliches Vorgehen: Dürfen Kinder mit Schnupfen in die Kita oder Schule?
Ein gesundes Kind gehört nicht in eine Arztpraxis
In Berlin, Thüringen und Niedersachsen berichten Kinder- und Jugendärzte von überfüllten Praxen. Die Kitas sind seit dem Ausbruch des Coronavirus vorsichtig und manche sogar strenger als sonst: Kinder, die nur mit einer triefenden Nase kamen oder mal niesten, was auch allergisch bedingt sein könnte, wurden aus Infektionsschutzmaßnahmen nach Hause geschickt. Manche verlangten sogar eine Gesundschreibung, damit das Kind wieder in die Kita gehen darf. Doch diese wird im Normalfall bei einem Schnupfen nicht ausgestellt, sondern nur bei einer Erkrankung, die dem Infektionsschutzgesetz unterliegt.
Die Regelungen waren hier von Bundesland zu Bundesland und von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich, es herrschte eher ein Wildwuchs. In einem Landkreis in Niedersachsen sollten Eltern auch nach einem Schnupfen immer einen Corona-Test machen, bevor das Kind erneut in die Kita darf. Viele Eltern beschwerten sich darauf hin beim zuständigen Gesundheitsamt. Jakob Maske, Kinderarzt in Berlin und Sprecher des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, berichtet der Süddeutschen von Eltern, die weinend um ein Attest gebeten hätten. Er führt an, dass es keinen Sinn macht, Kinder nach einem Schnupfen gesund zu schreiben.
Wir haben das Problem, dass hier vermehrt gesunde Kinder in die Praxis kommen, was wir eigentlich sowieso vermeiden wollen, aber zu Covid-19-Zeiten insbesondere.
Oliver Bartelt, Kinderarzt in Berlin
Die "Schnupfenpapiere" sollen Klarheit bringen
Die einzelnen Bundesländer haben inzwischen reagiert und Handlungsempfehlungen für Kitas und Schulen erarbeitet. Dennoch sind dies wieder einmal sehr verschieden. Eltern müssen sich also informieren, welche Regelungen für Kinder mit bestimmten Symptomen in ihrem jeweiligen Bundesland gelten. Im Zweifel sind immer Schule und Kitaleitung zu kontaktieren.
In Sachsen-Anhalt werden die Regelungen "Schnupfenpapier" genannt. Hier gilt: Ein Kind unter 10 Jahren mit unspezifischen Erkältungssymptomen wie Schnupfen uns Husten (ohne Fieber) darf am Unterricht teilen. Sobald jedoch hohes anhaltendes Fieber dazukommt sowie Störungen von Geschmacks- und Geruchssinn, muss das Kind zu Hause bleiben. Der Arzt entscheidet dann, ob ein Test auf das Corona-Virus notwendig wird.
In Berlin gilt ebenfalls: Kinder mit Schnupfen und Husten, ohne Fieber dürfen in Kita und Schule. Wenn jedoch Fieber dazukommt, muss das Kind mindestens einen Tag zu Hause bleiben. Ein Arztbesuch ist erforderlich, wenn weitere Symptome dazukommen und keine Besserung eintritt. Für Bayern gilt dasselbe für Schnupfen und Husten. In Nordrhein-Westfalen hingegen muss ein Kind mit Schnupfen erst einmal 24 Stunden zu Hause beobachtet werden und darf wieder in Kita oder Schule, wenn nichts weiteres dazukommt.
"Einfacher Kinderschnupfen ist kein Ausschlusskriterium für den Kita-Besuch"
Auch der deutsche Kitaverband spricht sich dafür aus, dass Kinder mit einem Schnupfen weiter in die Kita dürfen und verweist auf die neuesten Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts.
Vor allem junge Kinder sind nach aktuellem Kenntnisstand fast gar nicht von Corona betroffen. Die Zahl der Corona-infizierten Kinder ist laut Robert-Koch-Institut weiterhin sehr gering. Es ist völlig normal, dass ein Kita-Kind pro Saison eine Reihe von leichten Erkältungen hat. Der Ausschluss des Kindes würde die Eltern vor große Probleme stellen, weil viele ihre Urlaubs- und Krankentage dieses Jahr schon aufgebraucht haben. Erst wenn andere Symptome wie Fieber oder Abgeschlagenheit hinzukommen, müssen die Kinder daheim bleiben.
Waltraud Weegmann, Bundesvorsitzende Deutscher Kitaverband
Demnach gehe laut Bundesvorsitzender Waltraud Weegmann das Ansteckungsrisiko größtenteils von Erwachsenen aus. Daher appelliert der Verband an die Verantwortung der Eltern und Kita-Mitarbeiter und fordert zudem, dass Kitas den Zugang zu "potenziell mit Corona infizierten Personen einzuschränken sei". Zudem setzt sich der Kitaverband nach eigenen Angaben dafür ein, "Kitas mit raumlufttechnischen Anlagen auszustatten".
Rat für Eltern: Das empfehlen Kinderärzte jetzt
Kinderarzt Jakob Maske rät Eltern, die Nerven zu behalten und sich an die bisherigen Vorgaben zu halten. Ein Kind gehört bei folgenden Symptomen nicht in die Kita oder Schule:
- Fieber von mindestens 38,5 ° Celsius, rektal gemessen
- Durchfall
- Erbrechen
- Schlappheit und Unwohlsein
Bei Husten und Schnupfen sollten die Eltern laut Jakob Maske selbst entscheiden, ob sie das Kind ein bis zwei Tage zu Hause behalten können und mit der Kita oder Schule sprechen. Doch die obigen Symptome müssen dann von einem Arzt abgeklärt werden. Sollte das Kind Kontakt zu einer nachweislich mit Corona-infizierten Person haben, sollte man es ebenfalls nicht in die Kita zu schicken und sich unbedingt zunächst telefonisch beim Kinderarzt zu melden, wo ein Corona-Test durchgeführt werden kann.
Der Herbst kommt
Dass die Bundesländer endlich jeweils Vorgaben vorformuliert haben, hilft uns Eltern wenigsten ein Stück weiter. Dennoch ist die Unsicherheit immer noch groß. Ich blicke mit gemischten Gefühlen auf den Herbst und bin gespannt, wie sich die Ansteckungszahlen entwickeln. Die große Erkältungswelle wird nicht lange auf sich warten lassen und dann müssen wir doch alle wieder in die Kinderarztpraxen gehen. Wenn die Symptomatik einer Grippe so ähnlich ist, wer soll dann entscheiden, ob und wann ein Coronatest nötig wird? Wichtig wäre es, dass man unkompliziert einen Test machen könnte. Doch dass das gar nicht immer so einfach ist, hat meine Kollegin Andrea kürzlich selbst erfahren müssen.
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