Die mentale Gesundheit von Müttern befindet sich spätestens seit Corona in der Krise. Eine neue, umfassende Studie zeigt jetzt, wie dramatisch die Situation noch immer ist: Nur noch jede vierte Mutter beschreibt ihre psychische Verfassung als "gut". Besonders alarmierend ist der rasante Abwärtstrend der letzten Jahre. Was das für Familien bedeutet.
In meinem Bekanntenkreis kenne ich fast keine Mutter, die nicht phasenweise mit ihrer mentalen Gesundheit kämpft und genauso geht es mir auch. Eine neue Studie, veröffentlicht im Fachjournal JAMA Internal Medicine, bestätigt jetzt: Wir sind damit nicht alleine. Wissenschaftler*innen haben im Rahmen der Studie Daten von fast 200.000 Müttern mit Kindern unter 18 Jahren ausgewertet.
Die Ergebnisse sind erschütternd: Der Anteil der Mütter, die ihre mentale Gesundheit als "ausgezeichnet" bewerten, ist von 38,4 % im Jahr 2016 auf nur noch 25,8 % im Jahr 2023 gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil der Mütter, die ihre psychische Verfassung als "schlecht" oder "mangelhaft" einstufen, von 5,5 % auf alarmierende 8,5 %.
Von Entlastung für Eltern keine Spur
Was steckt hinter diesem dramatischen Abwärtstrend? Die Annahme, dass die unsichtbare Last des Mutterseins immer schwerer wird. Die Studienautor*innen nennen mehrere mögliche Faktoren für den Trend:
- Begrenzter Zugang zu psychologischer Versorgung
- Soziale Isolation
- Zunehmende innerfamiliäre Probleme, wie z. B. Sucht oder Krankheit
- Breitere gesellschaftliche Stressoren wie Inflation, Rassismus, Kriege und Klimawandel
- Mamas Mentalload (Überbelastung durch Familienmanagement und Care Arbeit)
Besonders beunruhigend: Der Abwärtstrend begann bereits vor der Pandemie, wurde durch diese aber noch immens verstärkt. Die Pandemie hat wie ein Brennglas gewirkt und bestehende Probleme nicht nur in Familien verschärft.
Du fühlst dich auch ständig ausgebrannt oder wie kurz vorm Eltern-Burnout? Das kannst du jetzt für dich tun.
Wer leidet am meisten? Soziale Unterschiede bei der mentalen Gesundheit
Gruppe: | Risiko: |
Alleinerziehende Mütter | Deutlich höheres Risiko für psychische Probleme |
Mütter mit geringerer Bildung | Fast doppelt so hohes Risiko im Vergleich zu Hochschulabsolventinnen |
Mütter mit gesetzlich versicherten Kindern | Signifikant schlechtere mentale Gesundheitswerte |
Jüngere Mütter | Stärkerer Rückgang der mentalen Gesundheit als bei älteren Müttern |
Ein deutlicher Rückgang der mentalen Gesundheit ist laut der Studie allerdings über alle Gruppen hinweg zu beobachten. Das bedeutet, dass auch Mütter mit höherem Einkommen, besserer Bildung und mehr Ressourcen mehr und mehr mit ihrer psychischen Gesundheit kämpfen. The Mom-Struggle is real!
Väter leiden auch – aber anders
Auch bei Vätern ist ein Rückgang der mentalen Gesundheit zu verzeichnen, fand die Studie heraus, allerdings auf einem besseren Ausgangsniveau: Im Jahr 2023 berichteten nur 4,5 % der Väter von einer "schlechten" oder "mangelhaften" mentalen Gesundheit – im Vergleich zu 8,5 % der Mütter. Diese Kluft zwischen den Geschlechtern unterstreicht die besondere Belastung, der Mütter immer noch verstärkt ausgesetzt sind.
Als zweifache Mutter kann ich diese Ergebnisse nur bestätigen. Das ständige Jonglieren zwischen Kinderbetreuung und -bespaßung, Haushalt, Beruf und den eigenen Bedürfnissen hat sich seit Corona nicht wirklich verbessert. An manchen Tagen fühle ich mich wie eine Maschine, die einfach funktionieren muss und sich durch den Wust an Terminen und Erledigungen fräst. (Und ich gehöre noch zu den privilegierten Mamas, mit einem sehr unterstützenden Partner an der Seite, in einem sicheren Land.)
Warum die mentale Gesundheit von Müttern alle betrifft
Mütter jammern immer nur rum und haben ja ihre Kinder selbst gewollt? Nein! Die Auswirkungen dieser Krise gehen weit über das individuelle Wohlbefinden von uns Mamas hinaus. Die psychische Gesundheit von Eltern hat direkte Auswirkungen auf die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder, und damit unserer gesamten Gesellschaft.
Hinweis: Psychische Notfälle erfordern sofortige Hilfe und eine seelische Krise ist ein echter medizinischer Notfall! In akuten psychischen Krisensituationen ist die Notrufnummer 113 für euch eine erste Anlaufstelle.
Wenn ihr oder euer Kind gefährdet ist und ihr nicht weiter wisst, steht euch auch das Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe zur Verfügung. Ihr erreicht es unter 0800 / 33 44 533. Bei drängenden und konkreten Suizidgedanken zögert nicht, euch an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112 zu wenden.
Was muss sich ändern?
Die Ergebnisse dieser Studie sind ein Weckruf. Es braucht dringend mehr Investitionen in die Erforschung und Behandlung der Ursachen für den Rückgang der mentalen Gesundheit bei Müttern. Besonders wichtig sind dabei niedrigschwellige Angebote für sozial benachteiligte Gruppen.
Aber auch gesellschaftlich muss sich etwas ändern: Wir brauchen nicht nur Influencer*innen, sondern eine Kultur, die die Bedeutung der Care Arbeit in den Mittelpunkt stellt: z. B. durch die finanzielle Aufwertung der bezahlten und unbezahlten Care-Arbeit, die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, den Ausbau einer inklusiven Infrastruktur für Familien, also insgesamt dringende politische Maßnahmen, die Eltern für das Kinderkriegen belohnen statt bestrafen.
Die mentale Gesundheit von Müttern ist kein Luxusproblem, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Es ist höchste Zeit, dass wir sie als solche ernst nehmen – zum Wohle der Mütter und zum Wohle aller Familien.