Während bei jüngeren Generationen über Wehrdienst und soziales Jahr diskutiert wird, steht plötzlich eine neue Idee im Raum: Sollten auch Seniorinnen und Senioren zum Pflichtdienst antreten? Ein renommierter Generationenforscher sorgt mit seinem Vorschlag für hitzige Debatten in deutschen Familien. Was steckt dahinter und was würde das für unsere Eltern oder Großeltern bedeuten?
Wenn wir über soziale Pflichtdienste sprechen, denken wir automatisch an junge Menschen nach dem Schulabschluss. Doch der bekannte Generationenforscher Klaus Hurrelmann stellt diese Annahme jetzt auf den Kopf. In einem Gespräch mit dem NDR fragte er provokant: "Warum soll die ältere Generation dabei grundsätzlich ausgenommen werden?" Seine These: In Krisenzeiten sollten alle Generationen einen Beitrag leisten – und ein Pflichtjahr für Seniorinnen und Senioren könnte "eine Geste sein, die Generationengerechtigkeit anschaulich machen würde."
Omas Pflichtdienst? Das sagen die Experten!
Der Vorschlag klingt zunächst radikal. Hurrelmann argumentiert, dass Menschen, die 20 bis 30 Jahre Rente beziehen, diese Zeit nicht nur als Freizeit nutzen sollten, sondern auch für gesellschaftliche Beschäftigungen.
Der Landesseniorenrat in Niedersachsen sieht das komplett anders. Ihre Antwort gegenüber einer Nachfrage des NDR ist ein klares Nein zur Pflicht. Sie betonen, dass ältere Menschen bereits "einen erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt" leisten – durch ehrenamtliches Engagement, familiäre Unterstützung und berufliche Weiterarbeit.
Was würde das für deine Familie bedeuten?
Stell dir vor: Oma muss plötzlich sechs Monate Sozialdienst leisten, während sie eigentlich auf die Enkelkinder aufpassen wollte. Oder Opa, der gerade seinen wohlverdienten Ruhestand genießen möchte, wird zum Pflichtdienst eingezogen.
Da braucht es laut Hurrelmann eine ganz genaue und faire Abwägung, welche Senior*innen sich einbringen können und welche nicht – schließlich sind viele Seniorinnen und Senioren gesundheitlich eingeschränkt.
Generationenkonflikt oder neue Solidarität?
In einem Punkt sind sich alle einig: Wir brauchen mehr Dialog zwischen den Generationen. Der Landesseniorenrat plädiert für einen "offenen Dialog zwischen den Generationen und die Förderung freiwilliger Beiträge".
Hurrelmann warnt: Die einseitige Debatte darüber, was nur die Jungen leisten sollen, riskiert, eine ganze Generation zu überfordern. Stattdessen brauchen wir ein neues Miteinander der Generationen.
Was sagt die Politik dazu?
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bereits mehrfach für einen sozialen Pflichtdienst ausgesprochen – allerdings für alle Altersgruppen. "Wir sollten jeden Menschen bitten, zwischen sechs Monaten und einem Jahr etwas für seine Stadt, für sein Land, für die Nachbarschaft zu tun, und das in der Tat verpflichtend für jeden", sagte er Anfang Juli in einem Interview mit dem Sender rbb.
Nach seiner Wahrnehmung wächst das Verständnis für eine geforderte soziale Pflichtzeit in der Bevölkerung – was die aktuelle Debatte um den Boomer-Soli allerdings nicht bestätigt.
Gemeinsam statt einsam: Ein neuer Generationenvertrag?
Die Debatte um einen Pflichtdienst für Seniorinnen und Senioren zeigt vor allem eines: Wir müssen neu darüber nachdenken, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen. Statt einen Keil zwischen die Generationen zu treiben, könnte ein freiwilliges Engagement aller Altersgruppen unsere Gemeinschaft stärken.
Vielleicht liegt die Lösung nicht in einer Pflicht, sondern in besseren Anreizen für freiwilliges Engagement – für Jung und Alt. Denn eines ist klar: In einer alternden Gesellschaft brauchen wir mehr Miteinander statt Gegeneinander der Generationen.

