"Schönen guten Tag", "Grüß Gott" oder "Servus"? Oder doch eher "Hallöchen" oder "Tach"? Wie wir andere Menschen begrüßen, sagt nicht nur viel über unser Verhältnis zu ihnen, sondern auch einiges über unseren persönlichen "Background", unsere soziale Herkunft, aus.
Dabei lässt nicht nur unsere Wortwahl tief blicken, sondern zusätzlich unsere Gestik. Ob per Handschlag, mit "Ghetto-Faust" oder mit "Bussi Bussi" – auch deine Körpersprache spricht schon in diesen ersten Begegnungen Bände. Lasst uns einen (nicht ganz klischeefreien) Blick auf euer "Hallo" werfen!
#1: Schulterklopfen vs. Kopfnicken: Was unsere Gestik in Begrüßungen über unsere soziale Schicht verrät
Über Jahrzehnte haben wir ihn uns antrainiert und während der Corona-Pandemie durften wir ihn plötzlich nicht mehr benutzen: den Handschlag. Wenn du dich schnell wieder an sein Comeback gewöhnt hast, sagt das einiges über deine soziale Herkunft aus. Du bist ein*e Händeschüttler*in wie er/sie im Buche steht? Dann stammt deine Familie wahrscheinlich aus der deutschen Mittelschicht. In vielen anderen Ländern der Welt ist ein Handschlag nämlich nicht üblich — oder sogar verpönt.
Du bist ein typischer Schulterklopfer? Das lässt zunächst einmal auf dein Geschlecht schließen: Diese "kumpelige" Geste wird nahezu zu 100 % von Männern benutzt. Die soziale Schicht tritt dabei in den Hintergrund: Der Jurist aus der Oberschicht klopft dem Kumpel seinen Sprößlings bei der Begrüßung ebenso auf die Schulter wie der harte Boxer aus der Arbeiterklasse seinem Gegner.
Dein liebstes Begrüßungspersonal ist die sog. "Ghetto-Faust" bzw. der "Faustgruß"? Obgleich der Name mit dem Begriff „Ghetto“ verbunden ist, ist die Geste nicht auf eine bestimmte soziale Schicht beschränkt, sondern wird von Menschen unterschiedlicher Herkunft und in verschiedenen Situationen verwendet. Im beruflichen Kontext kommt sie nicht vor, sondern wird eher unter Freunden als Zeichen der Solidarität und Stärke verwendet. Der sportliche Verwandte der "Ghetto-Faust" ist übrigens das "High-Five".
#2: Dein Distanzverhalten: Was Nähe und Reserviertheit über deine soziale Schicht verraten
Du musst jemanden nicht besonders gut kennen, um ihn bei der Begrüßung zu umarmen? Das sagt weniger über deine soziale Herkunft als über deinen persönlichen Charakter aus: Denn offene und kontaktfreudige Personen neigen eher zu Umarmungen, um Zuneigung auszudrücken. Aber Achtung! Bei eher introvertierten Personen oder im beruflichen Kontext können Umarmungen schnell als unpassend oder gar übergriffig gelten.
Küsschen links, Küsschen rechts: Wenn du ein "Knutschi" bist, lässt das auf deinen kulturellen Hintergrund schließen. Italiener*innen küssen zweimal, Schweizer*innen drei und in manchen Regionen Frankreichs werden sogar vier Schmatzer ausgetauscht. Wie Deutschlandfunk Nova urteilt, spielt bei den Küsschen "auch der gesellschaftliche Status eine Rolle, bzw. das Bankkonto. Je mehr Geld, desto mehr Küsschen rechts und links gibt es. Beruflich und privat." Willkommen in der Bussi-Bussi-Gesellschaft.
Dir ist ein dezentes Winken mit der Hand oder ein Kopfnicken am liebsten? Dann ist es gut möglich, dass dein "Stall" im Bildungsbürgertum steht. Beide Gesten können als reduzierter Ausdruck des früheren Hutziehens gelesen werden – und das hat sich in den oberen Gesellschaftsschichten länger gehalten als in der Arbeiterklasse. Ach ja, diese distanzierten Gesten werden meist von Männern benutzt.
#3: Die Wortwahl: Was du sagst, lässt tief blicken
Damit kann man nicht viel falsch machen: "Hallo" wird in der informellen, bzw. innerhalb unserer sozialen Schicht verwendet, typischerweise unter Freund*innen, Gleichaltrigen oder in lockeren Situationen. Die Begrüßung ist nicht an eine bestimmte soziale Schicht gebunden, sondern hängt stark vom Kontext ab.
Eine formelle Begrüßung wie "Guten Tag" ist dagegen angemessener in formellen, geschäftlichen oder unbekannten Situationen, unabhängig vom sozialen Hintergrund. Allerdings verrät deine Begrüßungsformel einiges über deine regionale Herkunft: Im katholisch geprägten Bayern hört man "Grüß Gott" oft, in Österreich wird "Servus" verwendet und in Norddeutschland ist "Moin" zu jeder Tageszeit gebräuchlich.
"Na?", "So?" oder "Alles fit?" wirst du eher nicht in der klassischen Oberschicht hören. Wenn du ein knappes "Na?" als Begrüßungsfloskel benutzt, kommst du wahrscheinlich aus einem Berliner "Stall" der Mittelschicht, wo das Wort übrigens nicht als Frage, sondern als schlichtes "Hallo" im vertrauten Kontext gilt. Man kann darauf dann einfach auch mit "Na?" antworten.
"Gumo", "Moingiorno", "Guten Tacho", "Hallöchen mit Öchen" oder "Grüßli Müsli" – puh, du scheinst ein echter Scherzkeks zu sein. Und die gibt's bekannterweise in allen sozialen Schichten. Die Wortwitze gehen sogar im beruflichen Kontext, allerdings nur unter Kolleg*innen oder in besonders kreativen Branchen. Ob die scherzhaften Grußformeln die Stimmung auflockern oder extrem nerven, musst du selbst herausfinden.
"Küss die Hand": Wenn du so sprichst, bist du entweder Österreicher*in oder betagte*r Angehörige*r des Hochadels. Denn außerhalb dieser regionalen und sozialen Schichten machst du dich mit dieser geschwollenen Ausdrucksweise wahrscheinlich ziemlich lächerlich.
#4: Schau mir (nicht) in die Augen, Kleines
Wenn du jemanden begrüßt, schaust du ihm in die Augen? Gute Taktik! Der Blickkontakt schafft sofort Verbundenheit und hat sogar die Kraft, etwaige soziale Unterschiede zu überwinden.
Du vermeidest es bei der Begrüßung, jemandem in die Augen zu schauen? Dann meinst du es vermutlich nicht allzu gut mit ihm/ihr, möchtest Distanz aufbauen, Desinteresse signalisieren oder evtl. auch deine soziale Überlegenheit demonstrieren. Gilt übrigens auch für den Blickkontakt "von oben herab": Wenn du jemanden aufforderst, bei der Begrüßung sitzen zu bleiben, während du stehst, machst du unmissverständlich klar, wer hier überlegen sein soll.
Nicht nur die Begrüßung, auch die Art der Verabschiedung verrät einiges über uns. Deine Einstellung zum Loslassen erfährst du in unserem Video:
#5: "Hallooooh" oder "Tach": Der Ton macht die Musik
Ein flötendes "Hallöchen" kann zwar ein bisschen affektiert wirken. Auf jeden Fall aber bemüht sich der/die Begrüßende hier um eine lockere, freundliche Atmosphäre. Gut möglich, dass du bei dieser Begrüßungsformel aus der "Schickimicki-Gesellschaft" kommst, kann aber auch sein, dass du dir den Singsang in einem gewissen beruflichen Kontext angewöhnt hast, z. B. als Friseur oder Versicherungsagentin.
Hörst du dagegen ein knappes "Tach" oder "Mahlzeit" stammt dein Gegenüber wahrscheinlich aus dem "Malocher-Milieu". Unter Handwerker*innen oder Bergbauarbeiter*innen verliert man nicht viele Worte. Ist aber nicht unfreundlich gemeint.
Als absoluter Klassiker der sozialen Schichten gilt Pierre Bourdieu Standardwerk "Die feinen Unterschiede". Wer sich Fragen des kulturellen Habitus aus wissenschaftlicher Perspektive nähern will, liegt damit goldrichtig.
Sozialer Status ist nicht alles
Wie wir gesehen haben, spiegeln Begrüßungsformeln nicht immer die soziale Schicht, sondern viel stärker regionale Herkunft, Grad der Vertrautheit und den Kontext (formell/informell) wider. Eine Formel wie „Guten Tag“ ist universell und höflich, während informellere Grüße wie „Hallo“ oder regionale Varianten wie „Moin“ oder „Servus“ eher Aufschluss über die Region oder den Grad der Vertrautheit geben.
Die Begrüßungsformel ist also ein Marker für regionale Identität, die soziale Distanz und den Kontext der Situation, aber nicht in jedem Fall für die soziale Schicht im engeren Sinne. Die Wahl der Begrüßung kann jedoch dazu beitragen, ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln, das wiederum mit sozialen Konventionen und Erwartungen verbunden ist.








