Viele von uns plagt eine innere Stimme, die einfach nicht still sein will: Selbst bei Kleinigkeiten gehen wir hart mit uns ins Gericht, während wir bei anderen fünf gerade sein lassen. Diese ständige Selbstkritik ist oft tief verankert – sie kann erschöpfend sein und dich davon abhalten, dein volles Potenzial zu entfalten.
Selbstkritik ist zunächst nichts Schlechtes – sie kann uns helfen, uns weiterzuentwickeln und zu verbessern. Doch wenn sie überhandnimmt, wird sie zum Hindernis. Viele Menschen merken gar nicht, wie streng sie mit sich selbst umgehen, während sie anderen gegenüber viel nachsichtiger sind. Die gute Nachricht: Du kannst lernen, deine*n innere*n Kritiker*in zu zähmen und einen liebevollen Umgang mit dir selbst zu finden. Hier sind sieben Anzeichen, die darauf hindeuten, dass du zu hart mit dir selbst umgehst.
#1 Du machst dich wegen Kleinigkeiten fertig
Ehrlich: Die wenigsten der Fehler, die wir im Alltag machen, haben ernsthafte Konsequenzen: Wir checken extra die Wetter-App – und lassen trotzdem den Regenschirm zu Hause liegen. Oder planen unseren Einkauf jede Woche genau – nur um dann schimmelige Erdbeeren mit nach Hause zu bringen. Keine dieser Situationen ist es wert, dir ewige Vorwürfe zu machen.
Und diese übertriebene Reaktion auf kleine Fehler ist ein klassisches Zeichen für übermäßige Selbstkritik. Versuche stattdessen, dir eine "Bagatellgrenze" zu setzen: Fehler, die weniger als xx Euro kosten oder nur xx Minuten deiner Zeit verschwenden, verdienen keine stundenlange Selbstgeißelung. Frage dich: Würde ich einen Kollegen oder eine Freundin für denselben Fehler so hart verurteilen?
Hilfreich für einen liebevollen Umgang mit dir selbst sind die Ratgeber "Selbstliebe statt Selbstkritik" und "Selbstmitgefühl: Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden".
#2 Du kannst Fehler nicht loslassen
Du hast den Namen deines Gegenübers vergessen, dich sofort entschuldigt – und denkst trotzdem noch wochenlang daran. Obwohl die Sache längst geklärt ist, kreisen deine Gedanken immer wieder um diesen Fauxpas – wie konnte dir das auch nur passieren!
Gesunde Selbstkritik motiviert uns, Fehler zu korrigieren und aus ihnen zu lernen. Wenn du aber nach der Korrektur nicht loslassen kannst, wird sie unproduktiv. Erinnere dich daran, dass Schuldgefühle nur dann sinnvoll sind, wenn sie zu Wiedergutmachung und Verhaltensänderung führen. Sobald du das getan hast, darfst du die Sache abhaken und weitergehen.
#3 Du suchst die Schuld immer bei dir
Wenn die Kollegin eine Aufgabe nicht erledigt, denkst du sofort: "Ich hätte nochmal nachfragen müssen." Wenn jemand dich anmotzt, suchst du automatisch den Fehler bei dir. Du übernimmst die Verantwortung für das Verhalten anderer und findest immer einen Weg, dir selbst die Schuld zu geben.
Diese übermäßige Verantwortungsübernahme ist erschöpfend und ungerecht. Versuche, die Verantwortung fair zu verteilen. Das heißt, statt 100 Prozent der Schuld übernimmst du das nächste Mal nur 50 Prozent. Frage dich: "Was wäre in dieser Situation die hilfreichste Verteilung der Verantwortung?" – nicht für dein Ego, sondern für eine echte Lösung des Problems.
#4 Deine Selbstfürsorge kommt ständig zu kurz
Seit Monaten willst du einen Physio-Termin vereinbaren, weil du solche Rückenschmerzen hast. Oder neue Stiefel kaufen, weil deine alten zu abgelaufen sind. Doch irgendwie schaffst du es nie, dir die Zeit dafür zu nehmen. Es gibt immer etwas "Wichtigeres" zu tun, und deine eigenen Bedürfnisse werden kontinuierlich nach hinten geschoben.
Wenn du deine eigene Gesundheit und dein Wohlbefinden chronisch vernachlässigst, ist das ein deutliches Zeichen für zu viel Selbstkritik. Du hältst dich selbst nicht für wichtig genug, um Zeit, Geld oder Energie in dich zu investieren. Frage dich: Würde ich einer geschätzten Person raten, ihre Gesundheit so zu vernachlässigen? Wahrscheinlich nicht. Beginne damit, mindestens eine Selbstfürsorge-Aktivität pro Woche fest einzuplanen.
#5 Du hast immer das Gefühl, zu versagen
Objektiv betrachtet hast du vieles erreicht und dein Leben gut im Griff. Du zahlst deine Rechnungen pünktlich, hast gute Beziehungen und kommst im Job voran. Dennoch fühlst du dich wie ein*e Versager*in, weil du nur die Bereiche siehst, in denen du nicht perfekt bist.
Diese verzerrte Selbstwahrnehmung ist ein klassisches Zeichen von übermäßiger Selbstkritik. Versuche, dein Leben durch die Augen anderer zu betrachten. Was würden Kollegen über deine Leistungen sagen? Welche Dinge machst du richtig, die du für selbstverständlich hältst? Erstelle eine Liste deiner Erfolge und Stärken, so klein sie dir auch erscheinen mögen, und ergänze sie regelmäßig.
Fast immer stammt unsere starke Selbstkritik und ein geringer Selbstwert aus Kindheitswunden. Im Video spricht Stefanie Stahl darüber, wie du sie konfrontierst.
#6 Du gehst immer die Extrameile
Du gibst immer 120 Prozent, selbst bei unwichtigen Dingen. Während andere nach getaner Arbeit Feierabend machen, feilst du noch an Details, die kaum jemand bemerken wird. Diese Perfektion mag bewundernswert erscheinen, aber sie hat ihren Preis.
Ständig über deine Grenzen zu gehen, führt zu Erschöpfung und kann paradoxerweise dazu führen, dass wichtigere Aufgaben vernachlässig t werden. Dieser Perfektionismus stammt oft aus einem Hochstapler-Syndrom –der Angst, dass jeder kleine Fehler deine vermeintliche Inkompetenz entlarven könnte. Übe bewusst, bei unwichtigen Dingen "gut genug" sein zu lassen. Beginne mit kleinen Experimenten und beobachte, dass die Welt nicht untergeht, wenn du mal nicht perfekt bist.
#7 Du verzeihst anderen ihre Fehler, aber nie dir selbst
Wenn anderen im Meeting der Kaffee umkippt, findest du das völlig menschlich. Wenn dir dasselbe passiert, schämst du dich tagelang und denkst, alle halten dich für inkompetent. Diese Doppelmoral ist ein deutliches Zeichen für übertriebene Selbstkritik.
Wir alle machen Fehler – das gehört zum Menschsein dazu. Wenn du anderen ihre Fehltritte leicht verzeihen kannst, warum nicht auch dir selbst? Frage dich bei jedem Fehler: "Was würde ich zu einer geschätzten Person sagen, die denselben Fehler gemacht hat?" Und dann sprich genau so mit dir selbst.
Fazit: Selbstkritik in gesunde Bahnen lenken
Selbstkritik ist wie ein Werkzeug – in der richtigen Dosierung hilft sie uns, zu wachsen und uns zu verbessern. Zu viel davon kann jedoch lähmend wirken und unsere Lebensqualität erheblich einschränken. Der erste Schritt zur Veränderung ist das Erkennen der Muster. Wenn du dich in mehreren der genannten Anzeichen wiedererkennst, ist es an der Zeit, deinen inneren Kritiker zu zähmen.
Beginne mit kleinen Schritten: Behandle dich selbst mit der gleichen Freundlichkeit, die du anderen entgegenbringst. Feiere deine Erfolge, so klein sie auch sein mögen. Und vor allem: Erlaube dir, menschlich zu sein – mit allen Fehlern und Unvollkommenheiten, die dazu gehören. Denn genau diese machen dich zu dem einzigartigen Menschen, der du bist.









