Bevor es Apps für jedes Problem gab, haben wir unsere alltäglichen Probleme tatsächlich noch selbst gelöst. Die Kindheit der Millennials war geprägt von Erfahrungen, die heute fast undenkbar erscheinen. Sich verlaufen ohne GPS-Tracking oder Langeweile bis zum Gehtnichtmehr? Diese 8 Kindheitserlebnisse haben Millennials gestärkt.
Die Kindheit prägt uns fürs Leben – doch wie unterschiedlich diese Prägung aussehen kann, zeigt der Blick auf verschiedene Generationen: Was für die Generation Millennials (geboren zwischen 1980 und 1995) alltäglich war – also Herausforderungen, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit förderten –, bedeutet für die Digital Natives der Generation Z heute oft eine echte Überforderung. Klick dich mit uns durch eine kleine Zeitreise in die analoge Welt des Aufwachsens mit den Millennials.
#1 Sich verirren ohne Navi
Vor der Weltherrschaft der Smartphones war sich verlaufen oder verirren durchaus eine Möglichkeit: Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, wie ich (geboren 1987) mit sechs Jahren einmal nach der Musikschule mit dem Fahrrad falsch abgebogen, und dann erstmal komplett orientierungslos durch identisch aussehende Straßen gefahren bin – ohne die Möglichkeit, meine Eltern anzurufen.
Die Panik dauerte ca. drei Minuten, bevor mein Überlebensmodus einsetzte: Ich radelte so lange weiter, bis ich irgendwann zu einer Straßenecke kam, die ich wiedererkannte. Manchmal mussten wir sogar Fremde nach dem Weg fragen oder uns einfach für eine Richtung entscheiden und darauf vertrauen, dass es die richtige war. Ohne Check und Vergewisserung bei Maps. Diese Erfahrungen lehrten uns: Orientierungslosigkeit ist vorübergehend, und wir sind einfallsreicher, als wir denken!
#2 Langeweile als Kreativitätsbooster
Samstagnachmittag, halb Vier, das TV-Gerät blieb aus, es lief eh nichts. Weit und breit kein Netflix-Algorithmus, der die nächste Sendung serviert, kein TikTok-Scroll zum Zeitvertreib. Nur du, deine Gedanken und vielleicht ein Buch, in das du dich vertiefen konntest.
Wir Millennial-Kids verbrachten halbe Tage auf dem Zimmerteppich liegend, an die Decke starrend, während wir einfach unsere Gedanken schweifen ließen. Diese Langeweile war real und dauerte manchmal gefühlt ewig an, aber sie zwang uns auch dazu, kreativ zu werden und unseren Gedanken und unserer Fantasie Raum zu geben. Einen Raum, der heute (leider) immer kleiner wird.
#3 Spielplatz überlebt ohne Erwachsenen-Intervention
Der Spielplatz ums Eck war wie eine Miniatur-Zivilisation mit eigenen komplexen sozialen Regeln. Erwachsene waren (wenn überhaupt anwesend) keine Schiedsrichter, die ständig intervenierten. Sie griffen allenfalls bei echtem Blut oder Tränen ein.
So haben Millennials als Kinder gelernt, mit fiesem Verhalten wie z. B. Vordrängeln und Streitigkeiten umzugehen, knallharte Tauschgeschäfte zu verhandeln (meine Milchschnitte gegen deine Ü-Ei-Figur). Dies war für uns ein wertvoller Übungsplatz für das Einschätzen sozialer Signale und Situationen.
#4 Kaputtes ohne YouTube-Tutorials reparieren
Wenn der Game Boy nicht funktionierte, konnten wir nicht googeln "Fehlerbehebung". Millennials haben stattdessen in ihre Kassette gepustet und nach einem kurzen Knall gegen den Schreibtisch lief das Ding wieder. Wenn der Videorekorder unsere Lieblings-VHS verschluckte, gab es keine fünfminütige YouTube-Anleitung, sondern nur echten Frust!
Diese rein praktische Fehlerbehebung hat uns gezeigt, dass die meisten Probleme lösbar sind, wenn man bereit ist ein bisschen zu tüfteln und sehr viel Geduld mitzubringen.
#5 Verabredungen einhalten
Wenn sich Millennial-Teenager mit jemandem verabredet hatten, und zwar um 16 Uhr vorm Kino, dann war das gesetzt. Kein nochmal nachfragen per WhatsApp, kein "Bin 10 Minuten später da"-Text oder "Lass uns doch was anderes machen".
Diese festen Verabredungen zwangen uns dazu, von Vornherein verbindlich mit unseren Zusagen umzugehen. Wir konnten so auch niemanden ghosten, ohne Konsequenzen zu spüren, denn es gab keine einfache Möglichkeit, Last-Minute-Änderungen mitzuteilen. Eine wörtliche Zusage hat noch etwas bedeutet, weil es alles war, worauf wir uns verlassen konnten.
Wertvolle Tipps für die Teeniezeit
Fairerweise muss man sagen: Die heutigen Teenager haben es deutlich schwerer. Sie müssen sich irgendwie durch diese Welt durchwurschteln, in der ständiger Leistungsdruck und die Erwartung herrschen, permanent erreichbar zu sein. Dazu der Zwang zur Selbstdarstellung in den sozialen Medien...
Die Gen Z kämpft heute mit digitaler Überfrachtung und den psychischen Belastungen, die damit einhergehen. Die Herausforderungen haben sich verändert oder sogar verschärft. Und jede Generation muss daraus ihre eigenen Bewältigungsstrategien entwickeln. Puh, ich möchte wirklich nicht tauschen.
#6 Ungefilterter Zugang zu verstörenden Inhalten
Im Kabelfernsehen der 90er liefen nicht nur Westernfilme, es war auch ein bisschen so wie der Wilde Westen selbst: Beim "Zappen" (kennt das Wort heute noch jemand?) stieß man teils auf wirklich verstörende Dinge – Horrorfilme oder Inhalte, die definitiv nicht für Kinder gedacht waren. Es gab weder Trigger-Warnungen noch funktionierende Kindersicherungen.
Millennial-Kinder mussten ihre eigenen internen Filtersysteme entwickeln, weil externe nicht existierten. Wir lernten auf die harte Tour, dass nicht alles für jedes Alter geeignet ist und manchmal mussten wir allein für unseren Seelenfrieden sorgen (Augen zu oder schnell wegschalten).
#7 Körperliches Unbehagen als Teil des Lebens
Sommerradtouren in der Mittagshitze, Hunger zwischen zwei Mahlzeiten (ohne verfügbare und liebevoll gepackte Snackboxen) oder kleine Verletzungen, für die sich niemand wirklich interessiert hat – das waren einfach Zustände, die es zu ertragen galt.
Junge Millennials lernten so, dass vorübergehendes körperliches Unbehagen kein Notfall ist, der sofortiges Eingreifen ganz dringend erfordert. Unsere Grundtoleranz für Unbehagen war einfach höher, weil wir sie entwickeln mussten. Und das hat uns widerstandsfähiger gemacht als heutige Generationen, deren Bedürfnisse überall und ständig erfüllt werden (können).
#8 Enttäuschungen ohne sofortigen Trost verarbeiten
Deine beste Freundin zog weg, du wurdest nicht ins Team gewählt, deine Lieblingssendung wurde abgesetzt – wir mussten mit diesen Gefühlen leben, ohne das alles ausdiskutiert und sofort eine Lösung herbeigezaubert wurde. Es gab keinen einen endlosen Strom von Inhalten zur Ablenkung. Und die Enttäuschung fühlte sich riesengroß an, weil du ihr nicht so leicht mit einer Alternativlösung entkommen konntest. Diese unvermeidbare emotionale Verarbeitung lehrte uns, dass Gefühle, auch unangenehme, überlebbar und meistens nur vorübergehend sind.
Ich möchte nicht alle Facetten der Millenial-Kindheit romantisieren. Moderne Erziehungsmethoden berücksichtigen z. B. viel mehr die emotionalen Bedürfnisse der Kinder, die in unserer Generation oft übersehen wurden. Aber die alltäglichen Herausforderungen, die wir früher gemeistert haben, haben unsere wertvollen Fähigkeiten zur Selbstständigkeit und zum Umgang mit Ungewissheiten mit aufgebaut. Und darauf können wir durchaus stolz sein und etwas daraus lernen.
Vielleicht, dass es etwas Positives ist, sich in Langeweile zu verlieren oder Kinder Konflikte erst verarbeiten zu lassen, bevor man eingreift, um sie zu lösen. Und ihnen genug Selbstvertrauen mitzugeben, das aus dem Wissen entsteht, dass man mit allem fertig wird, was auf einen zukommt.










