Nett zu sein ist eine wunderbare Eigenschaft – aber nur dann, wenn du dir selbst dabei treu bleibst und deine Bedürfnisse nicht auf der Strecke bleiben. Wenn deine Hilfsbereitschaft dich selbst auslaugt und du dich oft ausgenutzt fühlst, könnte es sein, dass du in die "zu-nett-Falle" getappt bist.
Manche von uns sind People Pleaser, die es immer allen recht machen wollen, andere verwenden ihre Freundlichkeit als Schutzmechanismus oder sind Perfektionisten, die panische Angst vor Kritik haben: Eines haben wir gemeinsam – die Nettigkeit ist oft ein Resultat aus schmerzhaften Erfahrungen, in denen wir tiefe Ablehnung erfahren haben oder uns Zuneigung hart erarbeiten mussten.
Aber: Du kannst lernen, freundlich zu bleiben und trotzdem gesunde Grenzen zu setzen. Der erste Schritt ist zu erkennen, wann deine Nettigkeit dir selbst schadet. Hier sind neun Anzeichen, dass du es mit der Freundlichkeit vielleicht ein bisschen zu gut meinst.
#1 Du fühlst dich nach einem "Ja" oft frustriert und ärgerlich
Kennst du das Gefühl? Du sagst zu etwas zu, obwohl du eigentlich keine Lust oder Zeit hast, nur um gemocht zu werden – und fühlst dich danach innerlich wütend oder frustriert. Diese Ressentiments sind ein deutliches Warnsignal. Wenn du ständig Dinge für andere tust, nicht weil du es wirklich willst, sondern aus Pflichtgefühl oder Angst vor Ablehnung, wird sich mit der Zeit ein Berg von Groll ansammeln. Du fühlst dich zurückgelassen und unerfüllt, während deine eigenen Ziele und Wünsche auf der Strecke bleiben.
Die Lösung: Übe das Neinsagen! Ein einfaches "Nein, das schaffe ich leider nicht" reicht völlig aus – ohne lange Erklärungen oder Entschuldigungen. Bewahre deine "Jas" für die Dinge und Menschen auf, die dir wirklich wichtig sind. Denk daran: Ein ehrliches Nein ist besser als ein widerwilliges Ja. Hier haben wir wirksame Strategien gesammelt, die immer helfen.
#2 Deine eigenen Bedürfnisse bleiben ständig auf der Strecke
Du bist immer für andere da, aber wer ist für dich da? Wenn du regelmäßig deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellst, um anderen zu helfen, ist das ein klassisches Zeichen übertriebener Nettigkeit. Besonders problematisch wird es, wenn du merkst, dass die Menschen, für die du alles tust, selten bis nie für dich da sind, wenn du sie brauchst. Dieses Ungleichgewicht trainiert andere regelrecht darauf, dich zu enttäuschen – denn sie wissen, dass du sie nie zur Rechenschaft ziehen wirst.
Die Lösung: Fang an, deine eigenen Bedürfnisse zu priorisieren. Plane bewusst Zeit für dich selbst ein, bevor du zusagst, anderen zu helfen. Stelle dir vor jedem "Ja" die Frage: "Würde diese Person auch für mich da sein, wenn ich Hilfe bräuchte?" Ein ausgewogenes Geben und Nehmen ist der Schlüssel zu gesunden Beziehungen.
Gute Resourcen sind auch die Ratgeber "Hilfe, ich bin zu nett!" von Ingo Nommsen und "Nein sagen ohne Schuldgefühle: Gesunde Grenzen setzen" von Henry Cloud und John Townsend.
#3 Du hast panische Angst davor, nicht gemocht zu werden
"Die werden mich nur mögen, wenn ich nützlich für sie bin" – klingt dieser Gedanke vertraut? Menschen, die zu nett sind, haben oft die tief verwurzelte Überzeugung, dass ihre Beliebtheit von ihrer Hilfsbereitschaft abhängt. Diese Angst vor Ablehnung kann so stark werden, dass du praktisch alles tust, um sie zu vermeiden. Du sagst zu Dingen zu, die du eigentlich ablehnen möchtest, nur um die anderen nicht zu enttäuschen oder zu verärgern. Deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse werden dabei komplett ignoriert.
Die Lösung: Suche dir kleine, risikoarme Situationen, in denen du übst, "Nein" zu sagen. Zum Beispiel: "Möchtest du noch einen Nachschlag?" oder "Kannst du auf dem Heimweg noch schnell XY besorgen?" Führe eine Liste mit Situationen, in denen es dir schwerfällt, "Nein" zu sagen, und übe passende Antworten ein. Mit der Zeit wird es leichter!
#4 Du entschuldigst dich für praktisch alles
"Sorry" ist dein Lieblingswort? Du entschuldigst dich, wenn dich jemand anrempelt, wenn du eine Frage stellst oder sogar, wenn du um etwas bittest, das dir zusteht? Diese übermäßigen Entschuldigungen sind ein klassisches Zeichen von zu viel Nettigkeit. Wenn du dich ständig für deine bloße Existenz entschuldigst, verliert das Wort "Entschuldigung" mit der Zeit seine Bedeutung. Außerdem machst du dich klein: Du signalisierst du anderen unbewusst, dass deine Bedürfnisse und Gefühle weniger wichtig sind als ihre.
Die Lösung: Mache ein kleines Experiment: Versuche, einen ganzen Tag ohne das Wort "Sorry" auszukommen. Wenn du dich dabei ertappst, wie du dich unnötig entschuldigen willst, halte inne und formuliere um. Statt "Sorry, dass ich störe" sage "Danke für deine Zeit". Statt "Sorry für die Verspätung" sage "Danke fürs Warten".
#5 Dein Arbeitsalltag gleicht einem Dauerstress-Marathon
Bist du die "Ja-Sagerin" im Team? Übernimmst du Aufgaben, für die du eigentlich keine Zeit hast? Besuchst du Meetings, die dich eigentlich nichts angehen, nur um als Teamplayer zu gelten? Diese übertriebene Hilfsbereitschaft führt meist nicht zu den erhofften Beförderungen oder Anerkennungen, sondern nur zu einem überfüllten Terminkalender, Überstunden und chronischer Erschöpfung.
Die Lösung: Plane zuerst deine eigenen Aufgaben und Ziele, bevor du die Arbeit anderer übernimmst. Wenn du wirklich ausgelastet bist, ist es sogar verantwortungsvoll, "Nein" zu sagen. Übe den Satz: "Das passt leider nicht in meinen Zeitplan, aber ich kann dir gerne XY empfehlen" oder "Ich kann das erst nächste Woche übernehmen."
Bis du zu nett, um Konflikte zu vermeiden? Im Video findest du Tipps, wie du Streitsituationen souverän meisterst. Alles eine Frage der Übung!
#6 Du wertest deine eigenen Ideen ständig ab
"Das klingt vielleicht dumm, aber ..." oder "Das ist nur so eine Idee ..." – beginnst du deine Sätze oft mit solchen Formulierungen? Wenn du deine eigenen Gedanken und Ideen abwertest, bevor andere überhaupt die Chance haben, sie zu hören, ist das ein Zeichen von übertriebener Nettigkeit. Mit dieser Selbstabwertung pflanzt du nicht nur Zweifel über die Qualität deiner Ideen in die Köpfe anderer, sondern signalisierst auch, dass du selbst nicht an deine Fähigkeiten glaubst. Du nimmst dir die Chance, ernst genommen zu werden, bevor du überhaupt angefangen hast zu sprechen.
Die Lösung: Schlucke diese selbstkritischen Einleitungen runter, bevor du sie aussprichst. Übe vor dem Spiegel, deine Ideen mit Überzeugung vorzutragen: "Ich habe einen Vorschlag" oder einfach direkt mit deiner Idee starten. Wenn dir das schwerfällt, stell dir vor, du würdest die Idee einer Freundin präsentieren – würdest du sie auch so abwerten?
#7 Du wirst ständig zu Dingen mitgeschleppt, die dir keinen Spaß machen
Wenn du regelmäßig bei Aktivitäten landest, die dich eigentlich gar nicht interessieren, nur weil du nicht "Nein" sagen konntest, ist das ein deutliches Zeichen für übertriebene Nettigkeit. Statt Spaß und Entspannung bringen dir diese Unternehmungen nur Stress. Denk daran: Die anderen sind keine Gedankenleser. Wenn du nie äußerst, was du eigentlich machen möchtest, wird niemand es erraten. Das Ergebnis? Du fühlst dich mitgeschleift und unglücklich, während alle anderen sich wundern, warum du so still bist.
Die Lösung: Gönne dir bewusst "Ich-Zeit" und sage bei Aktivitäten ab, die dich nicht ansprechen. Mach einen Gegenvorschlag: "Kino klingt für mich heute anstrengend, aber wie wäre es mit einem gemütlichen Kaffee morgen?" Denk daran, dass andere deine Gedanken nicht lesen können – sprich aus, was du dir wünschst!
Eine Nebenwirkung des Nettseins ...
... ist die schleichende Selbstaufgabe, die damit einhergeht. Denn wer immer auf andere achtet, vergisst seine eigenen Vorlieben, Bedürfnisse und Pläne – bis du dich selbst nicht wiedererkennst. Nimm dir deshalb bewusst Zeit und frage dich, welche kurzfristigen und langfristigen Ziele du selbst hast. Und wie deine Reaktionen auf andere in diese Vorstellungen passen.
#8 Du sagst ständig Pläne zu und musst sie dann absagen
Es passiert so schnell: Im Moment der Anfrage sagst du zu, um niemanden zu enttäuschen – nur um später festzustellen, dass du eigentlich keine Zeit hast oder der Termin mit etwas anderem kollidiert. Das Ergebnis: Du musst absagen und fühlst dich noch schlechter. Diese vorschnellen Zusagen entstehen meist aus Angst vor Ablehnung oder Schuldgefühlen. Blöderweise führt dieses Verhalten genau zu dem, was du vermeiden wolltest – du enttäuschst andere und erscheinst unzuverlässig, obwohl du eigentlich nur nett sein wolltest.
Die Lösung: Verlangsame deine Reaktion. Atme tief durch, bevor du antwortest – das gibt dir ein paar Sekunden zum Nachdenken und reduziert deine Stressreaktion. Oder sage: "Das klingt gut! Lass mich kurz in meinen Kalender schauen und ich melde mich gleich bei dir." Andere schätzen eine überlegte Zusage mehr als eine halbherzige Verpflichtung.
#9 Du bist ständig erschöpft und ausgelaugt
Fühlst du dich chronisch müde, emotional erschöpft und ausgebrannt? Wenn du die Rolle der "nettesten Person der Welt" spielst, ständig für andere da bist und Misshandlungen stillschweigend erträgst, leert sich dein Energietank rasend schnell. Es gibt einen großen Unterschied zwischen echter Freundlichkeit und aufgesetzter Nettigkeit. Echte Freundlichkeit kommt aus dem Herzen und gibt dir Energie zurück. Aufgesetzte Nettigkeit hingegen ist eine Maske, die du trägst, und die dich langsam aber sicher auslaugt.
Die Lösung: Nimm dir täglich bewusst Zeit für Selbstfürsorge und Erholung. Setze klare Grenzen mit dir selbst, was und wen du in dein Leben lässt. Je mehr du für dich selbst sorgst, desto weniger erschöpft wirst du dich fühlen.
Fazit: Du kannst freundlich sein, ohne dich selbst zu verlieren
Nett zu sein ist wunderbar – aber nicht auf Kosten deiner eigenen Bedürfnisse und deiner psychischen Gesundheit. Der Schlüssel liegt darin, gesunde Grenzen zu setzen und authentisch zu bleiben. Du kannst lernen, "Nein" zu sagen, ohne unhöflich zu sein, und deine eigenen Bedürfnisse zu priorisieren, ohne egoistisch zu werden.
Denk daran: Menschen respektieren und mögen dich mehr, wenn sie dein wahres Ich kennenlernen dürfen. Und die Beziehungen, die auf Authentizität basieren, sind die erfüllendsten und langlebigsten. Also trau dich, weniger nett und mehr du selbst zu sein – dein zukünftiges, weniger erschöpftes Ich wird es dir danken!













