Falls ihr dachtet, ihr backt mit euren Kindern einfach ein paar Plätzchen im Advent, haben wir big News für euch: Denn eigentlich macht ihr mit den Kids Mint-Experimente, stärkt ihre Selbstwirksamkeit und übt Teamwork und soziale Interaktion.
Plätzchen backen ist nämlich genauer betrachtet ein höchst komplexer Vorgang. Schon die Kleinsten lernen zu planen, methodisch vorzugehen und Probleme systematisch zu lösen. Außerdem machen sie Bekanntschaft mit Algorithmen und wie sie mit ihnen umgehen. Mathematisch betrachtet dreht sich backen um Größen und Einheiten, um messen und rechnen und um Zeitmessung und Zeitgefühl. Feinmotorische Fähigkeiten sind bei der ebenso gefordert wie Kreativität.
Mission Weihnachtsbäckerei
Was sich jetzt so pädagogisch wertvoll anhört, ist das, was viele von uns einfach im Alltag mit ihren Kindern machen: Wir nehmen uns vor, mit den Kindern zu backen. Dann überlegen wir genauer: Mürbeteig-Plätzchen, Vanillekipferl oder Zimtsterne? Für die kleinen Bäcker wahrscheinlich am liebsten alles. Jetzt müssen wir gleich wieder nachdenken: Wie viel Zeit kostet das? Können wir drei Sorten backen oder lieber nur eine und dafür nächstes Wochenende zwei andere? Prompt haben wir so wichtige Dinge wie Problemlösung, Planung und exekutive Funktionen trainiert.
Der berühmteste Algorithmus der Welt
Was brauchen wir dafür? Das überlegen wir anhand des Rezepts, egal ob dieses online, im Backbuch der Ur-Oma oder in unserem Kopf zu finden ist. Nächste Frage: Was davon haben wir schon? Kinder lieben eine solche Inventur und ganz unbewusst lernen sie Algorithmen – denn nichts anderes ist ein Rezept – kennen, verstehen und anzuwenden. Ob uns jetzt noch Eier und Backpulver fehlen oder später die Länge der Ankathete oder die Hauptmethode in Java ist austauschbar. Ein Algorithmus braucht bestimmte Bausteine, damit er funktioniert. Ohne Eier oder Eierersatz keine Kekse – und nur mit b², aber keinem a², kein Pythagoras.
Kaufmannsladen spielen – aber "in echt"
Einkaufen mit Kindern kann sich wie die Vor-Hölle anfühlen. Wenn man selbst gestresst und in Hektik noch mal eben schnell den – gefühlt – halben Wocheneinkauf machen muss, während die Kinder überreizt und übermüdet durch Kita, Schule und Hobbys mitzuckeln, ist das selten ein positives Bonding-Erlebnis.
Mit einem selbst geschriebenen oder gemalten Einkaufszettel losgehen, das Ziel "Plätzchen backen" fest im Auge, ist das jedoch etwas anderes. Kinder sind dann meist begeisterte Pioniere und Entdecker und finden alle Zutaten in kürzester Zeit. Und falls nicht, ist es eine gute Gelegenheit zu üben, dass man immer nachfragen kann. Ein unterschätzter, in der Schule später jedoch sehr wichtiger Skill. Selbstständiges Bezahlen an der Kasse ist ebenfalls etwas, das nicht nur rechnerische Fähigkeiten übt, sondern besonders die soziale Handlungsfähigkeit fördert.
"Eier und Schmalz, Zucker und Salz …"
Bevor es so richtig losgeht, muss noch gewogen und gerechnet werden:
Mehl abwiegen, 3 Eier abzählen, die Milch abmessen – so lernen Kinder spielerisch unterschiedliche mathematische Größen kennen. Dann darf es losgehen. Egal, ob Knet- oder Rührteig, hier finden spannende chemische und physikalische Phänomene statt. Warum vermischt sich das überhaupt? Warum müssen wir die Butter schmelzen und wieso tut die das? Wenn man wollte, könnte man fast zu jedem Schritt einen kleinen MINT-Vortrag halten. Muss aber niemand. Kindern lernen auch durch den Prozess selbst, dass es so was wie Aggregatzustände und unterschiedliche Dichte gibt.
Cookie Content Creators
Wenn der Teig dann in der gewünschten Form vor ihnen liegt, können die Kleinen ihre Kreativität einfliessen lassen: eine Rentierherde mit Santa? Mit den passenden Ausstechern kein Problem. Oder doch eine STAR WARS Geschichte? Oder die Engelchen und Tannenbäumchen, die schon die Oma hatte? Der Fantasie setzt der Teig nur ein paar Grenzen. Und nach dem Backen – richtige Temperatur, richtige Backzeit einstellen! – und dem Auskühlen wird's richtig bunt. Kinder sind Meister der Verzierung und können sich hier ausprobieren.
Ihr seht, Plätzchen backen ist eine überaus bildende Betätigung und vermutlich die einzige MINT-Stunde, die wirklich allen schmeckt.
In wie vielen Situationen und auf welche Art und Weise Kinder lernen, ist faszinierend. Hier findet ihr noch mehr zum Thema:
Quellen: AOK, Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg, SpielundLern.de, Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung, kizz, spiegel.de, tagesspiegel.de
Bildquelle: getty Images/altmodern