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Der arme Müllersbursch und das Kätzchen (4-10 Jahre)

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In einer Mühle lebte ein alter Müller, der hatte weder Frau noch Kinder, und drei Müllerburschen dienten bei ihm. Als sie nun etliche Jahre bei ihm gewesen waren, sagte er eines Tages zu ihnen: „Ich bin alt und will mich hinter den Ofen setzen; zieht aus, und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich die Mühle geben, und er soll mich dafür bis an meinen Tod verpflegen.“ Der dritte der Burschen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern für albern gehalten, dem gönnten sie die Mühle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal.

Da zogen alle drei miteinander aus, und als sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans: „Du kannst nun hier bleiben, du kriegst dein Lebtag keinen Gaul.“ Hans aber ging doch mit, und als Nacht war, kamen sie an eine Höhle, da legten sie sich zum Schlafen hinein. Die zwei Klugen warteten, bis Hans eingeschlafen war, dann stiegen sie auf, machten sich fort und ließen Hänschen liegen und meinten, es recht fein gemacht zu haben. Aber wartet, es wird euch doch nicht gut gehen! Als nun die Sonne kam und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Höhle; er guckte sich überall um und rief: „Ach Gott, wo bin ich?“

Da erhob er sich und krabbelte die Höhle hinauf, ging in den Wald und dachte: „Ich bin hier ganz allein und verlassen, wie soll ich nun zu einem Pferd kommen!“ Während er so in Gedanken daherging, begegnete ihm ein kleines, buntes Kätzchen, das sprach ganz freundlich: „Hans, wo willst du hin?“ – „Ach, du kannst mir doch nicht helfen.“ – „Was dein Begehren ist, weiß ich wohl“, sprach das Kätzchen, „du willst einen hübschen Gaul haben. Komm mit mir und sei sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schöner, als du dein Lebtag einen gesehen hast.“ – „Nun, das ist eine wunderliche Katze“, dachte Hans, „aber sehen will ich doch, ob das wahr ist, was sie sagt.“

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Da nahm sie ihn mit in ihr verwünschtes Schlösschen und hatte da lauter Kätzchen, die ihr dienten: Die sprangen flink die Treppe auf und ab, waren lustig und guter Dinge. Abends, als sie sich zu Tisch setzten, mussten drei Musik machen, eins strich den Bass, das andere die Geige, das dritte setzte die Trompete an und blies die Backen auf, so sehr es nur konnte. Als sie gegessen hatten, wurde der Tisch weggetragen, und die Katze sagte: „Nun komm, Hans, und tanze mit mir!“ – „Nein“, antwortete er, „mit einer Miezekatze tanze ich nicht, das habe ich noch niemals getan.“ – „So bringt ihn ins Bett!“ sagte sie zu den Kätzchen. Da leuchtete ihm eines in seine Schlafkammer, ein anderes zog ihm die Schuhe aus, eines die Strümpfe, und zuletzt blies eines das Licht aus.

Am anderen Morgen kamen sie wieder und halfen ihm aus dem Bett: Eins zog ihm die Strümpfe an, eins band ihm die Strumpfbänder, eins holte die Schuhe, eins wusch ihn und eins trocknete ihm mit dem Schwanz das Gesicht ab. „Das ist recht sanft“, sagte Hans. Er musste aber auch der Katze dienen und alle Tage Holz kleinmachen; dazu bekam er eine Axt aus Silber, auch die Keile und die Säge waren Silber, und der Schläger war aus Kupfer. Nun, er machte das Holz klein, blieb im Haus, bekam gutes Essen und Trinken, sah aber niemanden als die bunte Katze und ihr Gesinde.

Einmal sagte sie zu ihm: „Geh hin und mähe meine Wiese und mache das Gras trocken.“ Und gab ihm eine Sense aus Silber und einen Wetzstein aus Gold. Sie ließ ihn aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging Hans hin und tat, was ihm geheißen war. Nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus und fragte, ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. „Nein“, sagte die Katze, „du sollst für mich noch etwas tun. Da ist Bauholz aus Silber, Da sind Zimmeraxt, Winkeleisen und was nötig ist, alles aus Silber.

Daraus baue mir erst ein kleines Häuschen.“ Da baute Hans das Haus fertig und sagte, er habe nun alles getan und habe noch kein Pferd. Doch waren die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Da fragte die Katze, ob er ihre Pferde sehen wolle? „Ja“, sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und als sie die Türe aufmachte, da standen dort zwölf Pferde. Ach! Die waren ganz stolz, ihr Fell blinkte und glänzte, dass sich sein Herz im Leibe freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach: „Geh heim, dein Pferd gebe ich dir nicht mit; in drei Tagen aber komm ich und bringe es dir nach.“ Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er musste sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war.

Als er nun heimkam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da; jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber das Pferd des einen war blind, das des andern seins lahm. Sie fragten: „Hans, wo hast du dein Pferd?“ – „In drei Tagen wird's nachkommen.“ Da lachten sie und sagten: „Ja, du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was Rechtes sein!“ Hans ging in die Stube, der Müller sagte aber, er solle nicht an den Tisch kommen, er sei so zerrissen und zerlumpt. Man müsse sich schämen, wenn jemand hereinkäme. Da gaben sie ihm ein bisschen Essen hinaus, und als sie abends schlafen gingen, wollten ihm die zwei anderen kein Bett geben. Und er musste ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen.

Am anderen Morgen, als er aufwachte, waren schon die drei Tage herum, und es kam eine Kutsche mit sechs Pferden. Ei, die glänzten, dass es schön war, und ein Diener brachte noch ein siebtes Pferd, das war für den armen Müllerbursch. Aus der Kutsche aber stieg eine prächtige Königstochter und ging in die Mühle hinein. Und die Königstochter war das kleine bunte Kätzchen, dem der arme Hans sieben Jahre gedient hatte. Sie fragte den Müller, wo der Mahlbursch, der Kleinknecht, sei? Da sagte der Müller: „Den können wir nicht in die Mühle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gänsestall.“ Da sagte die Königstochter, sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er musste sein Kittelchen zusammenhalten, um sich zu bedecken. Da packte der Diener prächtige Kleider aus und musste ihn waschen und anziehen, und als er fertig war, konnte kein König schöner aussehen.

Danach verlangte die Jungfrau die Pferde zu sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Diener das siebte Pferd bringen. Als der Müller das sah, sprach er, so eins wäre ihm noch nicht auf den Hof gekommen. „Und das ist für den dritten Mahlbursch“, sagte sie. „Dann muss er die Mühle haben“, sagte der Müller. Die Königstochter aber sprach, da sei das Pferd, er solle seine Mühle auch behalten. Sie nahm ihren treuen Hans und setzte ihn in die Kutsche und fuhr mit ihm fort. Sie fuhren zuerst zu dem kleinen Häuschen, das er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hatte; da war es ein großes Schloss. Alles darin war von Silber und Gold; und dann hat sie ihn geheiratet, und er war reich, so reich, dass er für sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen: Wer albern sei, könne deshalb nichts Rechtes werden!

➤ Kategorie: Grimms Märchen
➤ entnommen aus: Kinder und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm.Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache

Disclaimer

Liebe Leser*innen,

Grimms Märchen gehören zum kulturellen Erbe und deshalb möchten wir sie hier auch so stehen lassen, wie viele Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sie noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Dennoch: Für uns von familie.de gibt es nichts Wichtigeres, als eine vielfältige, offene und gleichberechtigte Gesellschaft. Was ihr hier in Grimms Märchen teilweise lest oder vorlest, passt mit unseren Wertvorstellungen oftmals nicht überein.

Die Märchen wurden im frühen 19. Jahrhundert zusammengetragen und waren auch damals nicht primär für Kinder gedacht. Sie sind voll von Brutalität und diskriminierenden Stereotypen. In den Geschichten finden wir nicht nur gruselige Märchengestalten wie Hexen oder Monster, sondern u.a. auch Gewalt an Kindern oder die Bevormundung von Frauen. Das ist nicht nur heute falsch, sondern war es auch damals schon. Zum Glück wachsen unsere Kinder in Zeiten auf, in denen ein Bewusstsein für diese Missstände herrscht.

Ihr kennt eure Kids am besten und daher ist es euch überlassen, ob ihr diese Erzählweise für euren Nachwuchs als angemessen anseht oder nicht; ob ihr Passagen auslasst oder abgeändert vorlest. In jedem Fall: Sprecht mit euren Kindern über das Gelesene und thematisiert das, was gegebenenfalls Angst macht oder Unrecht ist.