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Gute-Nacht-Geschichten

Der Spielhansl (7-12 Jahre)

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Es ist einmal ein Mann gewesen, der hat nichts anderes getan als gespielt; und da haben ihn die Leute nur den Spielhansl geheißen, und weil er nicht aufgehört hat zu spielen, so hat er sein Haus und alles verspielt.

Jetzt, gerade am letzten Tag, eben ehe ihm die Schuldner sein Haus wegnehmen haben wollen, sind unser Herrgott und der heilige Petrus gekommen und haben um Quartier für die Nacht gebeten.

Da hat der Spielhansl gesagt:

„Wegen meiner könnt ihr bleiben zur Nacht; aber ich kann euch kein Bett und nichts zu essen geben.“

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Da hat unser Herrgott gesagt:

„Es ist gut, sie wollten sich selbst etwas zu essen kaufen.“

Das ist dem Spielhansl recht gewesen. Der heilige Petrus hat ihm drei Groschen gegeben, er solle zum Bäcker gehen und Brot holen.Der Spielhansl ist gegangen.

Als er aber zu dem Haus gekommen ist, wo die anderen Spiellumpen drin waren, die ihm alles abgewonnen hatten, da haben die gerufen und geschrieen:

„Hansl, komm herein!“

– „Ja“, hat er gesagt, „wollt’s mir die drei Groschen auch noch abgewinnen.“

Sie haben aber nicht ausgelassen.

Endlich ist er hinein und hat schnell die drei Groschen verspielt.

Der heilige Petrus und unser Herrgott aber haben immer gewartet, und als er so lang nicht gekommen ist, sind sie ihm entgegen gegangen.

Der Spielhansl aber, als er ihnen begegnet ist, hat so getan, als ob ihm das Geld in eine Wasserlache gefallen wäre und hat emsig darin herumgesucht.

Aber unser Herrgott hat schon gewusst, dass er das Geld verspielt hat und der heilige Petrus hat ihm nochmals drei Groschen gegeben.

Jetzt hat er sich aber nicht mehr verführen lassen und hat das Brot gebracht.

Da hat ihn der Herrgott gefragt, ob er keinen Wein habe. Doch die Fässer waren alle leer und so hat er gesagt, es sei nichts da.

Da hat der Herrgott gesagt, er solle nur in den Keller hinabgehen, es sei doch Wein in den Fässern, sogar der allerbeste.

Er hat es nicht glauben wollen, aber zuletzt hat er gesagt, er will doch hinuntergehen, aber er wisse, es sei keiner da.

Als er aber das erste Fass angezapft hat, ist der beste Wein herausgekommen.

Jetzt hat er den Wein gebracht und die zwei sind die Nacht über da geblieben.

Am nächsten Tag in der Frühe hat unser Herrgott zum Spielhansl gesagt, er solle sich drei Gnaden aussuchen. Der Herrgott hat natürlich geglaubt, der Spielhansl würde sich den Himmel ausbitten, aber der Spielhansl hat sich Karten und Würfel gewünscht, mit denen er immer gewinnt, und um einen Baum, auf dem alles Obst wächst, und wenn einer hinaufsteigt, dass er nicht mehr herab kann, bis er es ihm befiehlt.

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Der Herrgott hat ihm alles gegeben, was er verlangt hat, und ist mit dem heiligen Petrus wieder fort.

Jetzt hat der Spielhansl erst recht zu spielen angefangen und hätte bald die halbe Welt zusammen gewonnen.

Da hat der heilige Petrus zu unserem Herrgott gesagt:

„Herr, das Ding tut nicht gut, er gewinnt zuletzt noch die halbe Welt; wir müssen ihm den Tod schicken.“

Und da haben sie ihm den Tod geschickt.

Als der Tod gekommen ist, hat der Spielhansl beim Spieltisch gesessen; da hat der Tod gesagt:

„Hansl, komm ein bisschen nach draußen.“

Der Spielhansl hat aber gesagt: „Wart nur so lange, bis das Spiel aus ist, steig derweil auf den Baum draußen und pflücke uns etwas, damit wir auf dem Wege zu naschen haben.“

Der Tod ist auf den Baum gestiegen, und als er wieder hat herunterwollen, hat er es nicht gekonnt, und der Spielhansl hat ihn sieben Jahre oben gelassen und derweil ist kein Mensch mehr gestorben.

Da hat der heilige Petrus zu unserem Herrgott gesagt:

„Herr, das Ding tut keinem gut; es stirbt ja kein Mensch mehr; wir müssen schon selbst hingehen.“

Sie sind also selbst hingegegangen, gekommen und der Herrgott hat dem Spielhansl befohlen, er soll den Tod vom Baum herunterlassen.

Da ist er gegangen und hat zum Tod gesagt:

„Geh herunter“, und der hat ihn gleich genommen und hat ihn erwürgt.

Jetzt sind sie miteinander fort und sind in die andere Welt gekommen. Da ist mein Spielhansl ans Himmelstor gegangen und hat angeklopft.

„Wer ist draußen?“

– „Der Spielhansl.“

– „Ach, den können wir nicht gebrauchen, geh nur wieder fort“

Da ist er zum Fegefeuer gegangen und hat wieder angeklopft.

„Wer ist draußen?“

– „Der Spielhansl.”

Da hat es ihm geantwortet: „Spieler und schlechte Leute gib es genug bei uns.

Wir wollen nicht spielen, geh nur wieder fort.“

Da ist er zum Höllentor gegangen, und die haben ihn hineingelassen; es ist aber niemand daheim gewesen als der alte Luzifer und ein paar krumme Teufel, die gerade in der Welt zu tun gehabt hatten.

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Der Spielhansl hat sich gleich wieder gesetzt und hat zu spielen angefangen.

Der Luzifer hat aber nichts gehabt als die Teufel.

Die hat ihm der Spielhansl abgewonnen, weil er mit seinen Karten alles hat gewinnen müssen.

Jetzt ist der Spielhansl mit seinen Teufeln nach Hohenfurt gegangen. Sie haben eine Hopfenstange ausgerissen und sind damit zum Himmel hinauf und haben zu stoßen angefangen; der Himmel hat schon gekracht.

Da hat der heilige Petrus gesagt:

„Herr, das Ding tut keinem gut, wir müssen ihn hereinlassen, sonst wirft er uns den Himmel herab.“

Und sie haben ihn hereingelassen.

Aber der Spielhansl hat gleich wieder zu spielen angefangen, und es ist ein Lärm und ein Getöse geworden, dass man sein eigenes Wort nicht verstanden hat.

Da hat der heilige Petrus wieder gesagt:

„Herr, das Ding tut keinem gut, wir müssen ihn hinauswerfen, er macht uns sonst den ganzen Himmel rebellisch.“ Da haben sie ihn gepackt und haben ihn hinunter geworfen, und seine Seele hat sich zerteilt und ist in die Spiellumpen gefahren, die noch bis heute leben.

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➤ Kategorie: Grimms Märchen

➤ entnommen aus "Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm." Josef Singer Verlag, Berlin 1920

➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache

Disclaimer

Liebe Leser*innen,

Grimms Märchen gehören zum kulturellen Erbe und deshalb möchten wir sie hier auch so stehen lassen, wie viele Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sie noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Dennoch: Für uns von familie.de gibt es nichts Wichtigeres, als eine vielfältige, offene und gleichberechtigte Gesellschaft. Was ihr hier in Grimms Märchen teilweise lest oder vorlest, passt mit unseren Wertvorstellungen oftmals nicht überein.

Die Märchen wurden im frühen 19. Jahrhundert zusammengetragen und waren auch damals nicht primär für Kinder gedacht. Sie sind voll von Brutalität und diskriminierenden Stereotypen. In den Geschichten finden wir nicht nur gruselige Märchengestalten wie Hexen oder Monster, sondern u.a. auch Gewalt an Kindern oder die Bevormundung von Frauen. Das ist nicht nur heute falsch, sondern war es auch damals schon. Zum Glück wachsen unsere Kinder in Zeiten auf, in denen ein Bewusstsein für diese Missstände herrscht.

Ihr kennt eure Kids am besten und daher ist es euch überlassen, ob ihr diese Erzählweise für euren Nachwuchs als angemessen anseht oder nicht; ob ihr Passagen auslasst oder abgeändert vorlest. In jedem Fall: Sprecht mit euren Kindern über das Gelesene und thematisiert das, was gegebenenfalls Angst macht oder Unrecht ist.

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