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Der Teufel und seine Großmutter (8-10 Jahre)

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Es war ein großer Krieg, und der König hatte viel Soldaten, gab ihnen aber wenig Sold, so dass sie nicht davon leben konnten. Da taten sich drei zusammen und wollten ausreißen. Einer sprach zum andern: „Wenn wir erwischt werden, so hängt man uns an den Galgenbaum. Wie wollen wir's machen?“ Sprach der andere: „Seht dort das große Kornfeld, wenn wir uns da verstecken, so findet uns kein Mensch: das Heer darf nicht hinein und muss morgen weiterziehen.“ Sie krochen in das Korn, aber das Heer zog nicht weiter, sondern blieb rundherum liegen. Sie saßen zwei Tage und zwei Nächte im Korn und hatten so großen Hunger, dass sie beinahe gestorben wären; gingen sie aber heraus, so war ihnen der Tod gewiss.

Da sprachen sie: „Was hilft uns unser Ausreißen, wir müssen hier elendig sterben.“ Da kam ein feuriger Drache durch die Luft geflogen, der senkte sich zu ihnen herab und fragte sie, warum sie sich da versteckt haben. Sie antworteten: „Wir sind drei Soldaten und sind ausgerissen, weil unser Sold gering war; nun müssen wir hier Hungers sterben, wenn wir liegen bleiben, oder wir müssen am Galgen baumeln, wenn wir heraus gehen.“ – „Wollt ihr mir sieben Jahre dienen“, sagte der Drache, „so will ich euch mitten durchs Heer führen, dass euch niemand erwischen soll.“ – „Wir haben keine Wahl und müssen es annehmen“, antworteten sie.

Da packte sie der Drache in seine Klauen, führte sie durch die Luft über das Heer hinweg und setzte sie weit davon wieder auf die Erde; der Drache war aber niemand als der Teufel. Er gab ihnen ein kleines Peitschchen und sprach: „Peitscht und knallt ihr damit, so wird so viel Geld vor euch herumspringen, wie ihr verlangt. Ihr könnt dann wie große Herrn leben, Pferde halten und in Wagen fahren; nach Verlauf der sieben Jahre aber seid ihr mein eigen. Dann hielt er ihnen ein Buch vor, in dem mussten sie alle drei unterschreiben. „Doch will ich euch“, sprach er, „erst noch ein Rätsel aufgeben, könnt ihr das raten, sollt ihr frei sein und aus meiner Gewalt entlassen.“

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Da flog der Drache von ihnen weg, und sie reisten fort mit ihren Peitschchen, hatten Geld in großer Fülle, ließen sich Herrenkleider machen und zogen in der Welt herum. Wo sie waren, lebten sie in Freuden und Herrlichkeit, fuhren mit Pferden und Wagen, aßen und tranken, taten aber nichts Böses. Die Zeit verstrich ihnen schnell, und als es mit den sieben Jahren zu Ende ging, ward zweien gewaltig angst und bang, der dritte aber nahm es auf die leichte Schulter und sprach: „Brüder, fürchtet nichts, ich bin nicht auf den Kopf gefallen, ich errate das Rätsel.“ Sie gingen hinaus aufs Feld, saßen da, und die zwei machten betrübte Gesichter. Da kam eine alte Frau daher, die fragte, warum sie so traurig seien. „Ach, was liegt Euch daran, Ihr könnt uns doch nicht helfen.“ – „Wer weiß“, antwortete sie, „vertraut mir nur euren Kummer.“

Da erzählten sie ihr, sie seien des Teufels Diener gewesen, fast sieben Jahre lang, der habe ihnen Geld wie Heu geschafft, sie hätten sich ihm aber verschrieben und seien ihm verfallen, wenn sie nach den sieben Jahren nicht ein Rätsel auflösen könnten. Die Alte sprach: „Soll euch geholfen werden, so muss einer von euch in den Wald gehen, da wird er an eine eingestürzte Felsenwand kommen, die aussieht wie ein Häuschen, in das muss er eintreten, dann wird er Hilfe finden.“ Die zwei traurigen dachten: „Das wird uns doch nicht retten“ und blieben sitzen, der dritte aber, der lustige, machte sich auf und ging so weit in den Wald, bis er die Felsenhütte fand. In dem Häuschen aber saß eine steinalte Frau, die war des Teufels Großmutter und fragte ihn, woher er käme und was er hier wollte.

Er erzählte ihr alles, was geschehen war, und weil er ihr wohl gefiel, hatte sie Erbarmen und sagte, sie wolle ihm helfen. Sie hob einen großen Stein auf, der über einem Keller lag, und sagte: „Da verstecke dich, du kannst alles hören, was hier gesprochen wird, sitz nur still und rege dich nicht; wenn der Drache kommt, will ich ihn wegen der Rätsel befragen. Mir sagt er alles; und dann achte auf das, was er antwortet.“ Um zwölf Uhr nachts kam der Drache angeflogen und verlangte sein Essen. Die Großmutter deckte den Tisch und trug Trank und Speise auf, dass er vergnügt war, und sie aßen und tranken zusammen. Da fragte sie ihn im Gespräch, wie es den Tag ergangen sei und wie viele Seelen er gekriegt habe.

„Es wollte mir heute nicht recht glücken“, antwortete er, „aber ich habe drei Soldaten gepackt, die sind mir sicher.“ – „Ja“, drei Soldaten“, sagte sie, „die haben etwas an sich, die können dir noch entkommen.“ Sprach der Teufel höhnisch: „Die sind mein, denen gebe ich noch ein Rätsel auf, das sie nimmermehr raten können.“ – „Was ist das für ein Rätsel?“ fragte sie. „Das will ich dir sagen: In der großen Nordsee liegt eine tote Meerkatze, das soll ihr Braten sein; und von einem Walfisch die Rippe, das soll ihr silberner Löffel sein; und ein alter hohler Pferdefuß, das soll ihr Weinglas sein.“ Als der Teufel zu Bett gegangen war, hob die alte Großmutter den Stein auf und ließ den Soldaten heraus. „Hast du auch alles wohl in Acht genommen?“ – „Ja“, sprach er, „ich weiß genug und will mir schon helfen.“ Darauf musste er auf einem anderen Weg durchs Fenster heimlich und in aller Eile zu seinen Gesellen zurückgehen.

Er erzählte ihnen, wie der Teufel von der alten Großmutter überlistet worden sei und wie er die Auflösung des Rätsels von ihm vernommen habe. Da waren sie alle fröhlich und guter Dinge, nahmen die Peitsche und schlugen sich so viel Geld, dass es auf der Erde herum sprang. Als die sieben Jahre völlig herum waren, kam der Teufel mit dem Buche, zeigte die Unterschriften und sprach: „Ich will euch mit in die Hölle nehmen, da sollt ihr eine Mahlzeit haben. Könnt ihr mir aber raten, was ihr für einen Braten zu essen kriegen werdet, so sollt ihr frei und los sein und dürft auch das Peitschchen behalten.“ Da fing der erste Soldat an: „In der großen Nordsee liegt eine tote Meerkatze, das wird wohl der Braten sein.“

Der Teufel ärgerte sich, machte: „Hm! hm! hm!“ und fragte den zweiten: „Was soll aber euer Löffel sein?“ – „Von einem Walfisch die Rippe, das soll unser silberner Löffel sein.“ Der Teufel schnitt ein Gesicht, knurrte wieder dreimal: „Hm! hm! hm! und sprach zum dritten: „Wisst ihr auch, was euer Weinglas sein soll?“ – „Ein alter Pferdefuß, das soll unser Weinglas sein.“ Da flog der Teufel mit einem lauten Schrei fort und hatte keine Gewalt mehr über sie; aber die drei behielten das Peitschchen, schlugen Geld hervor, soviel sie wollten, und lebten vergnügt bis an ihr Ende.

➤ Kategorie: Grimms Märchen
➤ entnommen aus: Kinder und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm.Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache

Disclaimer

Liebe Leser*innen,

Grimms Märchen gehören zum kulturellen Erbe und deshalb möchten wir sie hier auch so stehen lassen, wie viele Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sie noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Dennoch: Für uns von familie.de gibt es nichts Wichtigeres, als eine vielfältige, offene und gleichberechtigte Gesellschaft. Was ihr hier in Grimms Märchen teilweise lest oder vorlest, passt mit unseren Wertvorstellungen oftmals nicht überein.

Die Märchen wurden im frühen 19. Jahrhundert zusammengetragen und waren auch damals nicht primär für Kinder gedacht. Sie sind voll von Brutalität und diskriminierenden Stereotypen. In den Geschichten finden wir nicht nur gruselige Märchengestalten wie Hexen oder Monster, sondern u.a. auch Gewalt an Kindern oder die Bevormundung von Frauen. Das ist nicht nur heute falsch, sondern war es auch damals schon. Zum Glück wachsen unsere Kinder in Zeiten auf, in denen ein Bewusstsein für diese Missstände herrscht.

Ihr kennt eure Kids am besten und daher ist es euch überlassen, ob ihr diese Erzählweise für euren Nachwuchs als angemessen anseht oder nicht; ob ihr Passagen auslasst oder abgeändert vorlest. In jedem Fall: Sprecht mit euren Kindern über das Gelesene und thematisiert das, was gegebenenfalls Angst macht oder Unrecht ist.