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Gute-Nacht-Geschichten

Warum schmeckt bei Schnupfen alles gleich? (ab 4 Jahre)

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Der kleine Vampir Jaron versteht die Welt nicht mehr. Als er heute Nacht aufgewacht ist, um zur Schule zu gehen, war nichts mehr wie sonst. Dabei hatte er doch alles richtig gemacht! Er war weder ohne Umhang draußen herumgeflogen, noch hatte er ohne Schuhe auf dem kalten Steinboden der Gruft gespielt. Er hatte beim Versteckenspielen auf dem Friedhof sogar einen Schal getragen! Eiszapfen hatte er auch nur ganz wenige gegessen und sich beim Schlafen gut in seine weiche Decke aus Spinnweben eingekuschelt. Was konnte nur schiefgelaufen sein? Der kleine Vampir war nämlich eindeutig erkältet. Sehr erkältet: Sein Kopf tat weh, seine Augen tränten, seine Nase lief, und sein Hals schmerzte. „Los, los, aufstehen!“, rief seine Mutter. „Es ist gleich Mitternacht, die Schule fängt bald an.“ Stöhnend erhob sich Jaron aus seiner Schlaftruhe und tappte in die Küche. „Mutti, ich bin total krank“, krächzte der kleine Vampir. „Ich kann heute unmöglich zur Schule fliegen.“ „Um Hölles willen!“ Seine Mutter fühlte besorgt die Stirn des kleinen Vampirs. Gleich darauf zog sie mit einem erschreckten Aufschrei ihre Hand zurück: „Eiskalt, du gefrierst ja beinahe“, rief sie besorgt. „Du musst schleunigst wieder ins Bett“, bestimmte sie und scheuchte Jaron zurück in sein Verlies. „Ich bringe dir eine Wärmflasche und heißen Tomatensaft. Außerdem machen wir warme Wadenwickel. Wir müssen deine Temperatur unbedingt erhöhen.“
Niedergeschlagen machte Jaron kehrt. Schade, verflixt schade, dass er ausgerechnet heute krank sein musste. In der ersten Stunde hatten sie Sport, und weil heute Vollmond war, wäre Schattenfangen dran gewesen. Und Schattenfangen machte dem kleinen Vampir fast noch mehr Spaß als Spinnenkunde. Matt legte Jaron seinen erkältungsschweren Kopf auf sein Kissen aus Moos und schlief sofort wieder ein. Er hatte schreckliche Albträume von bunten Blumen und niedlichen Kaninchen. Irgendwann wachte er auf und war so kalt, dass ihm der Schweiß wie Schnee von der Stirn rieselte. Mama gab dem kleinen Vampir Medizin, die scheußlich nach Schokolade schmeckte. Der kleine Vampir schüttelte sich.
Als er das nächste Mal wieder wach wurde, war eine neue Nacht angebrochen, und Jaron fühlte sich tipptopp gesund. Er gähnte, dass die spitzen Vampirzähne im Mondlicht funkelten, und stellte erleichtert fest, dass er Hunger hatte. Riesenhunger. Du kannst dir sicher vorstellen, wie froh seine Mutter darüber war. Sogleich stellte sie sich an den Herd und begann, eine köstliche Mahlzeit für den kleinen Vampir zuzubereiten. Es gab Blättersalat mit gerösteten Mistkäfern, Spaghetti mit Krötensoße und fein geriebenem Schimmel. Und als Nachspeise Johannisbeergrütze mit Schneckenschleim. Dazu so viel Blutorangensaft, wie der kleine Vampir trinken mochte. Insgesamt also ein erstklassiges Vampir-Verwöhn-Menü.„Lecker“, rief Jaron und zog die Nase hoch. Sein Eisfieber war zwar verschwunden, aber eine gehörige Schnoddernase hatte er immer noch. Zuerst pickte er die Mistkäfer aus dem Salat (Salat! Wie kam seine Mutter nur auf so eine Idee? Hatte der kleine Vampir jemals Salat gegessen?) und stürzte sich dann auf die Spaghetti. Der Schimmel war auf der heißen Krötensoße geschmolzen und sah köstlich aus. Jaron mampfte, was das Zeug hielt. Doch nach ein paar Bissen legte er das Besteck zur Seite und betrachtete misstrauisch den Teller.
„Ist was?“, fragte ihn seine Mutter. „Zum Höllenknoblauch aber auch“, fluchte der kleine Vampir. „Irgendwas stimmt nicht.“ Er tunkte den Löffel probeweise in den Johnannisbeergrützeschneckenschleim und leckte ihn ab. „Und?“, fragte seine Mutter wieder. Da brüllte der kleine Vampir so laut, dass Erde von der Höhlendecke rieselte: „Hiiilfe, meine Zunge ist kaputt gegangen! Ich kann gar nichts mehr schmecken!“
Schniefend wischte er sich die tropfende Nase an seinem Ärmel ab. „Entweder stimmt etwas mit meiner Zunge nicht, oder du hast falsch gekocht. Jedenfalls schmeckt alles total gleich“, rief der kleine Vampir und starrte auf seinen Teller. „Falsch gekocht“, murmelte seine Mutter, „na du bist mir einer.“ „Doch, zum goldigen Osterlämmchen! Ich kann gar keinen Unterschied zwischen dem Nachtisch und der Krötensoße schmecken. Außer, dass das eine kalt und das andere warm ist“, fuhr Jaron entsetzt fort. „Jaron, du sollst nicht immer so schreckliche Schimpfworte verwenden „mahnte seine Mutter streng. „Goldiges Osterlämmchen will ich in dieser Gruft nicht hören, alles klar?“
„Alles klar“, erwiderte Jaron und streckte seiner Mutter die Zunge raus. „Jaron“, schimpfte seine Mutter, „jetzt ist es aber genug!“ „Gu gollcht gir goch nur meime Hunge anhaun“, sagte der kleine Vampir und deutete auf seine Zunge. Die Mutter seufzte. „Unfug, mit der ist alles in Ordnung. Und gekocht habe ich auch richtig. Dass du nichts mehr schmecken kannst, hat etwas mit deiner Nase zu tun“, erklärte sie. „Aber ich schmecke doch nicht mit der Nase!“, empörte sich der kleine Vampir und tunkte zum Beweis seine Nase in den Nachtisch. Jarons Mutter schüttelte den Kopf. Wo sollte das nur hinführen? „Siehst du, Mutti“, meinte der kleine Vampir, „hat nicht funktioniert.“ Die Mutter reichte ihrem Sohn ein Taschentuch, nahm ein Stück Kohle aus dem Kamin und begann, etwas an die Gewölbewand zu zeichnen.„Sieh her“, sagte sie und zeichnete eine Nase, einen Mund und einen Rattenburger. „Hm, lecker, Rattenburger“, sagte Jaron. „Fehlt nur noch Ketchup.“ Lächelnd malte seine Mutter einen Klecks Ketchup dazu. „Geschmack entsteht nicht nur durch das, was die Zunge beim Essen schmeckt, sondern auch durch das, was die Nase dabei riecht. Nur wenn beide zusammenarbeiten „die Mutter deutete auf den Mund und die Nase, „kommt der Geschmack heraus, den du vom Rattenburger kennst.“ „Aber in der Schule haben wir gelernt, dass die Zunge fünf Geschmäcker von ganz alleine erkennt: süß, sauer, bitter, salzig und noch was …“, der kleine Vampir überlegte. „So ein seltsames Wort, irgendwas mit Mami oder Omi.“ „Umami“, sagte die Mutter. „Was so viel heißt wie herzhaft-würzigköstlich. Und manche Forscher glauben, dass es auch noch einen sechsten Geschmack gibt, nämlich fettig. Ganz früher dachte man, dass es auf der Zunge bestimmte Bereiche für jede Geschmacksrichtung gibt. Das stimmt aber nicht. Du kannst überall auf der Zunge jeden Geschmack feststellen. Es gibt nur eine Ausnahme: Bitter schmeckt man am ehesten ganz hinten auf der Zunge. Das hat die Natur als Schutz schlau eingerichtet: bevor man etwas Bitteres, also wahrscheinlich Giftiges oder Ungenießbares, runterschlucken kann, wird man noch ein allerletztes Mal gewarnt.“
„So wie gestern bei dem Fiebersaft. Bäh, eklig nach süßer Schokolade hat der geschmeckt. Ich hätte das fürchterliche Zeug auch beinahe wieder ausgespuckt. Aber ich musste es ja runterschlucken.“ „Brav gemacht“, lobte seine Mutter und klopfte dem kleinen Vampir anerkennend auf die Schulter. „Aber gegen die Zunge mit ihren mickrigen fünf Geschmacksrichtungen ist die Nase ein Meisterchampion! Sie kann Tausende von Gerüchen unterscheiden. Tau-sen-de! Das macht sie mit ihren Riechzellen. In der Nase gibt es Millionen davon! Wenn du also etwas kaust, löst sich daraus das Aroma und gelangt über den Rachen in die Nase. Dort wird es von den Riechzellen registriert, und die leiten das Ergebnis dann ans Gehirn weiter.“
„Leitet die Zunge ihre Ergebnisse auch ans Gehirn weiter?“, fragte Jaron. „Aber ja“, erwiderte die Mutter. „Und erst im Gehirn werden die Geruchswahrnehmung der Nase und die Geschmacksempfindungen der Zunge zu einem Gesamtergebnis zusammengemischt. Und das ist dann der Geschmack.“ „Und weil meine Nase vom Schnupfen verstopft ist, kann sie auch nichts riechen und nichts ans Gehirn melden.“ „Genau“, sagte Jarons Mutter. „Dazu gibt es sogar ein Experiment.“ „Ein Experiment?“, fragte der kleine Vampir. „Ja, denn um zu zeigen, wie sehr man die eigene Nase zum Schmecken braucht –“
„– muss man sich nur einen Schnupfen holen“, fiel Jaron seiner Mutter ins Wort. „Stimmt“, sagte sie lachend, „aber es geht auch viel einfacher. Man verbindet sich die Augen und hält sich die Nase zu. Dann lässt man sich verschiedene Sachen in den Mund stecken. Und du kannst mir glauben, es ist goldig schwierig, auf diese Weise den Unterschied zwischen einem Apfel und einer Gurke zu schmecken.“ „Jetzt hast du es selber gesagt“, rief Jaron triumphierend. „Was denn?“, wunderte sich die Mutter. „Goldig“, rief Jaron. „Hoppla“, sagte seine Mutter und hielt sich die Hand vor den Mund.
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text von Andrea Schütze/Illustrationen von Nina Hammerle aus dem Buch "Warum klappern wir mit den Zähnen. Vorlesegeschichten rund um unseren Körper", © ellermann im Dressler Verlag
➤ Hier können Sie die Geschichte kostenlos downloaden: Warum schmeckt bei Schnupfen alles gleich?