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Wie man Besuchskindern Grenzen setzen kann

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Wenn die Freunde der Kinder da sind, geht es bei ihnen drunter und drüber? So schaffen Sie es, dass auch Gastkinder die Hausregeln einhalten

Manche Nachmittage haben's wirklich in sich. Zum Beispiel die, an denen mein neunjähriger Neffe Fabian seine Freunde Lukas und Benny mitbringt. Die beiden sind nicht ohne. Früher, als sich das Jungs-Trio in der ersten Klasse zusammenfand, sei es noch schlimmer gewesen, erzählt meine Cousine Sarah. Immerhin würden die Jungs jetzt 'Bitte' und 'Danke' sagen und beim Aufräumen helfen. „Aber bis ich sie soweit hatte, musste ich schon ein paar Mal die Stimme erheben.“ Laut werden? Erziehen? Die Kinder anderer Leute? Ja, darf man das überhaupt? Die Online-Foren der Elternseiten und Mütter-Netzwerke sind voll von Anfragen, wie man am besten reagieren solle, wenn der Nachbarsjunge sich im Ton vergreift oder die Schulfreundin der Tochter Tischmanieren hat, mit denen Sie selbst in der Imbissbude auffiele. Dabei sind die Aussagen der Erziehungsexperten eindeutig: Man darf Nachbars Kind nicht nur in die Schranken weisen, wenn es sich danebenbenimmt, man muss es sogar! Schon allein, weil es die eigenen Kinder verwirren würde, wenn die sonst so streng eingeforderten Familien- und Hausregeln für ihre Gäste plötzlich nicht mehr gelten. „Bei aller Gastfreundlichkeit, man muss kein schlechtes Benehmen aushalten, ganz gleich, ob die Gäste 5 oder 15 sind“, sagt der Diplom-Pädagoge und Erziehungswissenschaftler Holger Wyrwar (Die Schlaraffenlandkinder, Ullstein 2004, 7,95 Euro).

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Durchgreifen auch wenn die Eltern der Gast-Kinder zu Besuch sind?

Durchgreifen auch wenn die Eltern der Gast-Kinder zu Besuch sind?

Am schwierigsten ist es, wenn Eltern und Kinder gleichzeitig zu Besuch sind. „Das ist kompliziert“, sagt Diplom-Psychologin Annette Kast-Zahn (Jedes Kind kann Regeln lernen, Gräfe&Unzer 2007, 17.90 Euro). „Da eigentlich sie für das Verhalten ihres Kindes zuständig sind, würde ich mich lange zurückhalten, ehe ich etwas sage.“ Vor allem, wenn man die Eltern nicht gut kennt. Einer guten Freundin könne man eher sagen, „Hallo, mach da mal langsam etwas“ als einer Mutter, die man nur vom Kinderladen kennt. Wenn allerdings das Kind dabei ist, sich oder andere zu verletzen oder Gegenstände zu zerstören, ohne dass die Eltern reagieren, sollte man ohne weitere Rücksicht auf die Eltern das Kind direkt ansprechen. Und zwar am besten ganz direkt, sagt Holger Wyrwar. „Ein leicht dahingesagtes 'Ach, es wäre schön wenn du das lassen würdest' bringt wenig Erfolg. Am besten funktioniere ein direkter Blick in Augenhöhe und die klare Ansage 'Lass das bitte'.“ Allerdings kann es auch passieren, dass die Eltern die Situation ganz anders einschätzen und ungehalten reagieren. Das muss man dann aushalten, sagt der Pädagoge. „Bei Grundschülern ist es dann ja weit seltener, dass die Eltern mitkommen“, sagt Kast-Zahn. Wichtig sei vor allen Dingen, selbst die Kontrolle zu behalten - was auch immer den Kindern für Streiche einfallen, wie auch immer sie reagieren. „Am besten hat man bei jeder Aufforderung schon im Hinterkopf, was man macht, wenn das Kind einfach 'Nö' sagt“, rät Annette Kast-Zahn. „Wenn die eventuelle Konsequenz schon vorher klar ist, fällt es wesentlich leichter, gelassen zu bleiben, ganz gleich, was passiert.“ Dass es, wenn Freunde zu Besuch sind, zumeist lauter und wilder zugeht als sonst, sei aber normal. Auf keinen Fall dürfe man erwarten, dass Kinder, die gerade ausgelassen mit ihren Freunden spielen, perfekt funktionieren. „Wenn die Kinder mitten im schönsten Herumblödeln stecken, kann es schon passieren, dass die ein oder andere Ansage vielleicht etwas lauter ausfallen muss“, sagt Annette Kast-Zahn. „Die einzige Alternative wäre, gar keinen Kinderbesuch zu erlauben und das kommt ja nun gar nicht in Frage.“

Tipps: Wenn die eigenen Kinder bei Fremden zu Gast sind

Tipps: Wenn die eigenen Kinder bei Fremden zu Gast sind

  • „Sei höflich, aber wenn dir etwas merkwürdig ist, musst du nicht mitmachen“ - mit diesem Leitsatz ist Ihr Kind eigentlich für alle Besuche gerüstet.
  • Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen: Die meisten Kinder benehmen sich als Gäste viel höflicher als zu Hause.
  • Ist Ihr Kind auf eine Party eingeladen, klären Sie, ob die Gastgeber-Eltern die ganze Zeit dabei sind und welcher Art die Party ist, ehe Sie ihrem Kind erlauben, dorthin zu gehen.
  • Fragen Sie beim Abholen ruhig im Beisein des Kindes, ob es sich gut benommen hat. So lernt es, dass es Ihnen wichtig ist, wie es sich bei anderen Leuten verhält.
  • Lassen Sie sich von Ihrem Kind erzählen, wie es bei seinem Freund war. Klar - das darf kein Verhör werden, damit Ihr Kind Ihnen freimütig erzählen kann, welche Gepflogenheiten der Gastgeberfamilie es vielleicht merkwürdig fand.
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  • Sind Sie mit der Art des Zeitvertreibs -brutale Videospiele oder Fernsehgucken - nicht einverstanden, erklären Sie Ihrem Kind warum und schlagen Sie ihm vor, beim nächsten Besuch lieber etwas anderes zu spielen.
  • Ist Ihr Kind jünger, ist es gut, die Gastgeber-Eltern darauf hinzuweisen, dass Ihr Kind z.B. nach zuviel TV schlecht schläft. Reagieren diese mit Unverständnis, können Sie die Besuche einschränken oder die Kinder bei Ihnen spielen lassen.
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Sie üben Kritik an einem fremden Kind- Was tun, wenn die Eltern aufgebracht sind?

Sie üben Kritik an einem fremden Kind- Was tun, wenn die Eltern aufgebracht sind?

Den meisten Eltern ist es peinlich, wenn sich ihr Kind daneben benimmt. Manche aber reagieren ungehalten auf Kritik an ihrem Kind. So nehmen Sie aufgebrachten Eltern den Wind aus den Segeln.

  • Denken Sie während des Gesprächs daran: Es ist nicht angenehm zu hören, wenn sich das eigene Kind daneben benommen hat.
  • Erzählen Sie ruhig, was vorgefallen ist, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben und warum der Vorfall gegen Ihre Familienregeln verstößt.
  • Erklären Sie, dass sich bei Ihnen zu Hause alle an die gleichen Regeln halten müssen, ganz gleich ob Gast oder Familienmitglied.
  • Wenn die Kinder Unsinn veranstaltet haben, verschweigen Sie nicht, welche Rolle Ihr eigenes Kind dabei gespielt hat.
  • Bleiben Sie sachlich und hüten Sie davor, die Erziehungsmethoden der Eltern zu bewerten.
  • Seien Sie versöhnlich. Wurde bei dem Vorfall nicht Leib oder Leben gefährdet, geben Sie dem kleinen Gast noch eine Chance und sagen ihm und seinen Eltern „Beim nächsten Mal klappt es bestimmt besser!“
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  • Versuchen Sie mit den anderen Eltern gemeinsam eine Lösung zu finden, ähnliche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.
  • Manchmal erzählen Kinder zu Hause eine ganz andere Version der Geschichte. Das zieht oft einen wütenden Anruf der Eltern nach sich. Bleiben Sie auch am Telefon ruhig und erzählen Sie Ihre Version.

Familienregeln gelten auch für Gast-Kinder

Familienregeln gelten auch für Gast-Kinder

Grundsätzlich sollten für die Gäste der Kinder die gleichen Regeln gelten wie für diese selbst, ganz gleich ob es sich um „Schuhe an der Haustür ausziehen“, „Kein Ballspielen in der Wohnung“ oder „Schimpfwörter, nein danke“ handelt. Aber natürlich kann man von den Gastkindern nicht erwarten, dass sie diese Regeln erahnen. Jede Familie setzt beim Zusammenleben ihre eigenen Prioritäten und die Grenzen im eigenen Elternhaus sind möglicherweise ganz anders gesteckt. „Da Kinder, die allein zu Besuch sind, oft erstmal vorsichtig das Terrain erkunden und daher viel braver sind als zu Hause, reicht es meist, sie freundlich auf die Regeln hinzuweisen“, sagt Wyrwar. Die meisten Kinder würden sich dann ohne weiteres an diese Regeln halten. „Wenn ein Kind an mir vorbei zur Tür hereinstürmt, halte ich es mit einem freundlichen 'Hey, sagst du mir 'Guten Tag?' auf“, erzählt meine Freundin Leah Samwer, die direkt neben der Grundschule ihrer drei Töchter wohnt und dementsprechend viel Kinderbesuch im Haus hat. „Die machen sofort kehrt und geben mir die Hand.“ Ein schlechtes Gewissen hat die 39-Jährige Erzieherin nicht, wenn sie ihre jungen Gäste auffordert, beim Husten die Hand vor den Mund zu halten oder beim Essen gerade zu sitzen, die Ellenbogen vom Tisch zu nehmen und nicht zu schlingen. „Gerade bei den Tischmanieren mache ich keine Abstriche“, sagt Leah. „Ich weiß, dass es vielen Eltern nicht mehr so wichtig ist, aber ich halte das Herumgelümmel am Tisch einfach nicht aus.“ Die Freunde ihrer Mädchen kämen damit gut klar, auch wenn manche zu Hause verwundert erzählen, dass man im Hause Samwer immer so ordentlich essen müsse wie im Restaurant. „Kinder müssen lernen, dass es unterschiedliche Regeln gibt, die sie zu respektieren haben. Das ist Teil des Sozialisationsprozesses“, sagt Leah. Natürlich überwacht Leah nicht jede Bewegung der Kinder, wenn sie bei ihr im Haus sind. „Kleinere Streitereien können die Mädchen meist gut unter sich klären“, sagt sie. „Ich greife nur ein, wenn es gefährlich wird und etwa Gegenstände durch die Luft fliegen oder sich eines wirklich unsozial verhält, zum Beispiel den ganzen Keksteller für sich haben möchte.“ Die Erzieherin nimmt sich dann das betreffende Kind zur Seite und versucht, ruhig mit ihm zu reden. „Das würde ich nur vor den anderen machen, wenn es nicht anders geht“, sagt sie. „Ich will unseren Gast nicht bloßstellen.“ Die Kindern untereinander zu vergleichen findet Leah ungeschickt. „Meine eigene Mutter hat mir immer meine brave Freundin in ihrem Beisein als leuchtendes Vorbild hingestellt“, erzählt sie. „Das fand ich schrecklich.“

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Manchmal muss man auch bei fremden Kindern durchgreifen

Manchmal muss man auch bei fremden Kindern durchgreifen

Meine Kusine Sarah kann ihr Jungstrio nicht so leicht aus den Augen lassen. „Wenn ich da nicht regelmäßig Stopp-Schilder hochhalte, überlebt unser Haus die drei nicht“, seufzt sie. Schlimmer findet sie jedoch, dass Fabian manchmal versucht, sie herumzukommandieren, wenn die anderen da sind. „So nach dem Motto 'Guckt mal, wie gut ich Mama im Griff habe'.Da reagiere ich zwar sehr ungehalten, aber er versucht es immer mal wieder.“ Und als Lukas vor zwei Jahren einen Tobsuchtsanfall bekam, weil er nachmittags den Fernseher nicht einschalten durfte, blieb Sarah nichts anderes übrig, als eine Zeitlang Besuchsverbot zu verhängen. „Das war furchtbar. Ich kannte seine Eltern noch nicht so gut und wusste nicht, wie die reagieren würden, als ich anrief und sie bat, ihren Sohn abzuholen. Zum Glück fanden die das völlig in Ordnung.“ Als Lukas nach einer Woche wiederkommen durfte, war er der bravste Junge überhaupt. „Naja, zumindest eine Zeit lang“, resümiert Sarah. „Dann fühlte er sich wieder wie zu Hause…“ Das ist ganz normal, sagt Pädagoge Wyrwar. „Der Fremdheitseffekt, der Kinder zunächst vorsichtig sein lässt, nutzt sich ab. Daher ist es wichtig, die Familienregeln von Anfang an durchzusetzen.“ Denn dann würden viele Gast-Kinder sie nicht in Frage stellen. „Da staunen Eltern manchmal, wie gut ihre Erziehung funktioniert wenn sie nicht dabei sind - aber Grenzen setzen ist bei den Kindern anderer auch viel leichter als bei den eigenen“, sagt Wyrwar. „Die Distanz ist einfach größer.“