Lachen, Niesen, Husten, Hüpfen - nach der Geburt wird das bei vielen Frauen zum Problem: Desöfteren geht dabei unfreiwillig Urin ab. Was Sie gegen die Blasenschwäche und für Ihren Beckenboden tun können, erfahren Sie in unserem Ratgeber rund ums Thema Inkontinenz nach der Geburt.
Was hilft bei Inkontinenz nach der Geburt
Viele Mütter kennen das Problem nur zu gut: Lachen, Niesen, Husten, Hüpfen – immer wieder hält die Blase nicht ganz dicht und ein paar Tröpfchen Urin landen im Slip. Die Statistik dazu besagt: Rund ein Drittel der Frauen leiden im ersten Jahr nach der Geburt unter einer schwachen Blase. Oft sind es nur kleine Mengen Urin, die unkontrolliert abgehen, teilweise aber auch größere. Wer betroffen ist, leidet. Meist still. Denn allermeist ist den jungen Mamas ihre Blasenschwäche unangenehm. Kate Winslet ist hier jüngst mit viel Offenheit mit gutem Beispiel vorausgegangen: In der Talkshow "The Graham Norton Show" hat die britische Schauspielerin verraten, dass ihre drei Schwangerschaften nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sind. "Ich kann nicht mehr auf Trampolins springen, ich bepinkele mich sonst". An dieser Stelle: Das war cool, Kate! Danke für so viel Offenheit!
Inkontinenz nach Schwangerschaft und Geburt
Der Grund für die Blasenschwäche heißt meistens „Belastungsinkontinenz“ oder auch „Stressinkontinenz“. Ihre Verursacher: Schwangerschaft, Geburt – dazu kommen eine gewisse Veranlagung und das Alter. Junge Frauen haben selten Probleme mit einer schwachen Blase, mit Eintritt der Menopause steigt der Anteil der Frauen, die unter Inkontinenz leiden.
Die Schwangerschaft und die Geburt sind eine enorme Belastung für den Beckenboden: Das Gewebe wird überdehnt und „leiert aus“. Auch die Schwangerschaftshormone sorgen dafür, dass Bänder und Sehnen weicher und nachgiebiger werden. Und bei der Geburt, wenn das Baby durch den engen Geburtskanal gepresst wird, werden die Muskeln nochmals extrem gedehnt. Die Folge: Die Stützfunktion des Bindegewebes lässt nach, der Verschlussmechanismus der Blase ist geschwächt – und das ein oder andere unfreiwillige Tröpfchen geht ab.
Aber was und wo ist der Beckenboden eigentlich?
Der Beckenboden ist ein Geflecht von Muskeln und Bindegewebe, er spannt sich in drei Schichten zwischen Scham- und Kreuzbein sowie den Hüftknochen. Von außen ist der Beckenboden nicht zu sehen. Seine Aufgabe ist es, die inneren Organe da zu halten, wo sie hingehören. Und: er unterstützt den Schließmechanismus von Blase und Harnröhre. Bei Belastung (beim Husten, Niesen, schwerem Heben etc.) spannt sich der Beckenboden reflexartig an, um zu verhindern, dass Blase oder Darm unkontrolliert Urin oder Stuhl verlieren. Das läuft normalerweise alles ganz automatisch ab, deshalb ist der Beckenboden auch für viele Frauen lange Jahre ein völlig Unbekannter. Erst bei der Rückbildungsgymnastik setzen sie sich das erste Mal mit diesem Körperteil auseinander. Kleiner Tipp, um den Beckenboden zu entdecken: Spannen Sie Ihre Muskeln so an, als würden Sie auf der Toilette den Urinstrahl abstoppen oder einen Pups zurückhalten.
Was hilft gegen Inkontinenz?
Wie so oft im Leben lautet auch hier die Regel: Ohne Fleiß kein Preis! Wer schon während der Schwangerschaft beginnt, seinen Beckenboden zu trainieren, hat danach weniger Probleme. Sollten Sie sechs Monate nach der Entbindung noch immer das Gefühl haben, dass Ihr Beckenboden nicht arbeitet wie er soll, scheuen Sie sich nicht, Ihren Gynäkologen anzusprechen.
Kann mit einem Kaiserschnitt die Blasenschwäche verhindert werden?
Zwar ist die Geburt selbst eine zusätzliche Belastung für den Beckenboden, aber die Hauptursache für die Inkontinenz ist die Hormonumstellung während der Schwangerschaft und das Gewicht des Babys, das im letzten Drittel stark nach unten drückt. Sich aus Angst vor einer eventuellen späteren Inkontinenz für einen Kaiserschnitt zu entscheiden, ist keine Lösung, da sind sich Mediziner einig. Zwar wird der Beckenboden bei einer Kaiserschnittgeburt ein kleines bisschen geschont, er bringt aber die üblichen Probleme und Risiken einer OP mit sich. Und die Vorteile einer natürlichen Geburt für Mutter und Kinder sind deutlich größer als ein leicht reduziertes Inkontinenz-Risiko!
Wie trainiert man die Beckenbodenmuskulatur?
Eines gleich vorneweg: Ja, Beckenbodentraining ist mühsam. Und macht oft keinen Spaß. Und in der Zeit mit Baby gibt’s bekanntlich auch noch ein paar andere wichtige Dinge, um die sich junge Mamas kümmern müssen... Aber – es gibt eine gute Nachricht:
Beckenboden-Training: Die gute Nachricht
Der Beckenboden ist ein Muskel. Und Muskeln lieben Training! Wenn Sie einige Woche nach der Geburt mit der Rückbildungsgymnastik anfangen und fleißig trainieren, bessert sich das Problem der schwachen Blase allermeist schnell wieder. Fleißig heißt in diesem Fall: Zwei Mal täglich üben – und das mindestens ein Vierteljahr. Die Beckenbodenübungen können Sie überall machen: Teilweise sogar in der U-Bahn, im Meeting oder abends im Bett. Voraussetzung ist aber, dass Sie Ihren Beckenboden spüren und gezielt aktivieren können.
Die schlechte Nachricht
Leider erholt sich der Beckenboden nicht bei allen Frauen vollständig. Zu der durch Schwangerschaft und Geburt gedehnten Muskulatur kommt in späteren Jahren das Problem dazu, dass im Lauf der Jahre das Gewebe grundsätzlich schwächer wird, Schwangerschaft hin oder her. Der Tipp von Experten lautet hier: Üben, üben und nochmals üben! Nicht nur drei Monate lang, sondern für immer. Das klingt hart – ist aber oft der einzige Weg, die Blasenschwäche selbst zu therapieren.
Viele Übungen funktionieren am allerbesten unter Anleitung. Deshalb machen Sie unbedingt einen Rückbildungskurs (die Kosten übernimmt die Krankenkasse). Aber auch für zu Hause oder wenn Sie sofort loslegen möchten, gibt es Übungen, die nicht kompliziert sind.
Die allereinfachste Übung ist äußerst effektiv:
Setzen Sie sich hin – und stellen Sie sich dann vor, Sie würden auf der Toilette sitzen und den Urinstrahl abstoppen. Halten Sie beim Ausatmen die Muskeln ein paar Sekunden angespannt, beim Einatmen lassen Sie langsam nach. Wichtig: Versuchen Sie dabei auch die Sitzbeinhöcker zueinander zu bewegen. Wenn Sie diese Übung zwei Mal am Tag jeweils zehn Mal durchführen, werden Sie bald merken, wie Sie die Muskeln immer länger anspannen können.
Glücklicherweise sind die Kursleiterinnen in Rückbildungskursen erfinderisch, um das lästige Üben etwas unterhaltsamer zu gestalten. Vielleicht kommen Sie mit diesen Tipps besser zurecht:
» „Stellt euch vor, ihr wollt einen Tampon ganz nach oben bewegen!“
» „Stellt euch vor, ihr würdet mit nacktem Po auf der Wiese sitzen und mit eurer Vagina Grashalme ausrupfen!“
» „Stellt euch vor, ihr würdet eine kleine Tomate in der Scheide rollen, schälen und zerquetschen!“
» „Sitzhöcher zusammen ziehen und mit dem Po blinzeln!“
Diese Übungen stärken den Beckenboden
Was, wenn Beckenboden-Gymnastik alleine nicht reicht?
Sollten Sie trotz regelmäßigen Übens auch einige Zeit nach der Geburt noch Probleme mit dem Zurückhalten haben, scheuen Sie sich nicht, einen Urologen aufzusuchen. Er hat bessere diagnostische Möglichkeiten als der Gynäkologe. Neben der Stress- oder Belastungsinkontinenz kann auch eine Drang-Inkontinenz vorliegen, eine Störung des Zusammenspiels von Blase und Gehirn. Diese Form lässt sich – im Unterschied zur Belastungsinkontinenz – meist gut mit Medikamenten behandeln.
Bei mittlerer bis starker Blasenschwäche kann der behandelnde Arzt eine Physiotherapie bei einer speziell ausgebildeten Therapeutin verschreiben. Einige Physio-Therapeuten bieten Elektrostimulation oder Bio-Feedback an.
➤ Beim Biofeedback-Training wird mit Hilfe eines kleinen Geräts trainiert, das anzeigt, ob der richtige Muskel stark genug angespannt wird.
➤ Bei der Elektrostimulation wird der Muskel durch elektrische Stromimpulse aktiviert. Sinnvoll ist diese Methode, wenn die Nervenbahnen geschädigt sind, was beispielsweise nach einer schwierigen Geburt der Fall sein kann.
Zu guter Letzt gibt es auch die Möglichkeit einer Operation. Bei der „TVT-Operation“ soll ein um die Harnröhre gelegtes Nylonband ein Absenken der Harnröhrung verhindern. Die Erfolge dieser neuen Operationsmethode sind erfolgsversprechend, nichtsdestotrotz empfiehlt sich diese Methode erst, wenn alle anderen Therapien nicht helfen und der Leidensdruck wirklich groß ist.
Buchtipps

Beckenboden-Training von Irene Lang-Reeves und Dr. med. Thomas Villinger (mit CD), GU-Verlag, Preis 17,99 Euro
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Beckenbodengymnastik – Das Übungsbuch von Heike Höfler, blv-Verlag, Preis: 14,95 Euro
Erstaunlich, wie viele Übungen es für den Beckenboden gibt. Und viele davon kennen Sie vielleicht sogar schon. Dieser Ratgeber sorgt für viele Variationsmöglichkeiten beim Beckenboden-Training und verhindert damit Langeweile und Frust. Verschiedene Schwierigkeitsgrade sorgen dafür, dass jeder die richtigen Übungen für sich findet. Und mit Ball, Band, Holzstab etc. wird das Training gleich noch ein bisschen abwechslungsreicher. Das Buch gibt's bei Amazon.de!

Tigerfeeling - Das perfekte Beckenboden-Training für Sie und Ihn von Benita Cantieni, erschienen bei Südwest, Preis: 19,99 Euro'
Schnelles Training, das Spaß macht und bald Wirkung zeigt. Im Mittelpukt steht die Visualisierung des Beckenbodens und die korrekte Anspannung der Muskeln. Wer sich die Übungen zu Herzen nimmt, kann nicht nur seine Blasenschwäche kurieren, sondern auch Rückenprobleme und Orgasmusschwierigkeiten bekämpfen. Da es viel zu lesen gibt, ist ein bisschen Zeit und Motivation allerdings unbedingt Voraussetzung. Das Buch gibt's bei Amazon.de!

Tiger Feeling - DVD von Benita Cantieni, erschienen im Hans-Nietsch-Verlag, Preis: 24,99 Euro
Passend zu dem Buch gibt es von Benita Cantieni auch eine DVD mit den von ihr entwickelten Übungen - so klappt das Üben gleich viel besser! Unser Urteil: Regelmäßiges Üben verbessert nicht nur Beckenbodenprobleme, sondern sorgt für eine bessere Haltung - und insgesamt ein besseres Körpergefühl. Aber: Auch hier sind Motivation und intensives Training Voraussetzung für ein Besserung der Beschwerden. Die DVD gibt's bei Amazon.de!