Kein Drama, keine Tränen, kein „Jetzt übst du aber BITTE echt noch 10 Minuten …“ – kleine Erfolgserlebnisse, Level für Level, die Lust machen auf mehr. Genau so können wir Kinder fürs Lesen begeistern: leicht anfangen, Mini-Schritte gehen, Fehler erlauben, Erfolgserlebnisse fördern, statt unsere Kids zu demotivieren. Denn intrinsisches Lernen entsteht nicht durch Druck, sondern durch Freude am Ausprobieren.
Hausaufgaben werden schneller zum Krisen-Thema – als Eltern bei der Einschulung so denken. Lern-Expertin Ina Lehr hat da einen spannenden Ansatz – und fragt: Wie ist es bei euch mit Videospielen? Denn: "Da gab es ziemlich sicher noch nie Tränen, und du musstest als Mama oder Papa bestimmt kein einziges Mal darauf bestehen, dass dein Kind wenigstens 10 Minuten pro Tag das Videospiel übt, damit es ins nächste Level kommt, richtig?" Ähmja. On point. Im Video-Interview verrät sie, was wir uns von Videogames übers Lesen – und Lernen – lernen, abschauen können.
"Zu Video-Games muss man kein Kind zwingen"
10 Minuten täglich Gamen am TV, der Switch oder einer sonstigen Konsole? Da wird bei den meisten Kids ganz bestimmt nicht runter-, sondern hoch verhandelt, wenn es um die von ihren Eltern zugestandene Übungszeit geht. Ihr lacht, weil ihr das nur zu gut kennt? Ging mir auch so.
Aber mal ehrlich: Warum ist diese Vorstellung bei Videospielen absurd, aber beim Lesenlernen für die meisten Familien ein 'Und täglich grüßt das Murmeltier"-Struggle? Lern-Expertin Ina Lehr sagt: "Es liegt daran, dass Videospiele mit Absicht so aufgebaut sind, dass unser Gehirn süchtig danach wird."
Der Grund? Es geht in Mini-Schritten voran. Aber das stört die Kids nicht. Im Gegenteil
Egal welches Spiel ihr betrachtet: Die ersten Level sind total einfach. "Genau dort bauen sich Erfolgserlebnisse auf", erklärt Ina Lehr. Mit jedem Erfolg steige dann auch die Motivation. Und es wird Level für Level immer nur ein ganz bisschen schwerer, so dass man das fast nicht merkt. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit zu scheitern und neue Wege auszuprobieren – ohne sich schlecht zu fühlen. Ist ein neues Level dann geschafft, kommen zu Erfolg und Motivation auch der Stolz.
Ina Lehr (Insta: @hallolernen) ist Lehrerin mit viel Erfahrung, hat fürs Bildungsministerium gearbeitet und selbst eine Lernmethode erarbeitet, die auf Geschichten, Bildern und Spielen basiert. Jetzt kam ihr Buch übers Lernen lernen raus. Es wurde direkt ein Bestseller und heißt: "Hallo Lernen! Den Schulstart kinderleicht meistern | Für motivierte, strahlende Kinder mit der Hallo-Lernen-Lernmethode!"
Übertragen wir das doch mal auf Lese-Hausaufgaben, sagt Ina Lehr
Starte leicht, erklärt die Lern-Expertin – und hat direkt ein typisches Beispiel für Schulanfänger*innen parat. Probiert doch mal das hier: Diese Silbe heißt „ma“. Wo findest du sie noch? Ihr Rat: "Gehe in Minischritten vor, steigere die Schwierigkeit unmerklich, aber kontinuierlich.
Zum Beispiel: 'Ich lese dir die erste Zeile vor, und du merkst dir eine oder zwei Silben und findest sie noch in einer anderen Zeile'.“ Gib deinem Kind die Möglichkeit zu scheitern und es nochmal zu probieren. Macht vorher aus, dass es dich so oft, wie es mag, fragen darf, wie eine Silbe heißt. Viele Kinder trauen sich das nicht, weil sie Angst haben, die Eltern wären dann enttäuscht.
Ina Lehr ist übrigens kein Fan davon, die Schule immer nur defizitär zu betrachten (auch wenn es um unser Bildungssystem nicht zu 100 Prozent gut bestellt ist, keine Frage). Aber hilft es Eltern und Kindern jetzt, wenn sie das Schulsystem in Deutschland total abschreiben? Eher nicht.
Vielen unsicheren Kindern hilft es übrigens auch, wenn Mama oder Papa von ihren eigenen Lese- bzw. Lern-Erfahrungen sprechen. Was jetzt beim Vorlesen so super klingt, mussten wir Erwachsenen ja schließlich auch erst mal lernen.

