Diese 5 von mir ausgewählten Romane sind die perfekte Herbstlektüre für Millennial-Frauen: Ihre weiblichen Hauptfiguren sind Mütter und sie haben Wut. Sie hadern mit ihrem Leben und ihren vielen Rollen als Frau, Mutter oder Geliebte und sie haben es satt, dass immer andere ihnen sagen wollen, was sie zu fühlen und wie sie zu sein haben. Wenn ihr euch gern auf bewegende Geschichten und vielschichtige Charaktere einlasst, könnten diese Bücher euch gefallen.
Patric Gagne: "Soziopathin"
Das Buch "Soziopathin" von Patric Gagne ist zwar kein Roman im eigentlichen Sinne, liest sich aber wie einer. Es erzählt die Kindheit und Jugend einer Frau, die sich selbst als Soziopathin erkannt hat, bevor eine Therapeutin die Diagnose bestätigte. Die promovierte Psychologin ermöglicht dabei einen tiefen Einblick in den Geist eines Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, für die es in ihrer Jugend keine geeignete Behandlung gab.
In ihrer Autobiografie beschreibt Patric Gagne eindrucksvoll ihre Kindheit und die frühe Erkenntnis, dass sie anders ist als andere. Während sie Gefühle wie Wut oder Freude kennt, bleiben ihr Emotionen wie Scham, Reue oder Mitgefühl fremd.
Schon als Kind zeigt sich ihr destruktiver Drang: Sie quält Mitschülerinnen, sperrt sie in Toiletten ein und verletzt ein Mädchen mit einem Bleistift – ohne auch nur den Hauch von Schuldgefühlen zu empfinden.
In ihrer Jugend nehmen ihre zerstörerischen Neigungen weiter zu: Sie bricht in fremde Häuser ein, stiehlt und überschreitet Grenzen, nur um ihren Impulsen nachzugeben. Bei ihrer Suche nach einer Erklärung stößt sie schließlich auf den Begriff „Soziopathin“.
Ihre Lebensgeschichte liest sich wie ein einziger Rausch – faszinierend und beunruhigend zugleich. Es bleibt erstaunlich, wie sie trotz allem Liebe und Freundschaften erlebt, ohne je wirklich für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Ein Leseerlebnis wie im Rausch
Ich habe lange keine so spannende Autobiografie mehr gelesen, die romanhafte Züge hat. Da man beim Lesen ja weiß, dass die Autorin selbst eine Persönlichkeitsstörung hat, aber auch als studierte Psychologin genau weiß, wie das ihre Denk- und Erzählweise prägt, fragt man sich ständig: Wo spricht hier die Psychologin? Wo spricht die Soziopathin?
Am beeindruckendsten ist ihr beruflicher Werdegang: Von verschiedenen Jobs in der Musikbranche führt ihr Weg schließlich zum Studium der klinischen Psychologie. Sie schreibt auch über die Liebe zu ihrem späteren Ehemann – eine Beziehung, die von Beginn an zum Scheitern verurteilt scheint. Dennoch lässt ihre Geschichte vermuten, dass selbst eine Soziopathin zu echter Nähe fähig sein kann.
Schließlich wird sie Mutter von zwei Kindern und engagiert sich für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen. Dieses Ende wirkt fast zu perfekt, beinahe wie ein Hollywood-Drehbuch – und lässt den Leser zwischen Staunen und Skepsis zurück.
Was mir tatsächlich fehlt: Sie beschreibt ihre Kindheit und Jugend bis zu ihrem Studium sehr intensiv und wir erhalten einen tiefen Einblick in ihre destruktive Seele und wirre Gedankenwelt. Doch wie sie Mutter geworden ist und wie sie sich als Schwangere gefühlt hat, erfahren wir leider nicht. Das lässt die Autorin (vielleicht aus gutem Grund ...) aus.
Dabei hätte gerade dieser Teil ihres Lebens mich extrem fasziniert, wie ein solcher Mensch mit all den Herausforderungen und Veränderungen der Mutterschaft umgeht. Das kann nicht spurlos an ihr vorübergegangen sein ... Doch sie erwähnt es erst ganz am Ende ihres Buches auf sehr wenigen Seiten.
Bev Thomas: "Mutterlüge"
Fans von Thrillern könnte dieser Roman gefallen. Er ist eine Mischung aus Thriller und Mutter-Sohn-Drama und Einblick in den Beruf und die Herausforderungen einer Psychotherapeutin. Man ahnt am Anfang, in welche Richtung es geht und ist von der Entwicklung der Geschichte dennoch überrascht: Im Mittelpunkt steht die Psychotherapeutin Ruth Hartland, die als Leiterin der Traumatherapie-Einrichtung mit den verschiedensten schweren Fällen zu tun hat. Als eines Tages ein neuer Patient in ihre Abteilung kommt, brechen alte Wunden auf: Er und seine Geschichte erinnern sie sehr stark an ihren Sohn.
Nach und nach kommen viele Details über ihr eigenes Privatleben und ihre zerrüttete Familien ans Tageslicht, die sie lieber verdrängt hätte. Immer mehr vermischen sich Berufliches und Privates, als ein weiterer Mensch in ihr Leben tritt, der mit ihrem Sohn zu tun hatte ...
Sensibles Mutter-Sohn-Drama
Wer Nervenkitzel und endlose Psychospielchen erwartet, wird hier enttäuscht werden. "Mutterlüge" ist eher ein sensibles Drama mit Psychothrillerelementen. Wir tauchen ein in den Beruf der Psychotherapeutin, die mit Menschen zu tun hat, die schwerste Traumata haben. Zunächst scheint Ruth Hartland professionell zu agieren und alles im Griff zu haben. Doch nach und nach fällt die Maske und der Mensch hinter der Psychotherapeutin mit allen persönlichen Komplexen und Fehlern wird sichtbar. Da ist die seltsame Beziehung zu ihrem eigenen Sohn, dessen Verschwinden, der Zwillingsschwester, die seltsam abwesend ist und ihre gescheiterte Ehe ...
Am Ende passieren einige spannende Wendungen und man hat fast Mitleid mit der Frau und Mutter, die zwar ihren Patienten gegenüber zeigen muss, dass sie alles im Griff hat. Doch in ihrem eigenen Leben und ihren Beziehungen fügt sich nichts zueinander. Dann scheint sie am Ende auch in ihrem Beruf zu versagen und man merkt – sie lügt sich die ganze Zeit etwas vor. Der Roman lässt einen am Ende etwas verwirrt zurück und man hat nicht das Gefühl, die Figur verstanden zu haben. Aber das muss man ja auch nicht immer.
Clare Leslie Hall: "Wie Risse in der Erde"
Dieser Roman berührt einen als Mutter zutiefst. Clare Leslie Hall hat mit "Wie Risse in der Erde" einen spannenden Liebesroman mit Krimielementen verfasst. Im Mittelpunkt steht die junge Beth, deren Leben auf einer britischen Farm durcheinander gerät, als sie den reichen Nachbarssohn trifft. Jahre später ist Beth eine junge Mutter, die den größten Verlust ihres Lebens ertragen muss, der ihre Ehe mit Frank auf die Probe setzt.
Es ist ein Unfall passiert und ein Mord, beides hängt miteinander zusammen. Der Roman betrachtet das Geschehen auf verschiedenen Zeitebenen und wie ein Puzzle fügt sich nach und nach jedes Teil zusammen. Er ist ein Liebesroman, Familiendrama und ein Krimi in einem. Gute Unterhaltung ist auf jeden Fall garantiert – und am Ende eine Überraschung.
Berührender Pageturner für Eltern und Eheleute
Die Dreiecksgeschichte wird alle faszinieren und berühren, die gern Liebesromane lesen. Als Leserin fühlt man mit der Mutter und fiebert bis zum Schluss mit ihr, wie der Mordfall ausgehen wird und was sich zugetragen hat.
Doch zum Pageturner wird das Buch eher durch die Verlust- und Schuldthematik. Viel spannender als die Liebesgeschichte, die man so in jedem Enemy-to-Lovers-Roman ähnlich lesen kann, fand ich jedoch den Umgang mit Verlust als Elternteil, die Thematisierung von persönlicher Schuld und welche Belastungen eine Ehe aushalten kann.
Viele Leser*innen, die selber Eltern sind und/oder eine längere Beziehung bzw. Ehe führen, können sich da teilweise wieder finden. Ich habe es einer Freundin geschenkt, die es in 2 Tagen verschlungen hat und sehr begeistert war.
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Mareike Fallwickl: "Die Wut, die bleibt"
"Die Wut, die bleibt" ist ein Buch, das Müttern aus der Seele spricht. Vor allem Müttern mit mehreren Kindern, an denen ein Großteil der Carearbeit hängt. Auf Empfehlung meiner lieben Kollegin Andrea Zschocher habe ich ihn im letzten Jahr gelesen und bin begeistert. Die Österreicherin und Mutter Mareike Fallwickl hat ein berührendes, kraftvolles Buch über eine Frau und Dreifach-Mutter geschrieben, die gleich zu Anfang mit einem Knall aus dem Leben geht.
Die eigentliche Hauptfigur des Buches ist jedoch gar nicht sie, sondern sind zwei andere nahestehende Menschen: ihre Tochter Lola und ihre beste Freundin Sarah. Aus deren Perspektive erfahren wir, wer die Hauptfigur war. Dabei geht es um Erschöpfung, um Überforderung mit den Ansprüchen an eine Mutter und Frau. Es geht aber auch um Freundschaft und um Frauwerden und Frausein. Und am Ende geht es um Wut über all das: Die Wut, die bleibt. Die Wut der Mutter, der Tochter und der besten Freundin.
Für Mütter, die wütend und erschöpft sind
"Mareike Fallwickl skizziert diesem feministischen Roman auf drastische Weise, was geschieht, wenn eine erschöpfte Mutter aufgibt, beschreibt die Lücken, die sie hinterlässt und die weibliche Wut, die bleibt. Sie seziert Tabuthemen, veraltete Rollenbilder und legt den Finger in die klaffenden Wunden unserer Gesellschaft." (aus dem Klappentext)
Als Leserin und vor allem als Mutter ist man von dieser Geschichte mehr als berührt. Man reflektiert dadurch die eigenen Rollen und Position. Selbst wer diese Wut nicht so eins zu eins nachempfinden kann, den rüttelt sie auf. Auch am Ende des Lesens bleibt sie: Eine Wut über eine Gesellschaft, in der Frauen noch immer in eine Versorgungsrolle gedrängt werden und oft keine andere Wahl haben. Daher ist es ein feministischer Roman, der aufzeigt, was passieren kann, wenn Frauen dieser Überforderung erlegen. Dies zeigt er mit einer Dramatik, die definitiv zu denken gibt. Unberührt wird diese Geschichte euch nicht zurücklassen.
Linn Strømsborg: "Verdammt wütend"
Den Roman "Verdammt wütend" habe ich selber (noch) nicht gelesen, er steht aber auf meiner Liste. Eine sehr gute Freundin hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Es geht hier ebenfalls um das Gefühl von Wut, die sich ihren Weg nach außen sucht. Die norwegische Schriftstellerin Linn Strømsborg hat ein Buch über eine Mutter Anfang 40 geschrieben, die mit den vielen Rollen als Frau und den Anforderungen an sie und ihr Leben nicht mehr klarkommt. Die dreiundvierzigjährige Britt gibt uns als Ich-Erzählerin einen Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Im Sommerurlaub mit ihrer Tochter, ihrem Mann und Freunden rastet sie urplötzlich aus und schreit alle an.
Sie spricht aus, was sich nicht wenige Mütter in diesem Alter und dieser Lebensphase fragen: Wer bin ich noch als Mensch, wenn ich nicht Ehefrau, Mutter, Freundin, Versogerin und Betreuerin bin? Sie merkt, wie alle ein Bild von ihr haben, dem sie entsprechen soll, nur nicht sie selbst. Sie packt ihre Sachen und fährt mit ihrem Bekannten eine Nacht an den Strand. Die Familie und Freunde bleiben zurück. Als die Nacht vorbei ist, bleibt die Frage, wie es jetzt weitergehen soll ...
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und Schmökern. Habt ihr weitere gute Buchtipps für mich in der obigen Richtung, die ich hier unbedingt vorstellen soll? Dann schreibt mir gern an katja@familie.de Und jetzt genießt eure Sommerferien!



