Vereinbarkeit ist kein Frauenthema – sie betrifft uns alle

Bob Blume ist Lehrer, Buchautor, Influencer – und setzt sich für zeitgemäße Bildung ein. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum Vereinbarkeit (k)ein Frauenthema ist, wie Bildungsungerechtigkeit schon bei den Hausaufgaben beginnt und warum Ermutigung langfristig mehr bringt als die perfekte Note.

Erfahre mehr zu unseren Affiliate-Links
Wenn du über diese Links einkaufst, erhalten wir eine Provision, die unsere redaktionelle Arbeit unterstützt. Der Preis für dich bleibt dabei unverändert. Diese Affiliate-Links sind durch ein Symbol gekennzeichnet.  Mehr erfahren.

Vereinbarkeit betrifft uns alle

Viele Eltern merken: Wie herausfordernd das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist, zeigt sich oft nochmal besonders intensiv, wenn die Kinder in die Grund- oder weiterführende Schule kommen.

Anzeige

Lieber Bob, du bist Teil der Vereinbarkeit.Jetzt-Jury und wirst bei der Verleihung des Vereinbarkeits-Awards am 14. November 2025 in Köln als Speaker auf der Bühne stehen. Warum liegt dir das Thema am Herzen?

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich das Thema noch gar nicht so lange auf dem Schirm. Ich glaube, Vereinbarkeit ist vor allem ein Thema für Frauen, weil sie als Erste merken, dass bestimmte Dinge nicht vereinbar sind. In einem traditionellen Familienbild muss sich der Mann über Vereinbarkeit oft gar keine Gedanken machen.“

Der erste Schritt, sagt Blume, sei deshalb, sich bewusst zu machen: Vereinbarkeit ist ein familiäres Thema, ein Thema am Arbeitsplatz und ein Thema von Mann und Frau. Aus Bob Blumes Sicht ist es eng mit Gleichberechtigung verbunden.

„Vereinbarkeit ist vor allem ein Thema für Frauen – weil Männer sich in traditionellen Familienbildern darüber oft gar keine Gedanken machen müssen."
Bob Blume

Im besten Fall sei Vereinbarkeit Teil einer modernen Gesellschaft, in der Familienleben nicht zwangsläufig nach traditionellen Mustern ablaufen muss: „Mich catcht das Thema persönlich, weil ich gesellschaftlich ein Idealist bin. Ich bin der Auffassung, dass wir es allen Menschen ermöglichen sollten, sich bestmöglich zu entfalten. Wenn wir eine Situation haben, in der das Ungleichgewicht der Geschlechter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht gewährleistet ist, dann funktioniert das nicht.“

Anzeige

Selbstorganisation lernen – aber nicht alleine

Vereinbarkeit zeigt sich im Alltag oft ganz konkret – etwa bei den Hausaufgaben. Wie viel Begleitung brauchen Kinder da wirklich, und was bedeutet das für berufstätige Eltern?

„Selbstorganisation ist ein Stichwort, das Schulen betrifft, aber eben auch Eltern – und damit die Frage der Vereinbarkeit. Schulen betrifft das deshalb, weil Selbstregulation, Selbstorganisation und Lernkompetenz zum Lernziel werden muss. Ich bin immer erstaunt, wenn Leute argumentieren, Hausaufgaben seien wichtig, weil sie Selbstorganisation fördern. Man fördert etwas nicht, indem man jemanden alleine lässt – man fördert, indem man jemanden begleitet.“

„Natürlich gibt es Strategien, wie Eltern ihre Kinder bei den Hausaufgaben begleiten können“, sagt Bob Blume. Grundsätzlich gelte aber das Motto: Hinführung zur Selbstständigkeit durch Begleitung. Das bedeutet auch, dem Kind zu ermöglichen, mal etwas nicht zu tun, zu scheitern oder Fehler zu machen – das ist als Elternteil manchmal schwierig zuzulassen.“

„Das ist leichter gesagt als getan, denn du möchtest als Elternteil natürlich alles geben, damit dein Kind eine gute Bildung bekommt. Und hier wird es ungerecht.“
Bob Blume

Bildungsungerechtigkeit beginnt bei den Hausaufgaben

Inwiefern wird es ungerecht?

„Das hängt stark an Vereinbarkeitskriterien. Ich kann als Elternteil wollen, mein Kind zu begleiten – aber wenn meine eigene Schulbildung nicht ausreicht, wird es schwierig. Und da spreche ich auch über mich selbst: Ich bin Gymnasiallehrer, aber mit Mathe wird es bei meiner Tochter, die jetzt in der vierten Klasse ist, in zwei, spätestens drei Jahren auch für mich schwer. Dann muss ich entweder schauen, was wir machen – oder man braucht genug Geld für Nachhilfe, die neueste Version von ChatGPT und so weiter.“

„Nicht alle Eltern können helfen, nicht alle haben Geld für Nachhilfe. Hier beginnt Bildungsungerechtigkeit.“
Bob Blume
Anzeige

Langfristig denken – und Fehler zulassen

Was können Eltern tun, wenn sie an ihre Grenzen stoßen?

„Wir alle machen oft den Fehler, zu sehr in die Kurzfristigkeit zu schauen und zu wenig in die Langfristigkeit. Aus meiner Sicht schlägt Haltung reine Fachlichkeit. Das heißt: Erstmal einen Schritt zurückgehen und sagen: Du hast in Mathe eine 3 – das bedeutet befriedigend. Damit kommst du auch weiter. Es muss nicht immer eine 1 oder 1 Minus sein. Das ist ein wichtiger Schritt.“

„Der zweite Schritt: Wir lernen immer. Lernen bedeutet nicht nur, sich hinzusetzen und zu wiederholen. Lernen kann auch sein: „Ich will gleich einkaufen gehen. Was brauchen wir für die Lasagne? Wo finden wir das, und was kostet das?" Ich weiß, dass das für alle Eltern schwer ist. Aber ich glaube, der langfristige Effekt – Ermutigung, nicht alles überprüfen, Fehler zulassen, sagen 'Es kommt nicht nur auf die Note an' – ist deutlich wichtiger als kurzfristige Kontrolle.“

Und wenn es wirklich gar nicht funktioniert? „Dann kann ich der Lehrkraft schreiben: 'Heute ging es nicht.' Das finde ich wirklich in Ordnung. Und ich finde, das darfst du dir als Elternteil erlauben. Irgendwann willst du ja auch Quality Time haben, wo du einfach zusammen mit deinem Kind etwas machst.“

Anzeige

Die Kunst des Loslassens

Was ist dein wichtigster Rat an Eltern?

„Ich glaube, es geht vor allem um die Kunst des Loslassens – und das hat mit Haltung zu tun. Haltung ist schnell verstanden, aber oft schwer umzusetzen. Das kenne ich von mir selbst: Es dauert oft Wochen, bis ich es schaffe, wirklich nach meinen Überzeugungen zu handeln. Aber genau das ist es, worauf es ankommt.“

Wie ist das bei euch? Wie klappt das mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Unterstützen und Loslassen, Schule und Freizeit? Schreibt mir gern an maike@familie.de. Auch, wenn ihr gute Ideen habt, wie es (noch) besser klappen kann.