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Teufelskreis

Trichotillomanie: Wenn Menschen sich zwanghaft die Haare ausreißen

Frau zieht an einer Haarsträhne Trichotillomanie
Trichotillomanie (© Getty Images/ coffeekai)

Manchmal sind es einzelne Haare, manchmal Strähnen. Und manchmal reißen sich Betroffene die Haare büschelweise aus. Ob Erwachsene oder Kinder: Wer an Trichotillomanie erkrankt ist, leidet oft sehr unter den Begleiterscheinungen.

Was ist Trichotillomanie eigentlich genau?

Der Begriff „Trichotillomanie" setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern für Haar (thrix), rupfen (tillein) und Trieb bzw. Sucht (mania). In der ICD-11, der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, wird Trichotillomanie unter den Zwangsstörungen, hier unter den „körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen", eingeordnet.

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Trichotillomanie ist durch wiederholtes Ziehen an den eigenen Haaren gekennzeichnet, was zu erheblichem Haarausfall führt, begleitet von erfolglosen Versuchen, das Verhalten zu verringern oder zu stoppen. (...)
Quelle: ICD-11

Welche Symptome weisen auf eine Trichotillomanie hin?

Wie ihr am Namen ablesen könnt, geht diese psychische Erkrankung mit Haarausfall einher, der selbst herbeigeführt wird. Dabei reißen sich Betroffene aber nicht nur zwanghaft ihr Kopfhaar aus, sondern zuweilen auch Wimpern, Augenbrauen, Bart- oder Schamhaare.

Zurück bleiben kahle, leicht stoppelige Stellen, die von Fachleuten eindeutig von den Überresten eines natürlichen Haarausfalls unterschieden werden können. Charakteristisch für das Haareausreißen ist auch, dass Betroffene oft versuchen, es optisch symmetrisch zu gestalten.

Für viele steht auch nicht nur das Reißen an sich im Fokus, sondern die Beschäftigung mit den ausgerissenen Haaren an sich. Sie werden zwischen den Fingern hin- und hergerollt oder wie Zahnseide durch die Zähne gezogen. Viele beißen auch in die Haare hinein oder verschlucken sie – was wiederum zu Komplikationen wie dem „Rapunzel-Syndrom" führen kann (die geschluckten Haare verknäulen im Magen oder Darm und müssen operativ entfernt werden).

Zur eindeutigen Bestimmung einer Trichotillomanie müssen unter anderem folgende Punkte zutreffen:

  • Wiederholtes, zwanghaftes Ziehen an den eigenen Haaren mit erheblichem Haarverlust.
  • Betroffenen gelingt es nicht, ihr Verhalten langfristig zu stoppen oder zu verändern.
  • Es wird kein Schmerz empfunden oder dieser wird ignoriert oder sogar als angenehm empfunden.
  • Haare werden in kurzen „Attacken" über den Tag verteilt ausgerissen oder in langen, mehrere Stunden andauernden Episoden.
  • Dem Ausreißen geht eine innere Anspannung voraus, die sich mit dem Ausreißen entlädt und bessert. Die Scham über das Ausreißen lässt die Anspannung wieder ansteigen, wodurch sich Betroffene in einem Teufelskreis befinden.
  • Betroffene leiden unter ihrer Störung und versuchen, sie vor anderen zu verbergen.
  • Betroffene isolieren sich sozial, weil sie sich für ihr Verhalten und die Konsequenzen dessen schämen. Oft leiden sie zudem an Depressionen.

Was sind die Ursachen einer Trichotillomanie?

Wie bei sehr vielen (psychischen) Erkrankungen sind auch die Ursachen einer Trichotillomanie multifaktoriell. Das bedeutet, es muss nicht unbedingt einen bestimmten Auslöser geben, sondern es kann auch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren sein. 

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Bis heute ist noch nicht eindeutig geklärt, was genau alles Ursache einer Trichotillomanie sein kann. Es gibt jedoch bereits einige Erkenntnisse:

Mögliche Auslöser einer Trichotillomanie

  • Erbliche Disposition (genetische Vorbelastung)
  • Traumatische Ereignisse (wie z.B. Missbrauch, Tod, Trennung, Unfälle)
  • Extreme Belastung (z. B. durch Stress, Unfall, eine traumatische Geburt)
  • Belastende Ereignisse aus der Kindheit, die zu einem geringen Selbstwertgefühl geführt haben (Missbrauch, (psychische) Gewalt, Mobbing, aber auch ein Schulwechsel z. B.)

Oft berichten Betroffene von einer sehr hohen inneren Anspannung und dem Unvermögen, diese anders zu entladen als durch das Ausreißen der Haare. Wenn Stressbewältigungs-Mechanismen fehlen oder nicht angewendet werden können, versucht das Gehirn grob gesagt, den Stress anders zu bewältigen – eine Möglichkeit ist das krankhafte Haareausreißen, das als eine kurzfristige Verbesserung und Entlastung empfunden wird. In der Psychologie nennt man das Coping-Strategie.

Betrifft Trichotillomanie auch Kinder?

Auch Kinder können von Trichotillomanie betroffen sein. Während unter den Erwachsenen mehr Frauen als Männer daran erkranken, sind es bei Kindern ungefähr gleichviele Mädchen und Jungen. Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem neunten und 15. Lebensjahr. 

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Ihr möchtet beim Thema Kinder und Krankheiten immer genau Bescheid wissen? In unserem Video verraten wir euch mehr über sieben Kinderkrankheiten, deren Symptome ihr kennen solltet:

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Ist Trichotillomanie heilbar? Hier gibt es Hilfe

Im Rahmen einer Verhaltenstherapie ist Trichotillomanie sehr gut behandelbar und auch heilbar. Wenn ihr den Verdacht habt, dass ihr oder auch euer Kind unter Trichotillomanie leiden könnte, wendet euch an euren Haus-/ Kinderarzt oder eure Haus-/ Kinderärztin. Diese können euch dann zu einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie überweisen.

Schnell Hilfe und kompetente Informationen findet ihr außerdem bei der „Infostelle Trichotillomanie" unter der Nummer 040-2006139 (Mo & Di 10-12 Uhr, Mo 19-22 Uhr). Das Angebot ist kostenlos. Neben einer Beratung werden euch hier auch geeignete Therapeuten, Kliniken und Selbsthilfegruppen vermittelt.

Quellen: Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V., Trich & Ich, onmeda.de, DocCheck.com

Bin ich eigentlich eine gute Mama?

Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärzt*innen, Hebammen oder Apotheker*innen, damit sie euch individuell weiterhelfen können.

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