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Warum Selbstfürsorge so wichtig ist und uns trotzdem so schwerfällt

Selbstfürsorge: So kann es klappen

Selbstfürsorge, Mental Health, Authentizität, Achtsamkeit – das sind die Buzzwörter unserer Zeit. Wir alle sehnen uns nach Ruhe, nach positiven Gedanken und Innehalten. Aber am Umsetzen von all den klugen Anstößen scheitert es doch ziemlich oft. Damit es bei euch mit der Selbstfürsorge ab sofort besser klappt, haben wir alles Wissenswerte zusammengefasst.

Selbstfürsorge: Was ist das?

Unter Selbstfürsorge verstehen wir das Achten und Wahrnehmen von eigenen Bedürfnissen und Gefühlen. Denn daran hapert es bei den meisten von uns. Untersuchungen zeigen, dass wir alle viel freundlicher und nachsichtiger mit Freund*innen oder Familienmitgliedern umgehen als mit uns selbst. Es klingt nach einem Kalenderspruch, aber tatsächlich ist es wahr: Wir selbst sollten unsere beste Freundin, unser bester Freund sein.

Ebenen der Selbstfürsorge

Anna Maas, Journalistin und Autorin des Buches "Die Happiness-Lüge" sagt: "Selbstfürsorge ist sehr, sehr wichtig! Ich würde zwei Arten der Selbstfürsorge unterscheiden: Einmal die pure Entspannung, das Auftanken, Loslassen, Glücksgefühle triggern. Für jede*n von uns kann das etwas anderes sein, zum Beispiel laute Musik aufdrehen, tanzen, Sport treiben, einen Roman lesen, einen guten Film gucken, Sex haben, einfach mal alles vergessen und eine gute Zeit haben. Solche Dinge brauchen wir, um Kraft zu tanken."

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Diese Art der Selbstfürsorge kriegen wir alle in den guten Momenten noch hin. Weil wir wissen, wie gut diese freie Zeit uns tut und weil wir immer wieder hören, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen, um Zeit zu haben. Aber das ist nur eine Ebene der Selbstfürsorge. Die andere, die geht viel tiefer, weil wir uns mit ihr selbst viel näherkommen und uns und unsere Gefühle und Emotionen bewusst wahrnehmen. Und, fast noch wichtiger, uns so annehmen, wie wir eben wirklich sind. Dieser Teil der Selbstfürsorge bedeutet auch Arbeit an und mit sich selbst, weil ihr lernen müsst, mehr auf euch selbst zu hören. Anna Maas nennt das psychiologische Selbstfürsorge.

Fragen, die bei der Selbstfürsorge helfen

Um gut für euch zu sorgen und euer eigenes Seelenerleben besser zu erkunden, hat Anna Maas ein paar Fragen gesammelt, die ihr euch stellen könnt. Sie helfen zum einen dabei, zur Ruhe zu kommen, aber auch nachzuspüren, wie es euch gerade wirklich geht.

  • Wie geht es mir eigentlich wirklich?
  • Wieso werde ich in letzter Zeit beispielsweise so schnell wütend?
  • Welche Bedürfnisse habe ich und inwiefern werden diese gerade befriedigt?
  • Was kann ich tun, um mir selbst wieder mehr gerecht zu werden?

Um eure Gedanken zu sortieren, könnt ihr Tagebuch schreiben, mit Freund*innen sprechen, Spaziergänge unternehmen oder was immer euch guttut. Wichtig ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, denn niemand sonst kann diese Fragen für euch beantworten. Und zwischen Tür und Angel wird es auch keine Antwort geben. In sich Hineinhören braucht (etwas) Muße.

Apropos Kalenderspruch, natürlich meint Selbstfürsorge nicht, dass wir alle die ganze Zeit glücklich sind und innerlich strahlen. So glattgebügelt, wie das Instaleben vieler Influencer*innen ist, ist es nirgendwo. Und auch klar ist, auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner. (Noch mehr Kalendersprüche, Entschuldigung!) Um auch mal über die Schattenseiten von Selbstfürsorge nachzudenken, hat Anna Maas das Buch "Toxic Positivity" geschrieben.

Toxic Positivity - Was ist das?

Zunächst vielleicht eine Begriffserklärung. Anna Maas erklärt: „` Toxic Positivity` (oder `toxische Positivität`) basiert auf der Annahme, dass ein Leben nur dann gelungen ist, wenn es durch und durch aus positiven Gefühlen besteht. Positives Denken ist an sich ja ein toller Ansatz – doch wenn gar kein Raum mehr für unangenehme Gefühle und belastende Situationen bleibt und wenn dieses positive Denken dazu führt, dass wir Gefühle bei uns selbst und bei anderen klein reden und nicht ernst nehmen, dann kann das sehr belastend sein und schlimmstenfalls unserer psychischen Gesundheit schaden.“

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Das Gegenteil von Selbstfürsorge

Was Toxic Positivity auch eher zum Gegenteil von Selbstfürsorge macht, ist, dass die Verantwortung auf jede*n einzelne*n von uns abgeschoben wird. Die Journalistin Maas erläutert: „`Du bist deines Glückes Schmied!` bedeutet eben auch: `Wenn du nicht glücklich bist, wenn du genervt bist, wenn du dich ungerecht behandelt fühlst, dann bist du selbst schuld. Arbeite doch einfach an deinem Mindset!` Dieses Denken blendet strukturelle Probleme und äußere Umstände komplett aus."

Ihr braucht Beispiele, weil ihr euch nicht genau vorstellen könnt, wie toxische Positivität im Alltag aussehen kann? "Hauptsache dem Baby gehts gut" wird vielen Frauen immer noch gesagt, insbesondere nach für sie traumatischen Geburten. Euer Baby ist ein Schreibaby? "Aber andere können gar keine Kinder bekommen!" Diese Antworten sind nicht unterstützend, denn sie machen eure Emotionen klein.

Es wäre viel wichtiger, anzuerkennen, dass es diesen Frauen gerade nicht gut geht, ihnen Beistand zu leisten, Hilfe anzubieten, oder ihnen einfach mal die Möglichkeit zu geben, sich den Frust von der Seele zu reden. Stattdessen werden ihnen ihre Gefühle abgesprochen und ihnen wird zusätzlich noch ein schlechtes Gewissen eingeredet, weil sie gerade nicht total happy sind. Ich habe das nach einer sehr heftigen ersten Geburt selbst erlebt, darüber habe ich im Buch auch ganz offen geschrieben. Das war keine schöne Zeit – und diese Aussagen machen es tatsächlich noch viel schwerer, weil man sich sehr allein und sehr „falsch“ fühlt.
Anna Maas

Die Top 7 toxischen Sprüche von Anna Maas

  • Good Vibes Only!
  • Sei nicht so schlecht drauf, anderen geht es viel schlechter! (Hier zeigt sich die Absurdität dieser Aussage übrigens vor allem, wenn man das mal umkehrt: „Sei nicht so gut drauf, anderen geht es viel besser!“ – sagt doch auch keiner...)
  • Sei dankbar für jede Krise!
  • Mach das Beste draus!
  • Just smile!
  • Jede Krise ist eine Chance!
  • Du kannst alles schaffen, wenn du nur daran glaubst!
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Ich glaube, dass diese Sprüche in guten Phasen des Lebens durchaus motivierend sein können – man muss sich nicht über den Regen ärgern, sondern kann ein Pfützen-Spring-Wettbewerb machen. Und vor Herausforderungen darf man sich natürlich Mut zureden, um nicht zu nervös zu sein. Mach ich ja auch alles, ich denk mir auch oft „Komm, wir machen jetzt das Beste draus.“ So im Kleinen funktioniert das ja durchaus. Aber wenn man gerade in einer heftigen Situation ist, wirken diese Sprüche schnell banal und man hat das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Und abseits des eigenen Mindsets gibt es eben auch noch andere Umstände, die das Leben mitbestimmen, das sollten wir nie vergessen. ​
Anna Maas
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Selbstfürsorge: Was tun?

Wenn ihr aber nun wirklich etwas für euch tun möchtet, dann kann ein Weg sein, einfach mit gutem Beispiel voranzugehen. Also anderen ganz offen erzählen, wie es euch geht, sie an Sorgen, Nöten und Glücksgefühlen teilhaben zu lassen. Denn auf die Weise ruft ihr euch auch selbst die guten Empfindungen in Erinnerung und könnt den Druck rausnehmen, wo es euch nicht gut geht. Drüber reden ist oft schon ein erster Schritt hin zur Besserung.

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Schreibt ein Tagebuch, um euren Emotionen überhaupt erstmal auf die Spur zu kommen. Es gibt Schreibratgeber, die dabei helfen können, weil sie verschiedene Themen vorgeben. Aber genauso gut könnt ihr auch erstmal drauf los schreiben, meistens eröffnet sich dann das gerade dringende Thema von selbst.

Wie geht Selbstfürsorge – 5 Tipps?

  1. Wenn ihr merkt, was ihr braucht, was euch wirklich gut tut, dann besorgt euch das. Das muss ja nicht immer etwas Materielles sein, es kann auch bedeuten, um Hilfe zu bitten bei verschiedenen Dingen. Wenn wir wirklich in uns reinhören (und dann auch auf uns selbst hören), dann offenbaren sich in aller Regel Unstimmigkeiten.
  2. Aber, auch das gehört zur Wahrheit dazu, sich wirklich mit der eigenen Selbstfürsorge zu beschäftigen, erfordert auch ein bisschen Mut und Kraft. Viel einfacher ist selbstverständlich ein Kinoabend organisiert oder ein Treffen mit der Freundin. Auch das ist wichtig. Aber es ist eben nicht alles.
  3. Alle Gefühle sind wichtig. Und ihr dürft alles fühlen. Unseren Kindern vermitteln wir das oft, bei uns selbst vergessen wir es. Zeit, uns wieder daran zu erinnern!
  4. Wenn ihr merkt, dass euch bestimmte Social Media Kanäle oder Influencer*innen nicht gut tun, dann, so rät Anna Maas (und irgendwie auch der gesunde Menschenverstand), dürft ihr die stummschalten oder ihnen entfolgen. Wir alle würden uns im offline-Leben ja auch nicht dauerhaft mit Menschen umgeben, die uns runterziehen oder unserer Selbstfürsorge im Weg stehen.
  5. Achtet auf psychische und physische Gesundheit. Denn es ist wichtig, dass es euch rundum gut geht.
Alle Gefühle sind legitim und beinhalten Hinweise darauf, dass gewisse Bedürfnisse gerade erfüllt werden – oder eben nicht. Das ist doch richtig spannend!
Anna Maas

Selbstfürsorge kann auch Empowerment bedeuten. Im Video erfährst du mehr zum Thema:

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Andrea Zschocher

Mein Fazit

Viel mehr lassen als machen. Das ist der Rat, den ich aus dem Gespräch mit Anna und meiner Recherche zum Thema Selbstfürsorge mitnehme. Ich habe angefangen, regelmäßig zu schauen, wem ich in den Sozialen Medien folge. Ich versuche auf mich zu hören und nicht immer alles möglich zu machen. Denn das ist für mich ein großer Stressfaktor, der Selbstfürsorge bei mir ganz oft verhindert hat.

Als Mutter von drei Kindern sind regelmäßige Yogaeinheiten eher illusorisch. Aber ich meditiere manchmal mit den Kindern (ja das geht) oder vereinbare Sportzeiten. Oft kommt mir das wie ein Tropfen auf den heißen Stein vor, aber wenn ich tief in mich hineinhöre, dann merke ich, dass das immerhin besser als gar nichts ist. Und viel wichtiger ist für mich inzwischen auch geworden, mental mehr auf mich zu achten. Diese Form der Selbstfürsorge habe ich während der kräftezehrenden Corona-Monate definitiv schleifen lassen.

Andrea Zschocher
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Bildquelle: getty images / E+ / kohei_hara
Foto Anna Maas: Michael Jacobus Maas