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Grundschulempfehlung: Kinder unter Leistungsdruck

4. Klassen: Schüler unter Leistungsdruck

Viele Schüler spüren in der vierten Klasse erstmals echten Leistungsdruck, da die Grundschulempfehlung ansteht. So gehen Kind und Eltern gelassen damit um.

Die vierte Klasse stellt für die meisten Kinder in Deutschland eine besondere Anforderung dar – ist sie doch in der Mehrzahl der Bundesländer der Abschluss der Grundschulzeit. Jetzt werden die Weichen für eine weiterführende Schule gestellt. Hauptschule, Realschule oder Gymnasium – wohin soll ich mein Kind schicken?, lautet die Frage, vor der nun alle Eltern stehen. Auch ein Wechsel an eine private Schule, wie etwa eine Waldorfschule, kommt für manche in Betracht. Und selbst die Eltern sicherer Anwärter aufs Gymnasium stehen oft vor einer weiteren Entscheidung: Ist die achtjährige oder die neunjährige Variante besser für ihr Kind?
Auch die Schüler spüren, dass sich mit der Auflösung des Klassenverbands einiges ändern wird: Sie schreiben in der vierten Klasse vermehrt Diktate und Klassenarbeiten, sollen Referate vortragen. Und natürlich wird der bevorstehende Schulwechsel auch untereinander besprochen. „Den Kindern geht es dabei genauso wie uns Erwachsenen, wenn etwas Neues bevorsteht, von dem man noch nicht weiß, wie es genau sein wird“, sagt der Hamburger Schulpsychologe Ingo Würtl.
Dazu passen die Ergebnisse, die die „Kinderweltenstudie 2008“ im Auftrag von Super RTL hervorgebracht hat. Dabei wurde bei 800 Schülern verglichen, wie sich ihre Befindlichkeit in der vierten Klasse gegenüber den ersten drei Schuljahren verändert hat. Ergebnis: Gesundheitliche Beschwerden nehmen zu. So klagen 20 Prozent der Kinder in der vierten Klasse über häufige Bauchschmerzen. In den Klassen davor waren es nur neun Prozent; bei Kopfschmerzen sieht es ähnlich aus.

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Kinder in der vierten Klasse fördern – aber nicht überfordern

Der Schulpsychologe Ingo Würtl hält diese Entwicklung zwar für bedenklich – aber auch für sehr verständlich: „Die Verunsicherung über das, was kommt, kann manchmal mit Bauch- und Kopfschmerzen einhergehen.“ Eltern rät er, vor allem keinen zusätzlichen Druck auf die Viertklässler auszuüben. Fördern, aber nicht überfordern, sollte das Motto sein. Entscheidend sei, den Kindern in der vierten Klasse zu vermitteln, dass schulische Leistungen und Noten zwar wichtig, aber nicht das Wichtigste im Leben sind. „Der Wechsel in die fünfte Klasse ist nicht, wie so oft angenommen, eine Grundsatzentscheidung für das ganze Leben“, betont der Schulpsychologe.

Und in der Tat bietet das deutsche Schulsystem ja nicht nur viele Durchlässigkeiten zwischen den Schularten, sondern auch den zweiten Bildungsweg: Aus jedem Hauptschulabschluss kann noch eine Mittlere Reife oder das Abitur werden.
Wer kennt nicht selbst Freunde oder Familienangehörige, die einst mittelmäßige Noten hatten, später auf der Abendschule nachlegten und heute einen interessanten Beruf ausüben? Dies mag gestressten Kindern in der vierten Klasse als Beruhigung dienen – den Anforderungen, die jetzt auf sie warten, können sie sich dadurch nicht entziehen.
Denn es steht viel Neues im Lehrplan; etwa die Fahrradprüfung, die ihnen helfen soll, sich selbstständig und sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Diszipliniertes und selbstorganisiertes Arbeiten erhält einen größeren Stellenwert, sowohl im Unterricht als auch bei den Hausaufgaben. Gerade in Realschulen und Gymnasien wird diese Fähigkeit oft bereits erwartet. Und: Häufiger als sonst finden die Kinder in der vierten Klasse sich in einer Situation wieder, in der ihr Verhalten vom Lehrer aufmerksam registriert und benotet wird. „Mit dem Beginn des vierten Schuljahres wird sehr auf die Noten geachtet“, bestätigt der Freiburger Grundschullehrer Simon Manzak. Die Anzahl der maximal zulässigen Klassenarbeiten werde voll ausgeschöpft, um sich ein zuverlässiges Bild vom Leistungsstand eines Kindes machen zu können. „Das ist wichtig für die Grundschulempfehlung“, sagt der Lehrer – je mehr Noten, desto genauer die Einschätzung, ist die Annahme.

Grundschulempfehlungen oft falsch

Ob Ihr Kind für das Gymnasium geeignet ist, entscheiden in einigen Bundesländern immer noch ausschließlich die Lehrer. Das kritisieren Bildungsexperten vehement: eine Schulnote können nie völlig objektiv zustande kommen. Außerdem erweisen sich viele Grundschulempfehlungen später als falsch.

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Das mit den Noten ist aber so eine Sache: Seit es sie gibt, sind sie unter Pädagogen umstritten. Zum einen motivieren sie Schüler zwar zu großen Anstrengungen – gleichzeitig entmutigen sie Kinder, deren Noten vergleichsweise schlecht ausfallen.
Außerdem kann eine Note niemals völlig objektiv zustande kommen, weswegen Bildungsforscher kritisieren, dass sich Grundschulempfehlungen später häufig als falsch erweisen. „Die Übergangsempfehlung soll die Bildungsfähigkeit eines Kindes vorhersagen. Aber weder Lehrer noch Wissenschaftler sind Hellseher“, sagt Rainer Block von der Universität Mainz. Lehrer könnten – im Gegensatz zu den Eltern – nur ausgesuchte Leistungen der Schüler sehen und beurteilen. Er rät daher zu gemeinsamen Gesprächen, um das gesamte Leistungsspektrum eines Kindes besser einschätzen zu können.
Die Kinder geben sich in der vierten Klasse jedenfalls redlich Mühe: Stimmten in den ersten drei Grundschuljahren noch 46 Prozent der Kinder der Aussage zu, dass sie sich anstrengen müssten, um gute Leistungen zu erzielen, sind es in der vierten Klasse bereits 62 Prozent, so die Kinderweltenstudie.
Um den Kindern in dieser Umbruchphase Sicherheit zu geben, ist es hilfreich, mit ihnen die Informationstage der weiterführenden Schule zu besuchen. So können sie sich ein Bild vom Schulhof, den Klassenzimmern und den Angeboten machen. Das weckt Vorfreude auf die neue Schule, eventuelle Ängste werden abgebaut. Eltern sollten ihrem Sprössling auch versichern, dass die alten Grundschulfreundschaften auf jeden Fall weitergepflegt werden können – etwa durch Verabredungen am Nachmittag oder am Wochenende.