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Freilerner

Homeschooling: Alternative zum gängigen Schulsystem?

Seit hundert Jahren gibt es in Deutschland die allgemeine Schulpflicht. Gegner möchten sie abschaffen und so Homeschooling und Freilernen eine Chance geben.

Einige Eltern möchten, dass die Schulpflicht geändert wird und sie ihre Kinder daheim unterrichten können.

In der Weimarer Verfassung wurde 1919 die allgemeine Schulpflicht für Deutschland eingeführt und sie gilt nach wie vor. Auch wenn mittlerweile Schulangelegenheiten von den einzelnen Bundesländern verantwortet werden, hält man an dieser Gesetzesvorlage fest. Kinder ab sechs Jahren müssen eine anerkannte Schule besuchen, dies kann neben den staatlichen Einrichtungen auch eine private oder freie Schule sein. Je nach Bundesland dauert die Vollzeitschulpflicht neun bis zehn Jahre. Wer dagegen verstößt und Homeschooling praktiziert, was bedeutet, dass man  seine Kinder aus der Schule nimmt und daheim unterrichtet, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.

Homeschooling: Strafbar in Deutschland

Die hessische Familie Wunderlich, die ihre vier Kinder zuhause unterrichtete, wurde zeitweise das Sorgerecht entzogen, da sie gegen das Gesetz verstoßen habe. Die streng religiöse Familie wehrte sich jahrelang vor Gericht gegen das Urteil und schaltete sogar den Europäischen Gerichtshof ein, aber der entschied 2019, dass der Sorgrerechtsentzug rechtens gewesen sei . Homeschooling sei in Hessen illegal und habe entsprechende Strafen zur Folge. Hessen ist eines der Bundesländer, das am härtesten gegen elterliche Schulverweigerer vorgeht. Aber auch andere Länder drohen mit Haftstrafen bis zu sechs Monaten und vierstelligen Geldbußen. Solange die Schulpflicht im Gesetz festgeschrieben ist, wird sich das nicht ändern. Nur in Krankheitsfällen werden Ausnahmen gemacht.

Befürworter von Homeschooling wie das Netzwerk Bildungsfreiheit https://www.facebook.com/Bildungsfreiheit/ setzen sich für eine Änderung der Schulpflicht in eine Bildungspflicht ein, wie sie in vielen europäischen Ländern und in den USA herrscht. Dort muss Wissen vermittelt werden, aber dies ist nicht an eine Schule gebunden. Die meisten Länder möchten allerdings Leistungsnachweise sehen, um Prüfungen kommen die Kinder also nicht herum. Trotzdem nimmt im angloamerikanischen Raum die Zahl der Homeschooler zu. Vorreiter sind dabei die USA, wo 1,6 Millionen Kinder zuhause unterrichtet werden.

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Gründe für den Hausunterricht

Es gibt die unterschiedlichsten Motivationen für Homeschooling:

  • Individuelle Probleme: Kinder werden gemobbt und fühlen sich im Schulsystem nicht wohl.
  • Schule ist zu restriktiv: Eltern möchten, dass ihre Kinder ungezwungener lernen.
  • Religiöse Gründe: Eltern finden, dass ihre Werte nicht in den Schulen vermittelt werden.

Es gibt keine richtige Statistik, wie viele Kinder zuhause unterrichtet werden, denn es ist, wie beschrieben, eine strafbare Handlung. Schätzungen gehen von ungefähr 1000 Familien aus, die in Deutschland das Homeschooling bevorzugen. Sie sind auch keine homogene Gruppe, es mögen darunter Bildungsverweigerer sein, aber ein Großteil der Eltern will Bildung vermitteln, doch dabei nicht einem strengen Schulplan folgen. Dazu kommen die individuellen Fälle, wo Kinder gemobbt wurden und ihre Eltern keine bessere Bildungsalternative als das eigene Zuhause sehen.  Aber die Gruppe, die sich am lautesten bemerkbar macht, sind die Befürworter des Freilernens.

Freilernen: Was bedeutet das?

Eine der bekanntesten deutschen Verfechterinnen des Freilernens ist Line Fuks, die mit ihrer Partnerin sieben Kinder so erzieht, Die Familie hat sich der Schulpflicht entzogen, indem sie nach Portugal gezogen ist: "Freilernen bedeutet, die Möglichkeit zu haben, sich frei zu bilden. Keinerlei Vorgaben zu erhalten, was man wann, wo und wie man zu lernen hat. Sondern allein der Mensch entscheidet über diese Dinge. Genauso wie Kinder entscheiden, wann sie laufen lernen, wie schnell sie sprechen – in ihrem eigenen Tempo und nach ihren Begabungen und Interessen", beschreibt Line Fuks das Konzept.

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Einen typischen Alltag oder Ablauf gibt es beim Freilernen – im Gegensatz zum traditionellen Homeschooling – nicht. Was gelernt und getan wird, kommt auf die Wünsche und Interessen des Kindes an: „Wir trennen nicht zwischen Leben und Lernen. Spielen und Lernen. Das ganze Leben ist einfach Lernen,“ sagt die siebenfache Mutter. "Jeder lebt und lernt eben das, was gerade für ihn dran ist. Das können praktische Dinge sein, es kann am PC stattfinden, mit einem Mentor, alleine oder gemeinsam. Es ist vielfältig und bunt. Wir haben also keine Lernzeiten, keinen Unterricht oder ähnliches. Wir unterstützen die Kinder in dem, was sie zur Wissensermittlung brauchen und begleiten sie in dem Maße, wie sie das möchten."

Die Langzeitauswirkungen des Homeschooling sind kaum erforscht. Meist brauchen Kinder, die lange Zuhause unterrichtet wurden und aus dem Schulsystem draußen waren, etwas Zeit, um sich im Schul-, Ausbildungs- oder Universitätssystem zurecht zu finden, da die Umstellung groß ist. Das bedeutet aber nicht, dass sie in den Prüfungen versagen. In den USA, wo Homeschooling populär ist, schnitten die Kinder nicht schlechter in den Prüfungen ab, sondern in einigen Fällen sogar besser.

Line Fuks ist nicht die einzige Mutter, die sich eine Umstrukturierung des Bildungssystems wünscht und die allgemeine Schulpflicht in eine flexiblere Bildungspflicht umgewandelt sehen möchte. Aber noch sind die Bundesländer nicht von dem Konzept des Homeschooling oder Freilernen überzeugt und verweisen auf die alternativen Schulen, die von traditionellen Schulkonzepten abweichen und eine Variante innerhalb des gesetzlichen Schulsystems darstellen.

Bildquelle: Getty Images