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Betreuungskrise & Politik: 5 Gründe, warum Eltern als Aushilfen in Kitas nur schaden & was wirklich helfen würde

Kita-Kinder und Erzieherin, Getty Images

Der Bedarf an Kinderbetreuung ist riesig, die Wartelisten sind lang und der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz verbrieft – dennoch werden vielerorts Betreuungszeiten notgedrungen drastisch gekürzt oder sogar ganze Tage gestrichen. Der Personalmangel in Kinderbetreuungseinrichtungen geht so weit, dass aktuell in einigen Gremien und Bundesländern ein ganz besonderer Vorschlag diskutiert wird: Eltern und andere Freiwillige sollen als Aushilfen in Kitas & Co. das Loch stopfen.

„Die Eltern könnten ihre Kinder doch selbst mitbetreuen“, lautet einer der aktuell diskutierten Vorschläge, der uns aus der Kitakrise führen soll. Ralf Broß, Geschäftsführer des Städtetags, zum Beispiel sieht die Lösung in sogenannten "multiprofessionellen Teams". Klingt fancy – heißt aber nichts anderes, als dass statt geschultem Personal auch Großeltern, Eltern, Hauswirtschaftskräfte oder Bufdis – gegebenenfalls ohne jegliche adäquate pädagogische Ausbildung, Erfahrung oder Eignung – unsere (Klein-)Kinder betreuen sollen.

Bufdis sind Teilnehmende am Bundesfreiwilligendienst, der auf Initative des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2011 etabliert wurde, um mehr freiwilliges Engagement zu fördern.

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Auf der Suche nach kurzfristigen Lösungsvorschlägen ein irgendwie nachvollziehbarer Gedanke. Leider aber auch so einfach wie falsch. Denn:

1. Unsere Kinder sind keine Gepäckstücke, die man zur Aufbewahrung abgibt.

Wir Eltern vertrauen unsere Kids Institutionen mit pädagogischem und didaktischem Konzept an. Es geht nicht nur darum, dass irgendwer „aufpasst“. Hier wird sozialisiert, (vor)geschult, getröstet, geregelt, gerangelt, gelehrt und gelernt. Noch größer als im Kindergarten-Bereich ist die Verantwortung bei der frühkindlichen Bildung im U3-Alter, z.B. in Kinderkrippen.

2. Kitas & Co sind Bildungsstätten

Kitas & Co sind Bildungsstätten und der Beruf der Erzieher*in ist einer der anspruchsvollsten und wichtigsten Berufe unserer Gesellschaft. Ein Ausbildungs- bzw. Studienberuf. "Es heißt nicht ohne Grund 'Fachkraft'", sagt Juliane Schreiber, Gründerin der Mütterplattform Mama Meeting. "Dieser Ansatz suggeriert, dass Eltern den Job von Erzieher*innen auf Anhieb bewältigen könnten."

3. Erzieher*innen sind qualifizierte Fachkräfte

Das Kinderbetreuungsgesetz (Beispiel BW) besagt: „In den Einrichtungen sind die Kinder durch pädagogisch qualifizierte Fachkräfte zu betreuen, zu erziehen und zu bilden. Die Fachkräfte können durch weitere geeignete Personen (Zusatzkräfte) unterstützt werden.“ Die Betonung muss dabei auf "geeignete" Personen liegen. "Das Landesjugendamt kann darüber hinaus auf Antrag des jeweiligen Trägers ausnahmsweise weitere Personen als Fachkräfte zulassen, sofern sie nach Vorbildung und Erfahrung geeignet sind." Anzunehmen, der Fakt, das jemand Kinder geboren oder gezeugt hat, wäre Qualifikation genug, ist schlichtweg falsch. Schlimmer noch mindert die Annahme, der Erzieher*innen-Job könnte doch flächendeckend 'einfach' von Eltern oder Großeltern übernommen werden, das Ansehen dieser schon immer unterbewerteten Berufsgruppe noch weiter.

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4. Wir Eltern sind nicht nur Eltern

Wir Eltern sind ja schließlich nicht nur Eltern, sondern auch berufstätig. "Wenn die Rettungssanitäterin nicht zum Einsatz kommen kann, weil sie gerade in der Kita aushelfen muss, sind wir einfach kein Stück vorwärts gekommen", sagt Juliane Schreiber weiter. Viele von uns Eltern können in diesen finanziell angespannten Zeiten auch schlichtweg gar keine Stunden reduzieren, um das staatliche Versagen zu kompensieren.

5. Die üblichen Verdächtigen

Ohne jegliche statistische Untermauerung wage ich zwei Prognosen: Dass die freiwilligen Kita-Helfer*innen wohl ...

  1. ... weniger die gutverdienenden Papas sind, sondern die sowieso schon teilzeitbenachteiligten Mütter.
  2. ... diejenigen unter den Eltern sind, die sich auch sonst engagieren (als Elternbeirat, Trainer*in im Sportverein etc.) und deren Tatkraft an andere Stelle dann fehlen wird, denn auch sie können nicht an allen Fronten gleichzeitig helfen.
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Micky Moses

Don't get me wrong

Ich persönlich finde den Gedanken wunderbar, ein paar Stunden die Woche in der Kita zu helfen. In Gedanken sitze ich im Sonnenschein im Kitagarten und um mich rum rennen gut gelaunte Windelflitzer. Hach, herrlich! Aber, auf dem Boden der Realität zurück: Genau wie die meisten Eltern, vor allem die, mit mehr als einem Kind, wüsste ich gar nicht, aus welcher Rippe ich mir die Zeit dafür schneiden sollte. Außerdem wäre ich viel zu ungeduldig, sage sehr häufig Worte, für die man in Kitas Ärger bekommt ('Sch***e', 'f**k' und 'A***h' ...) und reagiere manchmal recht scharf auf überhebliche Besserwisser*innen (über und unter 160 cm). Trotz pädagogischen Studium und viel Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen würde ich wohl auf die Dauer zum Beschwerdefall.

Das für mich ausschlaggebende Argument gegen ein Engagement in der Kita wäre dennoch ein ganz anderes: Wenn wir durch solche kurzfristigen Aktionen die Strukturen zementieren, die die nötigen gesellschaftlichen Veränderungen bremsen, kann das nicht richtig sein.

Micky Moses

Was langfristig wirklich helfen könnte, die Kitakrise zu überwinden

Den Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers so attraktiv machen, dass Menschen gerne dieses Job ergreifen möchten. Dazu braucht es:

  • Eine wirklich gute Bezahlung, die widerspiegelt, was es uns wert ist, dass unsere Kinder eben nicht nur aufbewahrt werden.
  • Gesunde und attraktive Arbeitsbedingungen, die es den Fachkräften ermöglichen, selbst Eltern zu sein.
  • Eine ordentliche Portion gesellschaftliche Wertschätzung.

Wie ist die Lage bei Euch vor Ort und was würdet ihr vorschlagen? Diskutiert mit und lasst uns wissen, was die Kita-Betreuungssituation bei Euch aktuell am stärksten belastet.

Quellen: Landesrecht-BW, SWR, NDR

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Bildquelle: Getty Images/ Rawpixel

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