Die einen fangen früher an, die anderen später, aber sie tun es alle: Lügen! Sobald Kinder das Konstrukt des Lügens gelernt haben, wenden sie es an. Erst zum Spaß und Ausprobieren, später dann, um Fehlverhalten zu decken oder ihre Ziele zu erreichen. Du kennst das Problem von deinem Kind? Diese 5 typischen Ausdrücke verraten, dass dein Kind gerade nicht die Wahrheit sagt. Hinter jedem dieser Sätze steckt eine Strategie, mit der Kinder und Teenager versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen. Dabei können wir als Eltern viel über die Gefühlswelt unserer Kinder lernen, wenn wir genauer hinhören.
Jedes Kind (und jeder Erwachsene) lügt gelegentlich (und, seien wir ehrlich (haha) Eltern besonders oft) – das ist entwicklungspsychologisch normal und sogar ein Zeichen für kognitive Entwicklung. Doch als Eltern stehen wir oft ratlos da, wenn wir das Gefühl haben, dass unser Kind uns nicht die Wahrheit sagt. Besonders bei Teenagern kann das Flunkern zum Alltag gehören. Doch keine Sorge: Mit etwas Fingerspitzengefühl können wir lernen, die typischen Anzeichen zu erkennen und angemessen zu reagieren, ohne gleich in Panik zu verfallen.
Diese 5 Ausdrücke sind typische Alarmsignale (sagen wir als Eltern und die KI)
Ausdruck | Was dahinter steckt | Wie Eltern reagieren können |
"Ehrlich" / "Ich schwöre" | Künstliche Bekräftigung ohne Beweise | Ruhig nachfragen: "Ich möchte verstehen, was passiert ist." |
"Niemals" / "Immer" | Abwehr von Schuld durch Absolutaussagen | Konkrete Situationen ansprechen statt Verallgemeinerungen |
"Jede(r)" / "Alle" | Normalisierung des eigenen Verhaltens | "Lass uns über dich sprechen, nicht über andere." |
"Glaub mir" | Versuch, Vertrauen zu erzeugen | Vertrauen durch Offenheit fördern, nicht einfordern |
"Ich war das nicht!" | Reflexartige Leugnung | Zeit zum Nachdenken geben, später nochmal ansprechen |
Warum "Ehrlich gesagt" oft das Gegenteil bedeutet
Wenn dein Kind plötzlich betont, wie ehrlich es gerade ist, sollten bei dir die Alarmglocken läuten. "Ehrlich" oder "Ich schwöre" sind klassische Verstärker, die Kinder einsetzen, wenn sie spüren, dass ihre Geschichte wackelig ist. Sie versuchen damit, eine Art emotionalen Schutzschild aufzubauen – nach dem Motto: Wenn ich betone, wie ehrlich ich bin, wird mir eher geglaubt.
Interessant ist der psychologische Hintergrund: Kinder, die diese Bekräftigungen nutzen, sind sich ihres Fehlverhaltens meist bewusst. Sie versuchen, Vertrauen auf die Schnelle herzustellen, weil sie keine echten Beweise für ihre Behauptungen haben. Statt konfrontativ zu reagieren, hilft es, dem Kind einen gesichtswahrenden Ausweg anzubieten: "Ich merke, dass dir das Thema wichtig ist. Lass uns gemeinsam herausfinden, was wirklich passiert ist."
Die Macht der Absolutbegriffe: "Niemals" und "Immer"
"Ich habe niemals in dein Zimmer geschaut!" oder "Immer sagst du Nein!" – solche Aussagen sind typisch für Kinder, die sich verteidigen wollen. Diese Absolutbegriffe sollen die eigene Position stärken und wirken wie ein verbaler Schutzwall gegen Kritik.
Kinder und besonders Teenager*innen nutzen diese Worte, um ihre Argumente zu verstärken und Schuld abzuwehren. Sie hoffen, dass die Dramatik ihrer Aussage von der eigentlichen Situation ablenkt. Als Eltern könnt ihr diesem Muster begegnen, indem ihr konkret bleibt: "Lass uns nicht über 'immer' oder 'nie' sprechen, sondern über das, was heute passiert ist." So bringt ihr das Gespräch zurück auf die Sachebene und vermeidet emotionale Eskalationen.
Und seien wir mal ehrlich (noch mal haha), auch wir Eltern benutzten die Wörter "immer" oder "nie" inflationär, wenn wir in (hitzigen) Diskussionen stecken. Achtet mal darauf!
"Alle machen das!" – Wenn Kinder ihr Verhalten normalisieren
Der Klassiker unter den Teenager-Ausreden: "Alle dürfen das!" oder "Jede(r) in meiner Klasse hat das schon gemacht!" Diese Aussagen dienen dazu, das eigene Verhalten als völlig normal darzustellen und eure Kritik als übertrieben abzustempeln.
Besonders Teenager*innen nutzen diese Strategie häufig, um ihre Handlungen zu rechtfertigen und gleichzeitig Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren. Dahinter steckt oft der Wunsch nach Autonomie und Anerkennung durch Gleichaltrige. Eine hilfreiche Reaktion kann sein: "Ich verstehe, dass dir wichtig ist, was deine Freunde / deine Freundinnen machen. Aber in unserer Familie entscheiden wir nach unseren eigenen Werten." So zeigt ihr Verständnis für den Gruppendruck, bleibt aber bei euren Grenzen.
Wenn "Glaub mir" zum Warnsignal wird
"Glaub mir, ich habe die Hausaufgaben schon gemacht!" – Wenn Kinder aktiv um Glauben bitten, ist oft das Gegenteil der Fall. Diese Phrase ist ein klassisches Beispiel für kognitive Dissonanz: Das Kind versucht, eine Unwahrheit mit einer vertrauenswürdigen Fassade zu überdecken.
Der psychologische Mechanismus dahinter ist interessant: Da das Kind keine Beweise für seine Behauptung hat, versucht es, durch die direkte Aufforderung zum Glauben diese Lücke zu schließen. Statt direkt zu konfrontieren, könnt ihr eine Brücke bauen: "Ich möchte dir gerne glauben. Was würde mir helfen, deine Situation besser zu verstehen?" So gebt ihr eurem Kind die Chance, ohne Gesichtsverlust zur Wahrheit zurückzufinden.
Die Spontan-Abwehr: "Ich war das nicht!"
Diese reflexartige Leugnung kommt oft, bevor ihr überhaupt fertig gesprochen habt. "Ich war das nicht!" ist die instinktive Reaktion eines Kindes, das Angst vor negativen Konsequenzen hat – selbst wenn die Beweislage erdrückend ist (weil ihr z. B. direkt daneben standet, als dem Kind das Glas runtergefallen ist).
Diese Form der Distanzierung ist ein klassischer Abwehrmechanismus, besonders bei Kindern, die bereits negative Erfahrungen mit Strafen gemacht haben oder die Enttäuschung der Eltern fürchten. Anstatt sofort in eine Verhörsituation zu geraten, kann es helfen, dem Kind Zeit zu geben: "Ich sehe, dass hier etwas passiert ist. Lass uns später darüber sprechen, wenn wir beide ruhig sind." So schafft ihr einen Raum, in dem ehrliche Kommunikation möglich wird.
Verstehen statt verurteilen und immer das Gespräch suchen
Wenn Kinder nicht die Wahrheit sagen, stecken dahinter in den seltensten Fällen böse Absichten. Oft sind es Versuche, mit schwierigen Situationen umzugehen, Autonomie zu gewinnen oder negative Konsequenzen zu vermeiden.
Der wichtigste Schritt ist, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der Kinder keine Angst haben müssen, Fehler zuzugeben. Denn letztlich geht es nicht darum, perfekte Wahrheitssager*innen zu erziehen, sondern Menschen, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen können. Und das beginnt mit unserem eigenen Vorbild im ehrlichen und respektvollen Umgang miteinander.