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Körperverletzung

Der„Husband Stitch“: Die Wahrheit hinter der Abscheulichkeit

Husband Stitch

Der sogenannte "Husband Stitch" ist eine Abscheulichkeit, die dringend beendet werden muss. Wenn du heute noch keinen Grund dazu hattest, deinen Kopf in Verzweiflung mehrfach gegen die Wand zu hämmern, haben wir einen echten Schocker für dich.

Es hört sich an wie eine dieser Horrorgeschichten aus dem Mittelalter: Frauen, die nach der Geburt "enger" zugenäht werden, um den Geschlechtsverkehr für den Mann "lustvoller" zu machen. Der sogenannte "Husband-Stitch" oder "Gentleman's Stitch" ist aber keine Fabel aus längst vergangenen Zeiten, sondern bittere Realität.

"Husband Stitch" – Wenn Frauen ihrer körperlichen Autonomie beraubt werden

Verlässliche Informationen über den "Husband Stitch" (manchmal als "Daddy Stitch" bezeichnet) gibt es kaum. Es gibt auch keine offizielle Definition dafür. Was sich unter dem Suchwort online finden lässt, sind vor allem Erfahrungsberichte von betroffenen Frauen.

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Sie berichten in Schwangerschaftsforen und -communities von den Momenten, als ihnen ihre körperliche Autonomie genommen wurde. Und das, als sie am verletzlichsten waren. Meist sind diese Berichte anonym. Was wir da lesen, zeigt aber Grauenhaftes. Frauen schreiben über die schrecklichen Schmerzen, die sie erleiden mussten, weil der Gynäkologe oder die Gynäkologin kurz nach der Geburt den anwesenden Männern einen Gefallen tun wollten.

Betroffenen berichten meist anonym

Die Folgen für die Betroffenen sind fatal. Denn für sie wurde ihr Sexleben zur Qual, weil Ärzte und Ärztinnen zum Wohl des Mannes und nicht zum Wohl der Frau gehandelt haben. Es gibt Berichte von Frauen, die sich im Kreißsaal Witze darüber anhören mussten, dass sie "so gut wie neu – vielleicht sogar besser – sein werden". Frauen, deren Angst vor der Geburt von solchen archaischen Praktiken nur noch ins Unermessliche gesteigert wird.

Das Prekäre: Die Erfahrungen und Ängste dieser Frauen werden weitläufig als Paranoia abgetan. Oft werden diese Erzählungen als unrealistisch oder aus Praxis vergangener (MIttel)alter Zeiten abgetan – was uns in den Zeiten von #metoo einiges darüber verrät, wie viel Glaubwürdigkeit Frauen in der Gesellschaft wirklich eingeräumt wird.

Erfahrungen mit dem "Husband Stitch"

Im Medizinlexikon möge sich keine Definition des "Husband Stitch" finden lassen. Über die Realität der extra Naht, die den Vaginaleingang verengen soll, um dem Mann beim Geschlechtsverkehr mehr Lust zu verschaffen, berichten aber zahlreiche Frauen in teilweise erschütternden Kommentaren. Die Website "MAMA BIRTH" zitiert anonyme Mütter:

"Ich wusste nicht, dass ich einen Husband Stitch als Teil einer Reparatur eines Dammrisses dritten Grades bekommen hatte. Das fand ich nur Monate später heraus, als ich unter anderem wegen schmerzhaften Sex untersucht wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand dieser Praxis freiwillig unterziehen würde. Sie hat unser Sexualleben ruiniert."

"Ich hatte bei meinem ersten Baby einen Dammschnitt (dem ich nicht zustimmte ... die Ärztin hat mich informiert, während sie den Schnitt durchgeführt hat). Danach hat sie mich zu eng zugenäht. Geschlechtsverkehr hat mir sechs Monate lang Schmerzen bereitet ... Zuerst war es so qualvoll, dass wir es nicht einmal probieren konnten. Ich weinte jedes Mal, wenn wir es versuchten.“

Es gibt ihn überall

Wenn du nun glaubst, der "Husband Stitch" sei nur ein amerikanisches Phänomen, müssen wir dich leider enttäuschen. Das Magazin Edition F hat auf seiner Facebook-Seite deutsche Frauen nach ihren Erfahrungen bezüglich des "Husband Stitches" befragt:

"Ich bin Gynäkologin und wurde im Kreißsaal mehrmals von den Ehemännern/Partnern pseudo-scherzhaft gefragt, ob ich nicht 'noch ein, zwei Stiche mehr machen' könne. Ich habe einfach nicht geantwortet und gehofft, dass die Frauen nicht gehört haben, was der Vater ihres Neugeborenen da gerade gesagt hat. Schwer vorstellbar, dass es Ärzte gibt, die sowas tatsächlich tun. Andererseits, so schwer auch wieder nicht, ältere männliche Gynäkologen mit einem mehr als fragwürdigen Frauenbild gibt es leider so einige."

"'Ach, ich näh einfach noch ein bisschen enger', sagte mein Arzt nach der Entbindung und grinste meinen Ex-Mann an ..."

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Was ist der Husband Stitch: Erklärungen

Die bittere Wahrheit: Das Resultat dieses übergriffigen Verhaltens funktioniert nicht einmal wie es soll (was dennoch noch das kleinste Problem am "Husband Stitch" ist).

Fakt ist: Bei einer vaginalen Geburt kann das Gewebe zwischen Vulva und After der Frau - der sogenannte Damm – reißen. Das bezeichnet man als Dammriss. Früher führten Ärzte deshalb häufig einen vorbeugenden Dammschnitt durch, heute vertritt man allerdings den Standpunkt, dass ein spontaner Dammriss besser verheilen kann, weswegen ein Dammschnitt nur noch selten vorbeugend durchgeführt wird.

Der "Husband Stich" ist moralisch falsch UND funktioniert nicht

Egal, ob Riss oder Schnitt, das Gewebe muss nach der Geburt genäht werden. Beim "Husband Stitch" näht der Arzt das Gewebe noch etwas weiter zu, um den Vaginaleingang enger zu machen. Aber: Das hat keinen Einfluss auf den Lustgewinn des Mannes, denn die Vagina an sich wird so nicht enger. Also: Männer erfahren dadurch keinen lustvolleren Sex. Frauen erfahren dagegen bei der Penetration schreckliche Schmerzen. Das kann sich doch eigentlich kein Mann ernsthaft für seine Partnerin wünschen.

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"Husband Stitch" – Was tun?

An alle Frauen – schwanger oder nicht: Bitte lasst euch durch solche Berichte nicht noch mehr Angst vor der Geburt machen! Dieser Artikel soll keineswegs eure Bedenken vor der Geburt noch vergrößern! Vielmehr soll und muss er auf eine Praxis hinweisen, die leider immer noch der Realität angehört und Sexismus von einer seiner dunkelsten Seiten darstellt.

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Denn der "Husband Stitch" ist nur ein Phänomen eines oft noch verbreiteten Gedankens: Frauenkörper existieren nur für Männer – für ihre Lust, ihr Schönheitsempfinden, ihren Komfort. Die Wünsche des Mannes werden priorisiert, die Wünsche, gar das Wohlergehen der Frau hinten angestellt. Das einzige, das bei der Geburt eine Rolle spielen sollte, ist aber genau das: das Wohl von Mutter und Kind – und nicht der vermeintliche Lustgewinn des Mannes, der neben ihnen steht.

Andrea Zschocher

Meine Meinung

Als ich zum ersten Mal vom "Husband Stitch" gehört habe, dachte auch ich, dass das einfach nicht wahr sein kann. Weil ich nämlich nicht begreifen kann, wie irgendjemand sich diese Qual für seine Partnerin, die Mutter seines Kindes, wünschen kann. Dass diese Graumsamkeit leider aktuell ist, sollte uns alle nur noch mehr darin bestreben über Gewalt gegen Frauen entschiedenen vorzugehen.

Andrea Zschocher

Mulan, Rosa Parks, Malala Yousafzai und Simone de Beauvoir – was weißt du über starke Frauen aus der Geschichte?

Bildquelle: getty images / iStock / Getty Images Plus/ Motortion

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