Während Boomer-Eltern noch Schuhe binden, Geschirr spülen und still sitzen mussten, wachsen unsere Kinder mit ganz anderen Fähigkeiten auf. Die Erziehung hat sich gewandelt – zum Guten wie zum Schlechten. Diese vier klassischen Skills beherrschen moderne Kids kaum noch – warum das manchmal okay ist und wir uns manchmal wünschten, unsere Kinder könnten das doch.
Wer kennt es nicht? Die Oma schimpft, weil der Fünfjährige seine Schuhe nicht binden kann, während er gleichzeitig mühelos durch komplexe Tablet-Menüs navigiert. Die Erziehung hat sich verändert, und mit ihr die Fähigkeiten, die unsere Kinder heute erlernen – oder eben nicht mehr erlernen. Aber ist das wirklich ein Problem oder einfach nur ein Zeichen der Zeit?
1. Zappelphilipp statt Sitzmuffel – warum Bewegung heute erwünscht ist
Früher galt: Wer nicht still sitzen konnte, bekam Ärger. In der Schule, in der Kirche, am Esstisch – überall wurde von Kindern erwartet, dass sie ruhig auf ihrem Hintern verharren (wer einen humorvollen Einblick auf dieses Früher bekommen möchte, schaue sich die Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" an.)
Heute wissen wir: Bewegung ist essenziell für die Entwicklung des kindlichen Gehirns. Körperliche Aktivität beeinflusst die kognitiven Gehirnfunktionen in jedem Lebensalter – also auch bei Kindern, so die Erkenntnis von Forschenden der Sporthochschule Köln. Bei Bewegung wird das Gehirn besser durchblutet, die Synapsenbildung stimuliert und der Endorphinspiegel steigt – alles Faktoren, die das Lernen erleichtern.
Aber: Wenn unsere Kinder gar nicht still sitzen können, sollten wir auch einen genauen Blick darauf haben. Kann es mein Kind nicht oder will es nicht? Bei ersterem kann ein Besuch in der Kinderarztpraxis eine gute Idee sein. Bei zweiterem: je nach Alter des Kindes ist es schon schön, wenn ein Kind eine gewisse Zeit ruhig sitzen kann. Wir üben das z. B. immer mal wieder, natürlich nur, wo es Sinn ergibt.
2. Balance-Akte in Gefahr – wenn Kinder nicht mehr klettern können
Früher galt: Auf Baumstämmen balancieren, auf einem Bein hüpfen oder über Pfützen springen – für Boomer und Millennial-Kinder selbstverständlich. Daraus bestand 90 % unserer Freizeit.
Heute wissen wir: Körperliche Bewegung und Koordination bereitet vielen modernen Kids Schwierigkeiten. Besonders in Großstädten zeigen Untersuchungen, dass immer mehr Vier- bis Fünfjährige motorisch unterentwickelt sind. Der Grund liegt auf der Hand: Statt draußen zu toben, verbringen viele Kinder ihre Zeit vor Bildschirmen. Seilspringen und Klettern weichen Tablet und Smartphone. Dazu kommt, dass viele Eltern ihre Kinder aus Zeitgründen oder Sicherheitsbedenken mit dem Auto zur Schule fahren, anstatt den Weg zu Fuß zurückzulegen.
Aber: Es ist nie zu spät, euer Kind in Bewegung zu versetzen. Am besten sind aktive Unternehmungen mit der ganzen Familie (Radfahren, Wandern, Spazieren, Kletterpark, etc.) Oder ihr meldet euer Kind im Sportverein an – viele Vereine freuen sich über Nachwuchs. Probiert mit euren Kids einfach aus, was ihnen Spaß macht. Wenn es nicht Fußball ist, dann vielleicht Tennis, Parcours oder Steckenpferd reiten.
3. Schleifen-Drama: Wenn die Klettverschluss-Generation vor Schnürsenkeln kapituliert
Früher galt: Erinnert ihr euch noch an die Freude, als ihr endlich selbst eure Schuhe binden konntet? Ohne selbst Schuhe binden zu können, durfte man gar nicht in die Schule. Und die Boomer rufen laut: Bei uns gab es nur Schuhe mit Schnürsenkel – wir mussten das lernen!"
Heute ist das für viele Kinder ein Mysterium. Die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen kann sich keine Schuhe ohne Hilfe anziehen, geschweige denn zubinden. Das Problem hat inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass manche Grundschulen sogar Schnürsenkel verbieten! Kein Witz – Lehrkräfte haben schlichtweg keine Zeit, den ganzen Tag Schleifen zu binden. Klettverschlüsse und Slipper haben die klassische Schnürung verdrängt, und mit ihr eine Feinmotorik-Übung, die früher zum Standard-Repertoire jedes Vorschulkindes gehörte.
Aber: Schuhe binden ist nicht schwer. Wirklich nicht. Wie euer Kind es ganz schnell lernt, seht ihr im Video:
Spülmaschinen-Generation: Wenn Handwäsche zur Raketenwissenschaft wird
Früher galt: Boomer und viele Millennial-Kinder mussten noch regelmäßig den Abwasch übernehmen und können daher auch Erwachsene wunderbar Geschirr spülen. Trotzdem sind wir froh, dass es diese Arbeit jetzt die Spülmaschine für uns übernimmt.
Heute kennen viele moderne Kids Geschirr mit Hand spülen nur noch vom Zuschauen. Mit Spülmaschinen in über 70 % der deutschen Haushalte ist das manuelle Geschirrspülen fast zum Relikt vergangener Zeiten geworden. Die Konsequenz: Wenn die Spülmaschine mal streikt oder im Ferienhaus keine vorhanden ist, stehen viele Kinder (und manchmal auch ihre Eltern) ratlos vor dem Spülbecken.
Aber: Geschirr von Hand zu spülen, ist keine Raketenwissenschaft. Warmes Wasser, Spüli, Schwamm oder Bürste und los geht's. Damit bekommt ihr nicht nur sauberes Geschirr, sondern trainiert mit dem Abwaschen auch noch praktische Fähigkeit wie Verantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit.
Zwischen Nostalgie und neuen Kompetenzen
Die Welt verändert sich, und mit ihr die Fähigkeiten, die unsere Kinder brauchen. Während manche traditionellen Skills in den Hintergrund treten, entwickeln Kinder heute andere Kompetenzen – von digitaler Medienkompetenz bis hin zu einem stärkeren Fokus auf emotionale Intelligenz.
Anstatt nostalgisch den "guten alten Zeiten" nachzutrauern, können wir als Eltern einen Mittelweg finden: Die wertvollen traditionellen Fähigkeiten bewahren und gleichzeitig offen für neue Kompetenzen sein. Denn letztendlich geht es nicht darum, ob unsere Kinder genau das Gleiche können wie wir früher, sondern ob sie für ihre Zukunft gut gerüstet sind.