Zwischen Spielplatzgedränge und Wohnungsbesichtigungen, überfüllten U-Bahnen und dem Kampf um Kitaplätze – das Großstadtleben mit Kindern kann manchmal an den Nerven zehren. Und doch gibt es diese magischen Momente, wenn ihr spontan ins Museum geht oder im Stadtpark Freunde trefft, die euch immer wieder zeigen: Die Stadt ist und bleibt euer Zuhause.
Während Freunde und Bekannte regelmäßig Fotos vom neuen Eigenheim mit Garten im Umland posten, fragst du dich manchmal, warum du eigentlich in der Stadt bleibst. Die Antwort ist vielschichtig: Es ist die Vielfalt, die Nähe zu allem, die kulturellen Angebote und die Gemeinschaft. Aber natürlich gibt es auch die andere Seite der Medaille – jene Herausforderungen, die zum Stadtleben mit Kindern einfach dazugehören und über die wir heute schmunzeln, lachen und vielleicht auch ein bisschen jammern dürfen.
#1 Auf Unterstützung angewiesen sein
In der Großstadt mit Kindern unterwegs zu sein bedeutet manchmal, auf die Hilfe von Fremden angewiesen zu sein. Sei es beim Treppensteigen mit dem Kinderwagen in der U-Bahn-Station oder wenn der Buggy nicht so durch die Tür passt, wie wir es gern hätten.
Herausfordernd sind grundsätzlich die Momente, in denen wir unsere Kinder durch ihre Wut begleiten. Wenn das in aller Öffentlichkeit passiert, sind helfende Hände, aufmunternde Worte immer besser, als tadelnde Blicke.
Aufzüge, die ausfallen
In der Babyzeit haben mich oft, die häufig kaputten Aufzüge der öffentlichen Verkehrsmittel genervt. Man musste mit der Trage los oder war auf hilfsbereite Leute angewiesen, die einem beim Hoch- oder Runtertragen des Kinderwagens behilflich waren. Wie muss es erst für Menschen sein, die wegen ihrer eingeschränkten Mobilität immer auf einen Aufzug angewiesen sind?
#2 Einsam inmitten vieler Menschen
Umgeben von tausenden Menschen kann man sich in der Stadt manchmal einsamer fühlen als irgendwo sonst. Das gilt besonders für frischgebackene Eltern, denn selbst wenn es einen großen Freundeskreis gibt: Wenn da nicht andere Eltern dabei sind, fällt man erstmal ein bisschen durchs Raster.
Neue Freund*innen finden ist nur in der Kindheit so richtig einfach, danach bedeutet es für viele: Sich aus der Komfortzone herauszubewegen. Heißt im Klartext: Sich aufraffen und andere ansprechen, mit der Möglichkeit, dass es dann doch nicht so passt. Kursangebote, die es in der Stadt deutlich öfter gibt als auf dem Land, können aber eine gute Anlaufstelle sein.
Gemeinsamer Vibe
Kontakte knüpfen fand ich ja in der Großstadt gar nicht einfach. Als Zugezogene mit Baby und Kleinkind – klar, es gibt viele Angebote, aber du fühlst dich immer wie eine Außenseiterin, weil gefühlt alle schon ihren festen Freundeskreis haben, in den du nicht reinkommst.
Oberflächliche Baby-Nerv-Gespräche ja, aber für eine tiefe Verbindung brauchst du entweder viel Zeit (die niemand hat), oder einen gemeinsamen Vibe, der bei Hunderttausenden Einwohnern schwer auszufinden ist.
Großes Angebot an Babykursen
In Großstädten (bei mir Berlin) gibt es mittlerweile viele Angebote für Babymütter, von Krabbelgruppen über Pekip und sonstwas. Natürlich findet man dort nicht gleich neue beste Freundinnen. Darum geht es auch nicht. Wer in seiner Babyzeit aber nicht gerade schon Freundinnen hat, die auch ein Neugeborenes haben, kann sich dort zumindest austauschen. Es geht ja erstmal darum, dass man mit dem Neugeborenen vielleicht nicht den ganzen Tag alleine zu Hause sein möchte.
Ich fand das in der Elternzeit gut, dass ich zumindest Anlaufstellen hatte und zwei Termine in der Woche wo ich andere Mütter getroffen habe und mal rausgekommen bin. Da sind keine Freundschaften entstanden, aber das hab ich auch nicht erwartet.
Ein weiterer Vorteil ist die gute Abdeckung mit Fachärzten und Physio, Osteopathie oder Ergotherapeuthen. Wenn das Baby oder Mama besondere gesundheitliche Ansprüche hat, ist man in einer großen Stadt besser dran, als wenn man Schwierigkeiten hat dorthinzukommn.
#3 Wahlfamilien
"It takes a village to raise a child" – dieses Sprichwort gilt auch in der Großstadt. Nur müssen wir uns dieses Dorf manchmal selbst zusammensuchen. Die gute Nachricht: Es gibt sie, diese urbanen Dorfgemeinschaften, die sich gegenseitig unterstützen.
Ob die Nachbarin, die spontan aufs Kind aufpasst, wenn wir zur Ärztin müssen, die WhatsApp-Gruppe der Kita-Eltern, die Spielzeug tauschen, oder der Familientreff, der Notfallbetreuung organisiert – in der Stadt entstehen neue Formen der Gemeinschaft, die die traditionellen Familiennetzwerke ersetzen.
Besonders schön: Diese Netzwerke sind oft vielfältiger und bunter als auf dem Land. Unsere Kinder lernen von klein auf, dass Familie nicht nur aus Blutsverwandten besteht, sondern aus Menschen, die füreinander da sind.
#4 Lautstärke innen und außen
Wer in der Stadt lebt, nimmt viel von dem Krach gar nicht mehr wahr: Sirenen um drei Uhr nachts, die Müllabfuhr im Morgengrauen und die Baustelle auf der der Presslufthammer nie stillzustehen scheint. Die Kunst des Stadtlebens besteht darin, einen Filter zu entwickeln und zwar sowohl für uns, als auch für unsere Kinder.
Das Bemerkenswerte: Stadtkinder entwickeln sich oft zu wahren Schlafkünstlern. Sie dösen seelenruhig in der U-Bahn, während draußen das Leben tobt, und schlafen durch Nachbarpartys hindurch, als hätten sie Ohropax eingebaut bekommen.
Stressige Lautstärke & andere Menschen
Unseren Sohn hat die Reizüberflutung durch Verkehrslärm krass überfordert. Und man ist dann selber irgendwann so gestresst und von jedem vorbeifahrenden Motorrad getriggert.
Es ist doch so: Wenn das Baby leidet, leidet man mit. Sirenen, Baustellen, hupende Autos, alles ist dann zu laut. Immer muss man hinterherrennen (v.a. wenn die Kinder dann mit dem Laufrad oder Fahrrad unterwegs sind), ständig haben sie Dreck aufgesammelt, überall liegt Müll (oder schlimmeres) auf dem Boden, sogar auf den Spielplätzen.
Was mich außer dem Lärm noch nervt: Überall liegen Hundekacke-Tretminen, weil sich wenige verantwortlich fühlen, die wegzumachen. Ganz nach dem Motto: Da liegt ja eh schon was oder die anderen räumen es ja auch nicht weg.
#5 Mehr als nur die Innenstadt
Familienleben in der Großstadt bedeutet nicht, dass ihr eingequetscht mit allen anderen auf engstem Raum leben müsst. Denn jede Großstadt hat auch etwas dörfliches, Grünanlagen, den Speckgürtel und manchmal auch Weite. Ihr entscheidet, wo in der Großstadt ihr wohnen wollt.
Nicht immer nur Mitte
Großstadt heißt ja nicht, dass man in Mitte wohnt. Gerade Städte wie Berlin, Hamburg, München sind so weitläufig. Es gibt viele unterschiedliche Kieze und Bezirke. In den Außenbezirken wohnt es sich dort wie in einer Kleinstadt: Hier gibt es kaum Hundekacke, schlimmen Verkehr, Lärm und Dreck.
Ich finde, da muss man auch differenzieren.
#6 Stress mit den Nachbar*innen
In der Stadt leben bedeutet: Wir hören unsere Nachbar*innen und sie hören uns. Während wir versuchen unser weinendes Baby zu beruhigen, klopft es von unten gegen die Decke. Gleichzeitig dröhnt von oben der Bass einer Party durch die Wände. Die Kunst besteht, wie so oft im Leben darin, einen Mittelweg für alle Parteien zu finden.
Unsere Kinder haben ein Recht auf normales Spielen und normale Lautstärke. Gleichzeitig willen wir ein halbwegs harmonisches Verhältnis zu unsere Nachbar*innen. Ein freundliches Gespräch und gelegentliche kleine Aufmerksamkeiten können hier Wunder wirken.
Hellhörige Wohnungen sind ein Struggle
Das Wissen, dass gerade alle das Schreibaby, den never-ending Wutanfall oder die Diskussion mit dem/der Partner*in mithören können, kann extrem stressen – gerade, weil solche Siuationen für die meisten Familien zum Alltag gehören. Verständnislose Nachbarn, mit denen man sich arrangieren muss, sind auch nicht hilfreich, denn das kostet sehr viele mentale Kapazitäten. Vor allem, weil die Wohnungssuche in vielen Städten schon fast aussichtslos ist (und die netten Nachbarn dann auch nicht garantiert sind).
Video: Wolke Hegenbarth
Wenn euch das Thema Leben als Familie in der Großstadt umtreibt, gibt es bei uns noch weitere Artikel:
#7 Wohnungssuche nervt total
Vier Zimmer zu einem bezahlbaren Preis? In der Stadt gleicht diese Suche einer Expedition zum Nordpol. Natürlich ist das theoretisch möglich, aber extrem herausfordernd. Besonders mit Kindern im Schlepptau werden Besichtigungstermine zur Nervenprobe. Plötzlich scheinen Vermieter allergisch auf Kinderlachen zu reagieren, obwohl sie selbst drei Kids haben.
Auch die Preise für größere Wohnungen sind für Familien kaum zu stemmen. Hier hilft nur: Sich mit anderen vernetzen und auch mal über Wohnungstausch nachdenken.
#8 Überfüllte Spielplätze
Stadtspielplätze sind fantastisch, wenn sie nicht gerade überfüllt sind. An sonnigen Wochenenden gleicht der Besuch aber oft einem Tetris-Spiel: Wo ist noch ein Platz im Buddelkasten? Welche Schaukel wird als nächstes frei? Und warum sitzt dieser kinderlose Mann seit Stunden auf der einzigen Bank?
Die gute Nachricht: Unsere Kinder lernen früh, soziale Kompetenzen zu entwickeln und sich durchzusetzen. Und wir irgendwie auch, denn nicht mit allen Eltern und ihren Erziehungsansätzen sind wir so wirklich einverstanden.
Die schlechte: Wir brauchen einen Plan B, C und D für regnerische Tage, wenn die wenigen Indoorspielplätze aus allen Nähten platzen.
#9 Kinder können sich weniger frei bewegen
Kinder auf dem Land können sich oft freier und selbstständiger bewegen. Stadtkinder können zwar allein zur Schule gehen, weil die aufgrund von kurzen Wegen durchaus in erlaufbarer Nähe ist ... Aber im Alltag werden sie oft länger von ihren Eltern begleitet. Denn in einer Großstadt lauern einfach jede Menge Gefahren.
Der Verkehr ist massiv, es kommen viele unterschiedliche Menschen auf kleinerer Fläche zusammen und es gibt leider auch mehr Konfliktpotentiale. Wir tun alles dafür, unsere Kinder zu beschützen, und manchmal trauen wir uns deswegen vielleicht auch weniger, sie loszulassen, als wir das auf dem Land, wo jede*r jede*n kennt, tun würden.
Kind ausbremsen
Ich finde am belastendsten im City-Life tatsächlich, dass wir unser entdeckungsfreudiges Kind lange bremsen mussten – und manchmal noch müssen, wenn es alleine losziehen will. Nur ein Grund: Die gefährliche Kreuzung nahe an unserem Zuhause. Es gibt hier auch immer wieder Unfälle – Stadt halt.
#10 Stadt als Bildungsraum
Museen, Bibliotheken, Theater, Konzerte: Die Stadt ist ein riesiger Bildungsraum, der Kindern unzählige Möglichkeiten bietet, Neues zu entdecken und zu lernen. Spontane Museumsbesuche, Stadtführungen oder der Besuch eines Kindertheaters bereichern den Alltag und fördern die Neugier und Offenheit unserer Kinder.
Diese kulturelle Vielfalt ist ein Privileg, das das Stadtleben mit sich bringt und das viele Herausforderungen aufwiegt.
Nicht ohne Bibliotheken
Ich bin eine große Befürworterin von Bibliotheken. Denn wo Platz eher Mangelware ist, sind Bibliotheken ein super Ort, um sich Dinge (nicht nur Bücher) auszuleihen und nicht dauerhaft zu Hause zu horten.
Bibliotheken sind nicht nur tolle Orte der Wissensvermittlung, sondern auch der Begegnungen. Denn wo, wenn nicht hier, kommt man mit anderen über ihre Lieblingsbücher, Inspirationen oder Ideen in Kontakt? Ein Grund dafür, warum wir jedes Wochenende in die Bibliothek gehen.
#11 Improvisieren lernen
Das Stadtleben lehrt uns und unsere Kinder die wertvolle Kunst des Improvisierens und der Anpassungsfähigkeit. Wenn der Spielplatz überfüllt ist, entdecken wir eben einen versteckten Innenhof. Wenn die Wohnung zu klein für eine Party ist, feiern wir im Park.
Diese Flexibilität ist eine wichtige Lebenskompetenz, die Stadtkindern in die Wiege gelegt wird und die ihnen später in vielen Lebenssituationen zugutekommen wird.
#12 Kurze Wege
Ein unschätzbarer Vorteil des Stadtlebens: Die kurzen Wege! Während Landeltern oft lange Strecken zur Arbeit, Schule oder zum Einkaufen zurücklegen müssen, ist in der Stadt vieles fußläufig oder mit kurzen Fahrten erreichbar.
Das bedeutet mehr Zeit für die Familie und weniger Stress durch Pendelei. Allerdings sind die öffentlichen Verkehrsmittel auch nicht immer das Wahre, denn wenn die überfüllt sind, wird auch ein kurzer Weg mit Kids zu einer echten Herausforderung für die eigenen Nerven.
#13 Es bleibt unser Zuhause
Am Ende des Tages ist es ganz einfach: Die Stadt ist unser Zuhause, unsere Heimat. Mit all ihren Ecken und Kanten, ihren Herausforderungen und Möglichkeiten.
Wir lieben das Gewusel, die Energie, die Vielfalt. Auch wenn wir manchmal vom Landleben träumen: Die Stadt mit ihrem pulsierenden Leben, den kurzen Wegen und den unendlichen Möglichkeiten ist genau der richtige Ort für unsere Familien.