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"Kann nur schiefgehen, oder?": Warum der Erziehungstrend FAFO Parenting es sich zu einfach macht

FAFO Parenting: Mama umarmt Kind
© Getty Images / Catherine Falls Commercial

Es gibt viele tolle Erziehungsratgeber und Influencer, die uns helfen, schwierige Situationen mit unseren Kids zugewandt anzugehen. Aber in dieser der Flut gehen die wichtigen Dinge dann manchmal unter. Und so frage ich mich: Brauchen wir Eltern wirklich noch einen Trend? Besonders, wenn er wie das gehypte FAFO Parenting zu gut klingt, um wahr zu sein. Das kann doch nur schiefgehen, oder?

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Wer zwischen Delfin-Eltern, Scaffolding Parenting und Crunchy Moms den Überblick behält, rollt jetzt vielleicht so wie ich mit den Augen. Denn wie soll man sich damit noch aufs Wesentliche konzentrieren? Kindererziehung ist schon fordernd genug, ohne noch irgendwelche Trends auszuprobieren. Und trotzdem suchen wir Eltern alle nach der Lösung für unseren Familienalltag und hoffen, sie da draußen zu finden.

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Als eine Podcast-Folge zum Thema von Kylie Kelce (Taylor Swifts "Schwägerin") viral ging und FAFO auf TikTok schwappte, bin ich deshalb hellhörig geworden. Denn die Beispiele sind super einfach. Und kommen mir als Montessori-Fan auch mehr als bekannt vor.

Wofür steht FAFO Parenting?

FAFO ist kurz für "Fuck around and find out" – frei übersetzbar mit "Scheiß machen und herausfinden". Das erklärt auch schon die Kernidee: Wir lassen unsere Kinder Fehler machen und herausfinden, was dann passiert. Aber ganz so einfach ist FAFO Parenting dann doch nicht – denn es zieht einen Rattenschwanz an Fragen und potenziellen Desastern hinterher.

Wie geht FAFO Erziehung?

Schnell wird klar: FAFO Erziehung ist die vereinfacht ausgedrückte Version von natürlichen Konsequenzen nach Montessori, nur als neu, simpel und trendy verpackt. Das ist schon hilfreich, denn: FAFO Parenting bietet sich in allen Situationen an, in denen die Sicherheit eures Kindes nicht infrage steht.

Das berühmte Beispiel: Euer Kind will keine Regenjacke anziehen? Gut! Dann wird es eben nass und lebt mit der Konsequenz, dass ihr eher nach Hause müsst. Lässt sich auch hier anwenden: Es will nichts zu Mittag essen? Fein, dann hat es später eben Hunger. Es möchte nicht ins Bett? Dann ist morgen eben müde oder kommt zu spät zur Schule.

  • Euer Kind trifft die Entscheidung, die es für richtig hält.
  • Wenn die negative Konsequenz eintritt, seid ihr für euer Kind da.
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Das ist die simple FAFO-Formel. Und das war's auch schon!

Kann das gut gehen?

Als Mama mit einigen Jahren Erfahrung mit natürlichen Konsequenzen und Wutanfällen denke ich mir sofort: Ja, es gibt Situationen, die so simpel sind. Aber natürlich auch viele Fälle, in denen sind klare Regeln und Grenzen genauso wichtig sind wie die Tatsache, dass ihr rechtzeitig eingreift.

Vielleicht aus Sicherheits-Aspekten, vielleicht weil ihr selbst keine emotionalen Kapazitäten mehr habt. Oder weil ihr so wie ich die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse mehrerer Kids mitdenken müsst. Und viele interpretieren FAFO auch einfach als Laissez-faire, das bei vielen Kids ungewollt noch mehr emotionalen Druck auslösen kann.

Wann FAFO Parenting funktionieren kann

Die Methode, wie Kinder aus ihrem Verhalten lernen, wird in der sanften Erziehung anstelle von Schimpfen und Strafen eingesetzt. Und funktioniert echt super, wenn sich echte logische Konsequenzen ableiten lassen. Denn mit FAFO habt ihr dann schon eine Win-win-Situation:

  • Ihr vermeidet einen Power-Struggle: Wer schonmal einen Machtkampf mit seinem Kind durchgestanden hat (also wir alle!), weiß: Sie sind unglaublich nervenzehrend für alle Beteiligten, bringen keinerlei gute Resultate und haben auch keinen Lerneffekt.
  • Euer Kind kann Verantwortung übernehmen: Indem sie in machbaren Bereichen ihres Lebens bestimmen dürfen, wird das kindliche Bedürfnis gestillt, alles selber zu machen.
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Wichtig, weil das bei den FAFO-Videos viel zu kurz kommt: Die Konsequenz darf einfach nicht sein, dass euer Kind krank wird oder auf andere Weise zu Schaden kommt. Sondern die, dass dann ein Erziehungsschritt folgt, der seine Sicherheit garantiert.

Auch FAFO schützt nicht vor der elterlichen Verantwortung. Und auch nicht vor Wutanfällen und anstrengenden Tagen. Dafür kann es Lösungen bieten, die vielleicht den Druck aus eurem Alltag nehmen. (Probiert dazu auch den Trend Lazy Parenting).

Das Gute an natürlichen Konsequenzen

Logische oder auch natürliche Konsequenzen sind Erfahrungswerte, mit denen unsere Kids die Welt besser kennenlernen können. Dazu sehen wir Eltern uns nicht in der Rolle, unserer Kids oder ihre Gefühle kontrollieren zu müssen. Wir begleiten sie emotional und ihnen zu helfen, daraus zu lernen. Um bei der Regenjacke zu bleiben:

Das nächste Mal zieht euer Nachwuchs vielleicht lieber die Jacke an, um länger auf dem Spielplatz bleiben zu können. Natürliche Konsequenzen stärken unsere Kids, aber auch unsere Eltern-Kind-Bindung: sie sind nachvollziehbar, gewaltfrei und nehmen uns die Rolle ab, "künstliche" Konsequenzen einzuführen ("Wenn du jetzt nicht dein Zimmer aufräumst, kommt das Tablet weg!")

"Gentle Parenting": Der Erziehungs-Trend kurz erklärt Abonniere uns
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Das kann bei FAFO Parenting schiefgehen

  • Situationsabhängig: Der Erziehungsstil funktioniert nicht in allen Situationen. Häufig können unsere Kids überhaupt nicht einschätzen, wie groß das Ausmaß ihrer Handlungen ist. Dann ist es wichtig, dass wir sie darin begleiten, Entscheidungen zu treffen. Und ihre Würde und Sicherheit schützen.
  • Funktioniert nur als Teil der sanften Erziehung: Dazu kommt, dass FAFO nur als Teil des Gentle Parentings und der autoritativen Erziehung funktioniert. Sobald die Konsequenz von den Eltern als Strafe gesehen wird, kann man nicht mehr von FAFO Parenting sprechen.
  • Kein Freifahrtschein für (emotionale) Vernachlässigung: Wir sehen immer mehr Videos auf TikTok, wo Eltern ihre Kids in FAFO Situationen bloßstellen: "Hab ich dir doch gesagt". Erziehung unter dem Namen der Gewaltfreiheit so darzustellen, ist natürlich kritisch.
  • Liebevolle Reaktion ist umso wichtiger: Abwertende oder hämische Reaktionen können eure Eltern-Kind-Bindung und auch das Selbstvertrauen eurer Kinder nachhaltig schädigen.
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Wir dürfen nicht vergessen, dass FAFO komplexe Situationen vereinfacht, die die Erziehung unserer Kids täglich aufwirft. Deshalb: Schätzt die Situation vorher ein, lehnt euch zurück, bleibt liebevoll und bestimmt.

Vielleicht ist FAFO dann genau der Trick, der euch hilft, das Thema Erziehung entspannter anzugehen und eure Kids zu stärken. Auch, wenn er uns weder vor der Verantwortung, noch vor der emotionalen Begleitung bewahrt, die zum Elternsein einfach dazugehören.