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Nicht schon wieder!

Schluss mit dem Spielzwang! Warum Kinder im Alltag oft mehr lernen als beim Spielen mit Eltern

Mutter und Kind spielen ein Rollenspiel
© Gettyimages/hobo_018

Dein Kind fragt dich schon zum fünften Mal, ob du jetzt gleich das Einhorn sein willst oder ihr noch eine Runde Kaufladen spielen könnt, und du stöhnst innerlich, weil du Rollenspiele nur nervig findest? Was die Entwicklungspsychologin in dieser Situation rät und warum gemeinsames Backen oder Bodenwischen für Kinder sogar viel spannender sein kann als eine künstliche Spielwelt.

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Spielen und Nachahmen ist zwar die wichtigste Form des Lernens für Kinder, da ist sich die Wissenschaft einig, aber das bedeutet nicht, dass Eltern auch ständig mitspielen müssen. Was wir nämlich zwischen all den "Mama, ich bin jetzt dein Hund und du musst mich füttern"- und "Spielen wir jetzt Kaufladen?"-Anfragen unserer Kids oft vergessen, ist: Sie brauchen eigentlich keine Anleitung zum Spielen – es ist tief in ihnen verankert und sie lernen es ganz von selbst, auch wenn wir nicht glückselig mit ihnen im Rollenspiel versinken.

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Warum Alltagsaufgaben wertvoller sein können als Spielzeug

Klingt nach guten Nachrichten für Rollenspiel-Verächterinnen wie mich: Seine Kids weniger mit Spielen, auf die man eh keine Lust hat, zu entertainen, sondern sie mehr in die Alltagsaufgaben mit einzubeziehen, die sowieso anfallen, "kann für Kinder sogar viel spannender sein als eine künstliche Spielwelt", betont Bettina Lamm, Entwicklungspsychologin und Professorin der Fachhochschule Dortmund, im Interview mit dem "Spiegel".

Gemeinsam Abendessen zubereiten, einen Kuchen backen oder die Böden wischen schaffe nicht nur Verbindung, weil sich die Kinder so in den Familienalltag mit einbezogen fühlen, das aktive Mithelfen biete auch authentische Lernerfahrungen. In vielen Kulturen sei es z. B. überhaupt nicht üblich, dass Erwachsene explizit mit Kindern spielen – stattdessen laufen die Kleinen im Alltag mit und lernen durch Beobachtung und Teilnahme, betont Lamm.

Wir dürfen ehrlich sein: Mama hat keine Lust!

Wenn du als Mama oder Papa also keine Lust auf ein vorgeschlagenes Spiel hast, darfst du das auch sagen. "Wichtig ist nur, dass man regelmäßig miteinander in Verbindung tritt", erklärt die Expertin. Aber diese Verbindung muss nicht zwingend durch Spielen entstehen. Gemeinsam auf dem Heimweg von der Kita einen Regenwurm betrachten kann wertvoller sein als eine halbherzige Runde "Mutter-Vater-Kind" oder "Mensch ärgere dich nicht" (bei der sich am Ende ja dann doch wieder mindestens ein Mensch ärgert, oder?).

Gesine Engels-Krone

Ich bin keine Entertainerin

Puh, diese Erkenntnis lässt mich aufatmen. Ich habe mir vor kurzem vorgenommen, nicht mehr mit meinen Kids zu spielen, wenn ich gerade keine Lust dazu habe und seitdem fällt bei uns öfters mal der Satz: "Ich bin nicht eure Entertainerin." Das klingt vielleicht harsch, aber ich mag einfach keine Rollenspiele und das müssen meine Kids an mir akzeptieren! Im Haushalt mithelfen dürfen sie hingegen jederzeit gerne...

Gesine Engels-Krone
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Gleichaltrige sind ideale Spielpartner

Noch ein Argument gegen mir verhasste Rollenspiele von der Expertin: Während Erwachsene sich immer künstlich auf die Kinderebene begeben müssen, sind andere Kinder automatisch auf Augenhöhe. Kinder sind also die idealen Spielpartner*innen für Kinder. "Erwachsene nehmen oft Rücksicht auf das Kind. Untereinander müssen Kinder Kompromisse finden", sagt Lamm. So werden sie im Spiel mit Gleichaltrigen sozial mehr gefordert, was sich positiv auf ihre Entwicklung auswirkt.

Poster

Weniger ist mehr: Vorsicht vor Überförderung

Heute bekommen Eltern oft später und weniger Kinder als frühere Generationen. Da wird der Erziehungsprozess sehr bewusst gestaltet. Die Expertin nimmt sich selbst davon nicht aus: "Als ich das erste Mal schwanger war, kam ich mit einem Stapel Büchern und Infomaterial nach Hause", erinnert sich Lamm. Doch sie warnt vor diesem Übereifer: Zu viele gut gemeinte Anreize können ihrer Einschätzung nach die Kreativität und intrinsische Neugier des Kindes unterdrücken. Kinder lernen von allein und sind von Natur aus neugierig auf ihre Umwelt.

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Kinder brauchen also keine perfekten Spielpartner, die stets gut gelaunt dazu bereit sind, in die Rolle von Einhorn, Verkäufer*in und Co. zu schlüpfen. Sie brauchen authentische Bezugspersonen. Ob ihr nun ehrlich begeistert mitspielt (was natürlich toll ist!) oder lieber gemeinsam den Alltag meistert – wichtig ist das regelmäßige in-Kontakt-Treten. Und wenn ihr das nächste Mal keine Lust auf Kaufladen und Co. habt, bietet doch stattdessen eine gemeinsame Aktivität an. Das ist kein Kompromiss, sondern kann sogar die bessere Alternative sein.