"Hallo, jemand zu Hause?", fragen sich viele Teenager*innen-Eltern, wenn sie mit ihren pubertären Kindern reden. Oft scheinen unsere Teenager*innen unsere Stimme wie durch einen Filter wahrzunehmen – besonders dann, wenn es um Aufräumen oder Hausaufgaben geht. Während du verzweifelt versuchst, durchzudringen, sind die Freund*innen plötzlich viel spannender. Keine Sorge, das liegt nicht an dir – sondern an der Biologie (das ist gut zu wissen, macht es aber nicht weniger frustrierend, oder?).
Was im Oberstübchen deines Teenies vorgeht? Das wissen wir auch nicht, aber wir bzw. die Wissenschaft weiß, was biochemisch im Gehirn gerade passiert: Es wird gerade komplett neu programmiert. Eine faszinierende Studie der Stanford School of Medicine hat jetzt gezeigt: Wenn dein Kind nicht mehr auf dich hört, ist das kein böser Wille, sondern ein völlig normaler biologischer Prozess. Das Gehirn schaltet einfach um – weg von den Elternstimmen, hin zu neuen sozialen Kontakten. Und das ist eigentlich eine richtig gute Nachricht (auch wenn es sich im Alltag mit dem Teenie-Kind nicht so anfühlt, wie wir selber wissen).
Mama ruft, aber niemand hört zu? So funktioniert der Gehirn-Switch
"Räum bitte den Tisch ab!" oder "Hast du schon für deine Klausur gelernt?" – Sätze, die scheinbar im Nichts verpuffen, während dein*e Teenager*in völlig vertieft am Handy hängt. Frustrierend, oder?
Die gute Nachricht: Es liegt nicht an mangelndem Respekt! "So wie ein Kleinkind die Stimme seiner Mutter wahrnimmt, so nimmt ein Heranwachsender neue Stimmen wahr", erklärt Daniel Abrams, klinischer Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Stanford Universität in einer Pressemitteilung. Das Belohnungssystem im Gehirn hat sich einfach umprogrammiert – und zwar völlig automatisch.
Von Mama-Radar zu Freunde-Fokus: Das steckt biologisch dahinter
Die Stanford-Forscher haben Teenager im Alter von 13 bis 16,5 Jahren untersucht und dabei etwas Erstaunliches festgestellt: Während Kleinkinder auf die Stimme ihrer Eltern regelrecht programmiert sind, reagiert das Teenager-Gehirn plötzlich stärker auf fremde Stimmen.
Im MRT konnten die Wissenschaftler sehen, dass bei Teenagern mehrere Hirnregionen besonders aktiv werden, wenn sie fremde Stimmen hören – darunter Bereiche, die für soziales Gedächtnis und die Filterung wichtiger Informationen zuständig sind. Dein Kind ist also biologisch darauf programmiert, sich von dir zu lösen und neue Bindungen zu knüpfen. Finden wir prinzipiell großartig, aber die damit einhergehende Ignoranz unserer elterlichen Kommunikation weniger.
"Ich hab's nicht gehört" – diesmal wirklich keine Ausrede!
Wenn dein*e Teenager*in beim dritten Rufen immer noch nicht reagiert, kannst du aufatmen: Es ist tatsächlich nichts Persönliches! "Wenn Teenager rebellieren, weil sie nicht auf ihre Eltern hören, liegt das daran, dass sie dazu veranlagt sind, Stimmen außerhalb ihres Zuhauses mehr Aufmerksamkeit zu schenken", erklären die Studienautoren.
Die Jugendlichen nehmen diese Veränderung übrigens selbst gar nicht bewusst wahr. "Man hat Freunde und neue Bekannte und möchte Zeit mit ihnen verbringen. Man reagiert zunehmend empfänglicher auf diese unbekannten Stimmen und fühlt sich von ihnen angezogen", erklärt Professor Abrams in einer Pressemitteilung der Stanford Universität.
Warum dieser Gehirn-Umbau eigentlich ein Grund zur Freude ist
Auch wenn es manchmal anstrengend ist – dieser Prozess ist entwicklungsbiologisch sinnvoll und wichtig! "Ein Kind wird irgendwann unabhängig, und das muss durch ein zugrunde liegendes biologisches Signal ausgelöst werden", erklärt Studienautor Vinod Menon.
Dieses Signal hilft deinem Teenager, sich mit der Welt auseinanderzusetzen und Kontakte zu knüpfen, die es ihm ermöglichen, auch außerhalb der Familie sozial kompetent zu sein. Im Grunde bereitet die Natur dein Kind also perfekt auf ein selbstständiges Leben vor – auch wenn das bedeutet, dass du dich manchmal wie Luft fühlst.
So haben die Forscher den Gehirn-Switch entdeckt
Die Wissenschaftler haben für ihre Studie einen cleveren Versuchsaufbau entwickelt: Sie ließen die Mütter der Jugendlichen drei Fantasiewörter aussprechen. Es wurden Nonsens-Wörtern verwendet, damit garantiert keine emotionale Verknüpfung mit dem Gesagten gab.
Anschließend wurden dieselben Wörter von zwei den Teenager*innen unbekannte Frauen wiederholt. Während die Jugendlichen im MRT lagen, konnten die Forscher beobachten, wie unterschiedlich ihr Gehirn auf die verschiedenen Stimmen reagierte. Das Ergebnis: Eine deutlich stärkere Aktivierung bei fremden Stimmen bei den älteren Kindern – ein klarer Hinweis auf den biologischen Umbau im Teenager-Gehirn.
Durchatmen und gelassen bleiben
Wenn dein Teenager-Kind scheinbar auf Durchzug schaltet, liegt das also nicht an mangelndem Respekt oder schlechter Erziehung (ok, manchmal vielleicht schon) – sondern an einem wichtigen biologischen Entwicklungsschritt. Das Gehirn deines Kindes bereitet sich auf die Ablösung vor und öffnet sich für neue soziale Kontakte. Auch wenn es manchmal anstrengend ist: Dieser Prozess ist völlig normal und sogar notwendig. Also durchatmen, Geduld haben und daran denken: Es ist nichts Persönliches – es ist einfach Biologie!
Wir können dieses neue Verhalten des Teenager-Gehirns übrigens nutzen: Wenn ihr eurem Kind etwas Wichtiges mitteilen wollt, lasst es von Freund*innen, Tanten, Onkeln oder anderen nicht direkten Bezugspersonen an die Kids herantragen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es hören und dann vielleicht auch umsetzen, deutlich erhöht.
Wie sind eure Erfahrungen mit euren pubertären Kindern? Hören sie euch zu? Oder ist das generell euer geringstes Problem mit euren Teenager*innen im Hormonchaos? Schreibt mir gerne eine E-Mail dazu.