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Urvertrauen

Ein Baby schreien lassen? Wissenschaftler und Elternherz sagen "Nein"

baby schreien lassen

Das eigene Baby schreien zu lassen, bringen viele Eltern nicht übers Herz. Müssen sie auch wirklich nicht, wie Wissenschaftler*innen und Studien bestätigen.

„Du musst nicht sofort aufspringen, wenn sie zu schreien beginnt!“, „Schreien macht die Lunge stärker!“ oder „Du verwöhnst ihn so doch total“ – die meisten Mütter haben solche Sätze wohl schon einmal gehört, wenn es um das Schreien lassen bei Babys geht. Vor allem von älteren Generationen kommt häufig der Ratschlag, Babys auch einfach mal schreien zu lassen, damit sie lernen, sich selbst zu beruhigen.

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Auch das umstrittene Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ lehrt Müttern und Vätern die sogenannte Ferber-Methode, um Kindern das Durchschlafen beizubringen. Auf der anderen Seite gibt es auch zahlreiche Stimmen, die sich entschieden dagegen aussprechen, das Baby schreien zu lassen – und auch der Elterninstinkt stellt sich meist vehement gegen solch eine Taktik.

Baby schreien lassen: Warum sollte man das verhindern?

Für manche Eltern kann die Ferber-Methode die Erlösung von nächtelangen Schreiattacken und Kämpfen um das Zubettgehen sein, trotzdem ist diese Taktik mit Vorsicht zu genießen. Studien und Expert*innen weisen immer wieder darauf hin, dass Schreien lassen nicht die geeignete Methode ist, mit kleinen Schreihälsen umzugehen – vor allem, wenn die Kleinen noch jünger als ein Jahr sind. In diesem Alter kann Schreien lassen fatal sein. Denn warum schreit ein Baby? Weil es einen Grund hat. Und weil es sich nicht anders verständigen kann. Wer das missachtet, riskiert, das Urvertrauen des Babys zu verletzen.

Dass das Trösten das Weinen noch verstärkt, gilt zumindest nicht für ein Baby unter einem Jahr - im Gegenteil.

"Weinende Kinder brauchen Trost und sollen ihn auch bekommen.“
Hartmut Kasten, Professor für Entwicklungspsychologie und Frühpädagogik

Der Rat von Experten lautet also: Wenn ein Baby schreit, sollten es Eltern umgehend beruhigen.

Außerdem können Säuglinge noch nicht durchschlafen, ihr Tag-Nacht-Rhythmus ist noch nicht ausreichend entwickelt. Auch reicht die Nahrung in den ersten Wochen nicht für die ganze Nacht. Zudem haben die kleinen Babys noch nicht gelernt, sich selbst zu beruhigen. Den Daumen als Beruhigungsmittel zu benutzen oder sich ins Bett zu kuscheln, müssen sie erst noch lernen – das braucht Zeit und kann durch Aufmerksamkeitsentzug nicht beschleunigt werden. Auch die La Leche Liga rät ausdrücklich von Schreien lassen und anderen Formen von Schlaftraining ab. Die Organisation ist der Meinung, dass der Druck von Außen und unrealistische Erwartungen an Eltern die anstrengende Babyzeit erschweren und rät Eltern deshalb, auf ihren Instinkt zu hören und Babys Bedürfnisse zu erfüllen.

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Zu wissen, dass das nächtliche Aufwachen normal ist und irgendwann aufhört hilft Eltern, ein positiveres Gefühl zu entwickeln. Viele Eltern bleiben aus Instinkt bei ihrem Baby, während es einschläft und vermeiden das aufwühlende Weinen. Manche Mütter entscheiden sich dafür, ihr Baby nachts direkt neben sich zu lassen und finden es so viel einfacher, als eine unrealistische Schlaf-Routine anzustreben.

La Leche League Großbritannien

Was passiert, wenn man ein Baby schreien lässt?

Wenn ein Baby schreit, aber von seinen Eltern nicht beruhigt wird, steigt sein Stresslevel. Es lernt schnell, auf eine Art Notfallprogramm im Gehirn umzuschalten, das dem Überleben in absoluter Todesbedrohung dient. Das alleingelassene Baby hat also Todesangst. In solch einer Situation kann sich das Gehirn nicht gut entwickeln, das Kind lernt nicht, mit Stress umzugehen.

Zwar zeigt eine australische Studie, die die Ferber-Methode mit anderen Zu-Bett-geh-Ritualen vergleicht, dass Babys, die nach der Ferber-Methode zu Bett gebracht wurden, keinen sofortigen Anstieg des Cortisol-Spiegels vorweisen. Doch über den Tag verteilt, zeigen sich bei den Ferber-Babys signifikante Veränderungen des Cortisol-Spiegels im Blut, wie eine Studie des Department of Child and Adolescent Psychiatry des Sophia Children's Hospitals in Rotterdam zeigt. Das Stress-System ist also reaktiver – es springt viel schneller an. Das Resultat sind Ängstlichkeit, Aggression oder Verhaltensstörungen.

Was bedeutet es für die Eltern, das Baby schreien zu lassen?

Die Studie der australischen Forschenden zeigt außerdem, dass die Anwendung der Ferber-Methode bei Müttern zwar zu einer kurzfristigen Senkung des Stresslevels führt, dieses nach drei Monaten aber auf das vorherige Niveau zurückkehrt. Eltern profitieren also auch nur für eine geringe Zeit vom Ferbern.

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Studien, wie die im britischen Magazin „New Scientist“ erschienenen Untersuchungen des Teams um Ian St James-Roberts vom Erziehungswissenschaftlichen Institut der Universität London, zeigen auch, dass Säuglinge, deren Bedürfnisse sofort gestillt werden, insgesamt deutlich weniger schreien als solche, denen die Eltern weniger Zeit widmen.

Kann man ein Baby zu sehr verwöhnen?

Im Zusammenhang mit der Schreien lassen-Debatte äußern viele Eltern auch die Angst, ihre Kinder zu sehr zu verwöhnen. Doch auch hier gibt es Entwarnung: Säuglinge und Kinder unter einem Jahr kann man kaum verwöhnen.

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„Bei den ganz Kleinen stehen körperliche Bedürfnisse im Vordergrund - da ist es nur natürlich, auf sie einzugehen und sie nicht allein zu lassen.“
Psychologie-Professorin Sabina Pauen

Im ersten Lebensjahr stehen vor allem die Versorgung der Grundbedürfnisse und liebevolle Fürsorge im Mittelpunkt, ein Verwöhnen ist hier kaum möglich. Ein Entziehen der Pflege kann dagegen fatal sein. Nähe und Körperkontakt zu einer Bezugsperson ist für Babys eine Art Normalzustand, es kommt praktisch mit dieser Erwartung zur Welt. Spürt es diese Nähe nicht, fehlt ihm Sicherheit. Es weiß nicht einmal mehr, ob seine Eltern überhaupt noch existieren. Nähe gibt dem Baby also Sicherheit. Es knüpft nicht die Verbindung: „Aha, wenn ich schreie, kommt jemand. Also schreie ich einfach ganz viel, damit Mama macht, was ich will.“

Die Auswirkungen von ständigem Körperkontakt von Kind und Bezugsperson wurden in einer lang angelegten Studie untersucht. Die Wissenschaftler verglichen das sogenannte Känguruhen, also intensiven und ständigen Körperkontakt mit Frühchen, mit traditioneller Versorgung von zu früh geborenen Kindern. Die Studie betrachtete dabei nicht nur die unmittelbaren Effekte des Känguruhens, sondern auch die Auswirkungen im Verlauf von 20 Jahren. Das Ergebnis: Die Frühchen, die das Känguruhen erfahren haben, wiesen 20 Jahre später einen höheren IQ und sogar besser bezahlte Jobs vor als die Kinder der Kontrollgruppe.

Ein „zu viel“ an Fürsorge oder Pflege kann es im ersten Leben des Babys also kaum geben.

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