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Experten-Interview

Rasenmähereltern: Warum sind diese Eltern derart besorgt?

Rasenmähereltern

Zugegeben, bei meiner Recherche zu diesem Artikel bin ich das erste Mal auf den Begriff "Rasenmähereltern" gestoßen. Eigentlich kommt der Begriff aus dem Englischen ("Lawnmower Parents") und wurde von einem anonymen Lehrer geprägt, der auf diesem Blog über seine Erfahrungen mit Eltern und Schüler spricht. 

Was sind Rasenmähereltern?

Nähern wir uns bildlich der Begriffsdefinition: Ein Rasenmäher mäht das Gras ab, ebnet einen Weg und schneidet mit dem eingebauten Messer einfach alles ab, was ihm in den Weg kommt.

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Und so kann man auch das Verhalten von Rasenmähereltern beschreiben: Sie mähen einfach jedes Problem und jede Herausforderung ab, die sich ihrem Kind in den Weg stellen, weil sie glauben, ihrem Nachwuchs damit etwas Gutes zu tun.

Sie tun alles, um ihr Kind vor Rückschlägen und Auseinandersetzungen zu bewahren und es schnell und sicher ans Ziel zu bringen. Misserfolge soll es nicht geben. Die Eltern bereiten ihre Kinder nicht auf Herausforderungen vor und begleiten sie hindurch, sie mähen sie einfach vorher schon ab, sodass das Kind von dem Problem gar nichts merkt. So erklärt es der Lehrer auf dem Blog.

Helikoptereltern oder Rasenmähereltern?

Rasenmähereltern sind also Helikoptereltern next Level, sozusagen. Während Letztere bildlich gesprochen über ihren Kindern schweben, immer präsent sind und versuchen ihre Kinder zu beschützen, gehen Rasenmähereltern weiter: Sie greifen in (scheinbar) problematisch werdende Situationen ein, bevor es überhaupt ein Problem gibt.

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Warum werden Eltern zu Rasenmähereltern?

Wir haben mit einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie gesprochen, warum es manchen Eltern schwer fällt, Konflikte der Kinder auszuhalten und was das für die Kinder bedeutet.

Die Eltern lieben ihre Kinder und wollen ihnen mit ihrem Verhalten nicht schaden, ganz im Gegenteil, sie meinen, sie helfen ihrem Nachwuchs. Letztendlich können wir das alle nachvollziehen und wir alle wollen unsere Kinder davor bewahren, negative Erfahrungen zu machen. Und nichts anderes versuchen Rasenmähereltern - sie wollen nur das Beste für ihren Nachwuchs.

"Eltern, denen es sehr schwer fällt, schwierige Phasen im Leben der Kinder auszuhalten und die mit diesen Spannungen nicht gut umgehen können, neigen dazu, alle Probleme „aus dem Weg zu räumen“ und wegzumähen.", erklärt uns Dr. Dierssen.

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Wenn dies andauernd geschieht, machen Kinder eine wichtige Lernerfahrung nicht: Sie müssen sich nicht mit Gefühlen wie Selbstunsicherheit, Zurückweisung oder dem Aufschieben von Bedürfnissen auseinandersetzen.

Dr. Oliver Dierssen, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

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Weiter rät der Experte: "Besonders achtsam sollten Eltern sein, wenn sie merken, dass sie selbst unter den Problemen der Kinder stark leiden, etwa durch anstrengendes Grübeln, Angst und Kummer oder Schlafstörungen. Hier ist es sinnvoll, zunächst einmal selbst Rat zu suchen. Nicht selten stecken auch eigene psychische Belastungen hinter dem Wunsch, es den eigenen Kindern so leicht wie möglich zu machen."

"Hellhörig werden sollten Eltern zudem, wenn sie befürchten, das eigene Kind könnte den Kontakt zu den Freunden verlieren – oder vielleicht sogar enttäuscht von den Eltern sein, wenn diese nicht immer jedes Problem aus dem Weg räumen. Die Angst, dass Beziehungen nicht gelingen, teilen viele Menschen. Gerade Eltern, die selbst unter Unsicherheit und Selbstwertzweifel in Beziehungen leiden, neigen dazu, diese Angst auf ihre Kinder zu übertragen.", so Dr. Dierssen.

Welche Folgen hat ein solches Verhalten für die Kinder?

Leider erreichen die überfürsorglichen Eltern mit ihrem Verhalten genau das Gegenteil. Kinder erfahren, dass sie wohl nicht in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu lösen. Dies schwächt das Selbstbewusstsein.

Dr. Oliver Dierssen führt weiter aus: "Einigen Eltern fällt es sehr schwer, Konflikte, die ihre Kinder haben, auszuhalten. Diese Eltern neigen dazu, diese Probleme selbst lösen zu wollen. Das kann auch negative Folgen haben."

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Kinder lernen ja am Modell der Eltern, wie man mit Anspannungen, Unsicherheit und auch Angst umgeht.
Dr. Oliver Dierssen

Sie lernen, dass sie Scheitern und negative Erfahrungen vermeiden müssen. Zudem erfahren Kinder nicht, mit Herausforderungen und Problemen umzugehen. Sie entwickeln keine Strategien und verlieren die Motivation, sobald es schwer wird.

Dies äußert sich dann beispielsweise in der Schule, wenn die Eltern "nicht den Rasenmäher anschmeißen können": Die Kinder verlieren schnell die Lust, wenn es nicht gleich klappt, sind frustriert und finden nicht selbstständig aus dieser Gefühlswelt hinaus.

Mähen Eltern zudem auch jede Konfliktsituation mit anderen Kindern ab, lernen die Kinder auch hier nicht, dies selbst zu lösen. Auch hier bekommen sie durch das vorschnelle Einmischen ihrer Eltern, dass sie wohl nicht selbst in der Lage sind, den Konflikt zu lösen. Darüber hinaus lernen sie es auch nicht.

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Warum sind auch Misserfolge für Kinder so wichtig?

Probleme selbst zu lösen, ist für Kinder so wichtig. Es sind Erfolgserlebnisse und sie stärken das Selbstbewusstsein. Zudem hilft es zu lernen, Emotionen, Impulse und Frustration zu kontrollieren. Kindern, denen alle Entscheidungen abgenommen wurden, können auch im Erwachsenenalter nur schwer eigene Entscheidungen treffen und vor allem mit den Konsequenzen nicht umgehen.

Fehler dürfen sein, daraus können Kinder lernen und erleben vor allem auch, dass die Welt nicht untergeht. So entwickeln sie keine Ängste. Es bedeutet ja nicht, dass wir Eltern einfach zuschauen müssen, wie unsere Kinder Fehler machen und sie damit alleine lassen. "Liebevoll Begleiten" ist das Stichwort.

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Quellen: scoyo Elternmagazin, Institut für integrative Lerntherapie und Weiterbildung

Sarah Plück

Verständnis für alle

Wir alle machen uns doch Sorgen um unsere Kinder und können wahrscheinlich deswegen auch Rasenmähereltern verstehen. Trotzdem müssen wir (alle) uns manchmal einfach zurück nehmen und unsere Kinder mal machen lassen. Es ist so wichtig, dass sie ihre eigenen Erfahrungen und Fehler machen dürfen. Wir können sie einfach nicht 24/7 behüten und das wäre auch nicht gut. Weder für uns Eltern noch für die Kids.

Sarah Plück

Bildquelle: Gettyimages/SbytovaMN