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Kinder brauchen klare Worte

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Halbherzige Botschaften überfordern Kinder. Ein eindeutiges „Nein“ dagegen gibt ihnen Sicherheit, ein ebenso klares „Ja“ stärkt ihr Selbstvertrauen.

„Na, soll Mama jetzt mal zur Arbeit gehen?“ Was für eine Frage beim Abschied im Kindergarten. Natürlich nicht! Kinder möchten lieber mit der Mama in der Bauecke Klötzchen stapeln. Ein eindeutiges „Tschüss, ich gehe jetzt“ wäre einfacher und konfliktfreier gewesen. Denn kleine Menschen, die gerade erst lernen, wie die Welt, die Sprache und das Miteinander funktionieren, brauchen Klarheit und keine kommunikativen Verwirrspiele, sonst verstehen sie nämlich nur eines: Bahnhof.

Kinder beobachten Gestik und Mimik sehr genau

Kinder lernen erst noch, wie die Welt funktioniert. Da brauchen sie klare Worte.

Aber ohne es wirklich zu wollen, senden wir oft „Doppelbotschaften“ aus, wie Kommunikationswissenschaftler das nennen. Wir sagen zum Beispiel halbherzig "nein" und grinsen dabei, für Kinder ein klares Startsignal für noch mehr Schabernack. Unsere Mimik und Gestik werden von unseren Kleinen nämlich sehr genau beobachtet:
➤ 55 Prozent der Kommunikation mit Kindern laufen über Körpersprache, Mimik und Gestik
➤ 38 Prozent über den Klang unserer Stimme
➤ 7 Prozent vermittelt sich den Kindern über den Inhalt, den Sinn der Worte
„Kinder kommunizieren ganzheitlich. Sie hören nur auf Worte, wenn sie stimmig zu Tonfall, Gestik und Mimik passen“, sagt der Familienberater Dr. Jan-Uwe Rogge.

Kurz und bündig - das verstehen Kinder

Oft reden wir auch einfach zu viel auf unsere Kinder ein. Aber die sind ganz schön schlau: Schnell lernen sie, dass sie der elterlichen Geräuschtapete nicht allzu viel Beachtung schenken müssen. Sollte mal etwas wirklich Wichtiges dabei sein, wird es garantiert noch mal gesagt. Das beobachtet auch die Hamburger Erzieherin Nadine Burow: „Die Eltern meinen es gut, aber manchmal erklären sie zu viel und diskutieren zu lange – sogar mit den ganz Kleinen.“ Und merken dabei nicht, dass ihre Kinder längst abgeschaltet haben oder die ausführlichen Begründungen überhaupt noch nicht verstehen kann. Oder sie reden weiter, obwohl das Kind längst verstanden hat. Der Kommunikationsprofi Jan-Uwe Rogge bestätigt diese Beobachtungen und rät: „Je jünger ein Kind ist, desto klarer müssen die Worte sein. Kurz und knapp ist viel besser als lang und ausführlich.“

Nein sagen, wenn man nein meint

Kurz und klar, das bedeutet auch: nein zu sagen, wenn man nein meint. Und dabei zu bleiben. Das macht den Alltag leichter, für Eltern genauso wie für Kinder. Denn mit ausweichenden Formulierungen oder halbherzigen Verboten kommen Kinder am Ende schlechter zurecht, als mit einer eindeutigen Ansage. „Ein Nein bedeutet immer Frustration und Enttäuschung. Aber es ist etwas, das Kindern, wenn sie erwachsen geworden sind, täglich im Leben begegnen wird“, sagt der Wiesbadener Pädagoge Dr. Holger Schlageter. „Und wenn Erziehung einen Sinn hat, dann doch den, die Kleinen auf ihr Leben später möglichst optimal vorzubereiten.“
Ein Nein der Eltern gibt dem Kind die Chance, zwei Dinge zu lernen: 1. Ich brauche nicht jedes Bedürfnis sofort erfüllt bekommen, sondern kann auch warten oder ganz verzichten. 2. Ich kann Frustration und Enttäuschung aushalten.
Aber auch das Nein braucht seine Regeln, um seine positive Wirkung entfalten zu können. Es sollte wohldosiert und niemals aus einer bloßen Laune heraus eingesetzt werden – oder gar als Liebesentzug gemeint sein.

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Kinder beeindruckt ein 'Nein' und sie kopieren es

Die mächtige Wirkung des kleinen Wortes beeindruckt Kinder natürlich. Und es dauert nicht lange, da trompeten sie es uns auch entgegen: „Nein, das will ich nicht!“ Kinder beschließen zum Beispiel einfach, den Teller nach dem Essen nicht mehr in die Küche zu tragen. Jeden Tag das gleiche Spiel. So etwas kann, je nach Stresslevel und Laune, ganz schön an den Nerven zerren. Die folgenden Strategien können Eltern helfen, in solchen Situationen gelassen zu bleiben.
Reagieren Sie wenig: Lassen Sie sich nicht provozieren. Diskutieren oder Ärger bewirken vor allem, dass das Kind merkt: „Wenn ich rebelliere, beschäftigen sich meine Eltern mit mir.“
Geben Sie (möglichst) nicht nach: Es ist verführerisch, das trotzige Nein des Kindes zu akzeptieren, damit Ruhe ist. Das Kind lernt so allerdings, dass Protest und Widerstand ein wirksames Mittel sind, um Wünsche durchzusetzen.
Seien sie selbstkritisch: Haben Sie Ihre Aufforderung vielleicht als Frage formuliert? Dann darf ein Kind auch nein sagen. Wenn es aber keine Entscheidungsmöglichkeit gibt, sollten sie das auch genau so sagen.
Humor hilft: Kinder haben eine gehörige Lust am Provozieren – schon die ganz kleinen. Solchen Grenzüberschreitungen begegnet man oft am besten mit Humor – oder indem man sie übersieht.

Kleine Kinder können Ansagen nicht auf ihr Gesamtverhalten übertragen

Strafen führen zu Frustration und beschädigen die Beziehung.

In den ersten beiden Lebensjahren können Kinder den Sinn eines Neins nicht verstehen, sondern nur reflexhaft darauf reagieren. Sie erkennen am Tonfall oder am harten Klang des Wortes, dass etwas nicht stimmt – und halten vielleicht inne. Doch bei nächster Gelegenheit werden sie wieder schauen wollen, was passiert, wenn man einen vollen Wasserbecher umdreht. Die Überlegung: „Papa hat einmal nein gesagt. Also soll ich grundsätzlich kein Wasser ausschütten“, kann ein Kleinkind überhaupt noch nicht leisten. Wenn es seine „Missetaten“ wiederholt, dann nicht, weil es ungehorsam ist oder um die Eltern zu ärgern, sondern aus Neugier. Es erledigt schlicht seine Entwicklungsaufgabe.
„Strafen sind in solchen Situationen ganz unangemessen. Statt zu einem Lernprozess führen sie nur zu Frustrationen und beschädigen die Beziehung zwischen Eltern und Kindern“, sagt die Rosenheimer Kinderpsychologin Dr. Christiane Kaniak-Urban. Also alles geschehen lassen? Natürlich nicht. Doch weil der Erkundungsdrang eines Babys grundsätzlich etwas sehr Positives ist, sollten Eltern so viel wie möglich mit Lob arbeiten und richtiges Verhalten positiv bestärken, so die Expertin. Und diese Empfehlung gilt über die ganze Kindheit hinweg. Denn ein herzliches, zugewandtes Ja zu all den wunderbaren Lebensäußerungen, den drolligen Ideen und großen und kleinen Heldentaten ist genauso bedeutsam für die Entwicklung eines Kindes wie die Konsequenz beim Nein. Positive Rückmeldungen bestärken und ermutigen Kinder. Das hilft ihnen dann auch, Grenzen leichter zu akzeptieren.

Wer einmal 'Nein' sagt, sollte fünfmal 'Ja' sagen

Der amerikanische Beziehungsexperte John Gottman rät Paaren: Wer einmal kritisiert, sollte seinen Partner danach fünfmal loben. Für Kinder gilt die 1:5 - Regel genauso: Auf ein Nein sollten sie mindestens fünfmal hören, dass sie eine prima Idee hatten, etwas fein hinbekommen haben oder einfach, dass sie ein rundherum wunderbares Kind sind. Zum Glück geben sie uns jeden Tag ganz viele Anlässe, das festzustellen.

Bildquelle: Thinkstock