Für alle von uns stehen andere Werte und Prinzipien im Vordergrund, die wir unseren Kindern gerne vorleben und mitgeben wollen. Als Grundbausteine können sie uns im Alltag helfen, unsere Erziehung zu priorisieren und zu navigieren. Also fragt euch: Was ist euch in eurer Familie WIRKLICH wichtig? Zur Inspiration haben wir 7 Werte für euch, die eure Kinder stärken – und ganz nebenbei für ein harmonisches Familienleben sorgen. Dabei könnt ihr sie ganz individuell so umsetzen, wie es zu eurer Familie passt!
#1 Verlässlichkeit
Menschen, auf die man sich verlassen kann wie auf niemanden sonst – vielleicht ist das die schönste Definition von Familie. Sich ohne Wenn und Aber angenommen fühlen, sich angstfrei ausprobieren und Fehler machen dürfen: Das bietet in dieser Absolutheit wohl keine andere zwischenmenschliche Beziehung. Und wie schön ist die Gewissheit, dass kein Streit ums Aufräumen und keine noch so große Dummheit daran etwas ändern kann.
„Ein besonderer Eigensinn der Familie liegt darin, dass sich die Liebe wie in einem Perpetuum Mobile verstärkt und selbst erneuert“, sagt z. B. der Ratgeberautor Reinhard Winter.
Es ist jenes Wissen um die bedingungslose und niemals endende Liebe von Eltern, Großeltern und Geschwistern, das Kinder stark und zuversichtlich macht. Und genau auf diesem Fundament wächst das Selbstvertrauen, das es erst ermöglicht, Neues zu wagen, Herausforderungen anzunehmen und auch mal Rückschläge zu verkraften. Und: Wer selbst Verlässlichkeit erleben durfte, kann sie später leichter in die eigene Familie hineintragen.
#2 Gegenseitiger Respekt
„Kinder müssen Erwachsenen mit Ehrfurcht begegnen!“ Es ist wenige Jahrzehnte her, dass dieser Anspruch auch das Verhältnis von Eltern und Kindern prägte. Heute wissen wir: Eltern, die wollen, dass ihr Kind zu einer selbstbewussten und kreativen Persönlichkeit heranreift, sollten nicht von oben nach unten „regieren“. Stattdessen ist es wichtig, dass unser Verhältnis von gegenseitigem Respekt geprägt wird.
Aber was genau bedeutet das? Unsere Rollen als Eltern und Kinder sind schließlich sehr unterschiedlich. „Eltern haben alle Trümpfe in der Hand. Sie haben Macht, Wissen, Geld, Fähigkeiten – aber auch viel Verantwortung“, sagt Reinhard Winter. Ein Kind mit Respekt zu behandeln bedeute, dieses Übergewicht nicht auszunutzen.
Und auch der dänische Familientherapeut und Autor Jesper Juul nennt einige Fallen, in die wir Eltern häufig tappen. Zum Beispiel die, die er als „elterliche Definitionsmacht“ bezeichnet, indem wir unserem Kind einen Stempel aufdrücken ("Dafür bist du zu jung!"). Für eine harmonische Eltern-Kind-Beziehung rät Juul auch von ergebnisorientierten Methoden ab, etwa manchen Einschlafprogrammen.
Als Leitfaden für ein respektvolles Miteinander nennt er die „Gleichwürdigkeit“: Sie zielt nicht darauf, die natürlich vorhandene ,Übermacht' der Eltern zu leugnen oder abzuschaffen. Vielmehr dazu, „die Wünsche, Anschauungen und Bedürfnisse“ aller Familienmitglieder ernstzunehmen, zuzuhören, Entscheidungen zu besprechen. Kinder, die Respekt erfahren, fühlen sich gehört – und sind gerade deshalb sensibel, rücksichtsvoll und offen für Argumente.
#3 Ehrlichkeit
„Der Moment, in dem Kinder das Lügen für sich entdecken, ist ein wichtiger, denn dann wird ihnen klar, dass Eltern nicht allmächtig sind“, sagt Elterncoach Reinhard Winter. Sobald der Nachwuchs begreife, dass man sich mit Flunkern Vorteile verschaffen kann, sei es normal, dass dies auch getestet werde. „Nur wer Lügen ausprobiert, erlebt seine negativen Folgen, z. B. ein schlechtes Gewissen oder Ärger und Enttäuschung, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.“ Und: Nur wer die Möglichkeit hat zu lügen, kann sich bewusst dagegen entscheiden. Aber auch wir Eltern können dazu neigen, die Wirklichkeit zurechtzubiegen. Klar, dass wir auch dabei unseren Kindern als "Vorbild" dienen.
Tipp: Erklärt euren Kindern, wann Ehrlichkeit wichtig ist und wann kleine Notlügen erlaubt sind (etwa, um die Gefühle anderer zu schonen). Macht den ehrlichen Umgang in eurer Familie zum Alltag. Und habt keine Angst vor Fehlern: Wer seinem Kind gegenüber Fehler eingesteht, zeigt: Auch Schwächen haben ihren Platz – und müssen nicht „weggelogen“ werden.
#4 Vertrauen
„Das schaffst du schon!“, „Probier’s einfach noch mal“, „Ich bin stolz auf dich!“ – die Bestärkung durch uns Eltern ist der Treibstoff, den unsere Kinder für die Entdeckung der Welt benötigen. Nur wenn wir unserem Kind vertrauen, können wir es glaubwürdig ermuntern, eigene Erfahrungen zu sammeln, selbstständig zu werden, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Versuchen wir hingegen, unser Kind von ersten Schrittchen an beraten, beschützen und kontrollieren zu wollen, erreichen wir das glatte Gegenteil. Denn was als Fürsorge gedacht ist, wirkt verunsichernd. Und die Botschaft lautet dann unbewusst: Du allein kriegst es sowieso nicht hin. Keine Angst, liebe Helikopter-Eltern, hier bei uns gibt es Hilfe!
Wer es anders probiert, macht die wunderbare Erfahrung: Kinder, die spüren, dass man an sie geglaubt, wachsen oft über sich selbst hinaus. Mehr tolle Sätze und Anregungen lest ihr in unserem Artikel zum Thema Resilienz stärken.
#5 Verantwortung
Familie ist ein enges Geflecht von (Liebes)beziehungen. Sie ist aber auch ein großes Projekt, bei dem Menschen gemeinsam das Ziel verfolgen, gut miteinander zu leben. In diesem System können Kinder von Beginn an lernen, sich als Teil einer Sache zu fühlen, mitzudenken und ihren Fähigkeiten entsprechend Verantwortung zu tragen.
Ebenso wichtig ist es für Kinder aber zu lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen, betont Jesper Juul. Grundidee: Nur wer die Möglichkeit bekommt, eigene Gefühle und Überlegungen zum Maßstab seines Handelns zu machen, kann gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, authentische Entscheidungen treffen und sich davor schützen, dominiert oder ausgenutzt zu werden. Eigenverantwortung könnten Kinder laut Juul etwa von Beginn an für ihren Geschmack und Appetit übernehmen, später dann z. B für Körperpflege und Kleidung sowie die Auswahl ihrer Freunde.
#6 Empathie
Anderen zuhören, ihren Blickwinkel einnehmen und versuchen, sie zu verstehen – was klingt, als wäre es im Umgang mit anderen eine Selbstverständlichkeit, ist eine bedeutsame soziale Fähigkeit. Und auch wir Erwachsenen haben hier meistens Verbesserungsbedarf.
Denn Empathie ist eine wichtige Grundlage für gelingende persönliche und berufliche Beziehungen sowie das erfolgreiche Einfügen in eine Gruppe – und damit auch fürs Lebensglück. Eine Familie, in der liebevolle Rücksichtnahme und gegenseitiges Interesse gelebt werden, ist der ideale Ort, um Einfühlungsvermögen zu üben. „Nirgendwo können Kinder stärker erleben, was es bedeutet, ein ,Wir‘ zu sein, als in der Familie; sie ist der Gegenakzent zu Egoismus und Individualismus“, sagt Reinhard Winter.
#7 Gelassenheit
Konkurrenzdenken, Leistungsdruck, Mental Load, Freizeitstress, digitale Datenflut: Schon Kinder sind vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Abschirmen können wir sie davon nicht; aber wir können ihnen eine gelassene Grundhaltung mitgeben, die ihnen hilft, sich gegen Überforderndes abzugrenzen. Dabei ist nichts so wirkungsvoll wie unser Vorbild: Wenn uns Große so schnell nichts aus dem Gleichgewicht bringen kann, überträgt sich diese Stärke auch auf seinen Nachwuchs. Wie ihr im Alltag gelassener werdet, lest ihr bei uns unter Lazy Parenting und Achtsamkeits-Tipps für Eltern.
Reinhard Winter warnt deshalb davor, uns durch Perfektionismus unnötig selbst unter Druck zu setzen – und das besonders in Erziehungsdingen. Wunderschön hat das Jesper Juul ausgedrückt:
„Im Leben geht es nicht darum, sich ,richtig‘ oder gar ,perfekt‘ zu verhalten, sondern darum, dem ganzen Chaos einen Sinn zu entlocken.“
Jesper Juul, Familientherapeut und Autor
Weshalb sind Familienwerte so wichtig?
Nie zuvor waren die Zusammenhänge, in denen Kinder aufwachsen, so vielfältig, nie war die Freiheit, Familie zu gestalten, so groß wie heute. Und: Noch nie standen wir Eltern vor so vielen Fragen und Entscheidungen. „Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Druck auf Familien hat nachgelassen. Heute beruht es viel stärker auf einer freien Entscheidung, zusammen zu sein“, sagt Reinhard Winter. Das schenke uns Eltern die Freiheit, auf die Qualität unserer Familienbeziehungen zu achten. Es entstehe aber auch der Zwang, sich zu fragen: Was hält uns eigentlich zusammen?
„Die Zeiten, in denen alle wussten, was ,man‘ zu tun hat, was richtig und falsch ist, sind vorbei“, sagt auch Jesper Juul. Stattdessen liegt es an uns Eltern, eine eigene Autorität aufzubauen – und diese könne nur auf festen Werten und Prinzipien beruhen, die als Navigationspunkte dienen.
„Wir müssen Familie als Mini-Gesellschaft, als Mikrokosmos verstehen, in dem Kinder das leben und lernen, was sie brauchen, um in der Welt zurechtzukommen“, sagt die Diplom-Psychologin Dr. Angelika Faas. Werte können uns bei dieser großen und schönen Aufgabe als Kompass dienen, der uns bei den vielen großen Fragen und kleinen Problemen des Familienalltags die Richtung zeigt – und den wir ganz selbstverständlich an unsere Kinder weiterreichen, sobald sie beginnen, ihre eigenen Wege zu gehen.
Dieser Kompass kann und soll nicht bestimmen, wie wir unser Zusammenleben im Detail und ganz persönlich gestalten. Es geht darum, die Grundlagen im Auge zu behalten, die für ein warmes, gelingendes Zusammenleben in der Familie nötig sind.
Unsere Buchtipps zu Familienwerten
• "Was Familien trägt" von Jesper Juul (Beltz): Klug, warmherzig, gut lesbar: Dieses „Orientierungsbuch“ für Eltern des dänischen Familientherapeuten ist wärmstens zu empfehlen!
• "Familie – eine Gebrauchsanweisung" von Reinhard Winter und Claudia Stahl (Beltz): Kluger Ratgeber für Eltern. Die Autoren stellen die Liebe in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zum Familienglück.
• "Herzensbildung" von Christiane Kutik (Freies Geistesleben): Kinder sehnen sich nach Werten, so die These der Autorin. Mit praktischen Anleitungen zeigt sie, wie Eltern Kindern einen Leitfaden fürs Leben vermitteln können.
Hier seht ihr die wichtigsten Erziehungsstile im Überblick:
Bildquelle: Getty Images/Mladen Zivkovic
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