Im Gegensatz zu Männern haben wir Frauen eine begrenzte Fruchtbarkeit und diese ist sehr individuell. Dennoch lässt sich der Kinderwunsch eben aus vielen Gründen nicht immer schon frühzeitig realisieren. Sogenannte Fruchtbarkeitstest geben Auskunft darüber, wie lange Eizellen produziert werden. Kinderwunsch-Experte Dr. Christian Gnoth verrät, wie diese funktionieren und was er von den neueren Heimtests hält.
Warum die weibliche Fruchtbarkeit begrenzt ist
Der gesamte Vorrat an Eizellen wird schon beim weiblichen Embryo angelegt. Mit der Geburt verfügen Mädchen bereits über ein Kontingent von eine Million Eianlagen. Dieses Kontingent bildet die gesamte Fruchtbarkeitsreserve der Frau: Ihr Körper bildet keine neuen Eizellen mehr und die Zahl der Eianlagen nimmt kontinuierlich ab.
Bereits zum Zeitpunkt der ersten Periode sind nur noch 500.000 Eianlagen vorhanden. Etwa 400-500 davon kommen im Laufe des Lebens zum Eisprung, die übrigen werden abgestoßen. Das Eizellen-Depot der Frau wird also mit zunehmendem Alter kleiner und kleiner. Je jünger eine Frau, desto mehr Eizellen hat sie.
Spätestens ab 35 geht es in die "kritische Phase" über, denn Studien zeigen, dass bereits jetzt die Eizellenreserve bei mehr als jeder 10. Frau stark vermindert ist. Dazu kommt, dass bereits ab dem 30. Lebensjahr immer häufiger Eizellen mit auffälligem Erbgut springen. Die Risiken für eine Fehlgeburt und andere Komplikationen während der Schwangerschaft steigend daher leider mit zunehmendem Alter der Frau.
Die potentielle Fruchtbarkeit ermitteln
Die Fruchtbarkeit ist und bleibt aber ein sehr individueller Faktor. Während manche Frauen auch mit 40 Jahren noch Chancen haben, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, kann es in diesem Alter bei anderen Frauen schon zu spät für eine natürliche Schwangerschaft sein. Deshalb fragen viele Frauen ab 30 dann häufiger ihre Gynäkologen: Kann man vorhersagen, wie lange ich noch fruchtbar bin und Eizellen produziere?
Wir haben bei Priv.-Doz. Dr. Christian Gnoth, Gynäkologe und Kinderwunsch-Experte vom Grevenbroicher Endokrinologikum & IVF-Zentrum nachgefragt. Dr. Gnoth bestätigt: „Ja, das geht mit einem ausführlichen Fruchtbarkeitstest. Wichtigste Parameter dafür sind das Anti-Müller-Hormon (AMH) und das Alter der Frau.“
So funktioniert ein Fruchtbarkeitstest beim Arzt
Das Anti-Müller-Hormon wird mittels einer Blutuntersuchung bestimmt und lässt Rückschlüsse über die Reserven der Eianlagen zu: je niedriger der AMH-Wert, desto erschöpfter ist das Eizellen-Depot. Aber: „Das AMH kann vielfältig interpretiert werden und ist immer in Zusammenhang mit den Hintergründen und den Lebensumständen zu betrachten.“, betont Dr. Gnoth. „Ein niedriges AMH kann ein schlechtes Zeichen sein, muss es aber nicht. Das Alter und andere Faktoren spielen da auch noch eine Rolle.“
Anhand des AMH-Werts und anderer Fruchtbarkeitsfaktoren können Kinderwunsch-Experten wie Dr. Gnoth individuelle Prognosen zur Fruchtbarkeitsreserve einer Frau von bis zu fünf Jahren abgeben. Ein solcher Fruchtbarkeitstest wird in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen und beläuft sich auf ca. 30 bis 50 €. Manchmal kann für eine zuverlässige Prognose zusätzlich eine Ultraschall-Untersuchung der Eierstöcke hinzugezogen werden, dann steigen die Kosten auf etwa 100 bis 200 €.
Ebenfalls können eine Hormonuntersuchung, Gebärmutterspiegelung oder Bauchspiegelung notwendig sein. Je nach individuellem Fall entscheiden die behandelnden Ärzte, welche Untersuchungen nötig sind. Ob die Krankenkasse die Untersuchungen übernimmt, hängt davon ab, ob sie einen medizinischen Grund haben. Sprecht am besten ebenfalls mit euren Ärzten darüber.
Fruchtbarkeitstest für Zuhause
Seit ein paar Jahren haben Frauen die Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeitsreserve mit einem Fruchtbarkeitstest ganz ohne Arztbesuch von Zuhause aus bestimmen zu lassen. Mit einem Heimtest soll man herausfinden können, wie es um den Eizellenvorrat steht und wie lange man noch auf natürlichem Weg schwanger werden könnte. Ziel dieser Heimtests ist es, den Frauen unkompliziert und ohne vorherigen Arztbesuch eine Orientierung zu geben, wie lange sie noch Zeit haben, mit dem Kinderwunsch zu warten bzw. sich rechtzeitig über alternative Möglichkeiten zu informieren.
Heimtest: Durchführung und Kosten
Der Test für zu Hause basiert auf der Untersuchung des AMH-Werts in Kombination mit einem Fragebogen zur Lebenssituation. Für die Blutuntersuchung bestellen sich die interessierten Frauen ein Testkit mit dem nötigen Zubehör und einer Anleitung zur selbstständigen Blutentnahme und schicken es dann per Post an den Anbieter wie z.B. Avery oder Juno. Neben der Angabe von zusätzlichen Gesundheitsdaten, Alter und Gewohnheiten bekommt man nach der Blutuntersuchung einen personalisierten Befund. Anbieter wie Avery bieten der Frau danach auch ein Gespräch mit einem oder einer Reproduktionsmediziner*in an.
Die Kosten liegen bei solchen Heimtests meist weit über 100 €. Zur Erinnerung, der Bluttest in der Frauenarztpraxis oder Kinderwunschklinik kostet zwischen 30 und 50 €. Der Test für zu Hause ist also deutlich teurer. Liegt eine medizinische Begründung für den Test vor, wird er sogar von den Krankenkassen übernommen. Wenn ihr ein Gespräch mit einem Experten hinzubuchen möchtet, fallen dafür auch nochmal Kosten an.
Niemand kann versprechen, ob ihr schwanger werdet
Ein Fruchtbarkeitstest kann euch Auskunft darüber geben, wie es um euren Eizellenvorrat bestellt ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ihr noch auf natürlichem Wege schwanger werden könnt. Doch da zu einer erfolgreichen Schwangerschaft immer noch zwei gehören, sagt er euch nicht, ob die Schwangerschaft auch erfolgreich sein wird. Über die Spermienqualität des Mannes kann nur ein Spermiogramm etwas aussagen. Er kann auch ebenfalls nicht versprechen, dass ihr auch durch Geschlechtsverkehr schwanger werdet. Da kann es viele weitere Einflussfaktoren geben, wenn es nicht (sofort) klappt. Lasst euch in diesem Fall einfach rechtzeitig medizinisch beraten, welche Möglichkeiten es z.B. für künstliche Befruchtung gibt. Ich habe meine Tochter dank ICSI bekommen und wünsche dieses Glück jedem Kinderwunsch-Paar, das auf natürlichem Weg nicht schwanger werden kann.
Kritik am Heimtest: Das sagt der Kinderwunscharzt
Der Kinderwunsch-Experte Dr. Gnoth betont, wie wichtig eine umfassende Beratung vor und nach einem Fruchtbarkeitstest für die Patientin ist. Dass diese Leistung bei Heimtests mittels eines Fragenbogens und Telefonats erbracht werden, hält er für unzureichend. Insbesondere, dass die ausführliche Befundbesprechung nicht inklusive ist, stößt ihm sauer auf.
An der Zuverlässigkeit der Fruchtbarkeitstests zweifelt Dr. Gnoth jedoch nicht. „Es gibt standardisierte Verfahren und nur wenige Anbieter für die Auswertung solcher Bluttests. Das heißt, wenn es keine Anwendungsfehler bei Blutentnahme und -transport gibt, gehe ich davon aus, dass z.B. die Ergebnisse der österreichischen Kollegen von Juno korrekt sind.“ Dennoch rät er allen Frauen, die sich bezüglich ihrer Fruchtbarkeit unsicher sind, sich in erster Linie an ihren Frauenarzt zu wenden oder eine Kinderwunschklinik aufzusuchen.
"Wichtig ist ja schon der Grund, warum eine Frau den Test machen will. Macht sie ihn, weil sie Probleme damit hat, schwanger zu werden, ist eine fachliche Beratung beim Kinderwunsch-Experten sowieso unerlässlich, der im Zweifel selbst einen Fruchtbarkeitstest (mittels AMH-Messung und Ultraschall, Anm. Redaktion) machen würde."
Dr. Gnoth, Gynäkologe und Kinderwunschmediziner
Fruchtbarkeitstest beim Arzt vs. Heimtest
Was ist nun also "besser": der Fruchtbarkeitstest beim Arzt bzw. der Ärztin oder der "Juno Fruchtbarkeitstest" für Zuhause? Fest steht: Beide Varianten können bei der korrekten Durchführung seriöse Ergebnisse liefern. Unterschiede gibt es lediglich im Preis und in der Art und Weise der Beratung und ggf. weiteren Behandlung. Folgende Punkte solltet ihr daher bedenken:
- Nehme ich das Warten auf einen Termin und gegebenenfalls die Anfahrt zum Kinderwunschexperten in Kauf oder bestelle ich mir das Testkit lieber bequem nach Hause?
- Bin ich bereit, mindestens 149 € für einen Heimtest auszugeben, auch wenn der Fruchtbarkeitstest in einer Kinderwunsch-Praxis vermutlich günstiger wäre?
- Traue ich mir zu, mir mithilf des Testkits selbst Blut abzunehmen oder könnte ich gegebenenfalls einen Arzt (kann auch der Hausarzt sein) darum bitten?
- Reicht mir eine telefonische Beratung nach dem Test aus oder lege ich Wert auf ein persönliches Beratungsgespräch in der Klinik bzw. Praxis?
Wenn ihr noch unter 20 seid und euch fragt, wie es um eure Eizellen bestellt ist, kann ein Heimtest sicher eine schnelle Möglichkeit sein. Doch wenn euer Zyklus z.B. unregelmäßig ist oder ihre andere organische Probleme habt, die eure Fruchtbarkeit einschränken könnten, solltet ihr euch in persönliche ärztliche Behandlung begeben. Im Video zeigen wir, welche Wege der künstlichen Befruchtung es gibt:
Bildquelle: Getty Images/Ridofranz
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