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Cybergrooming: Online-Gefahr für unsere Kinder

Cybergrooming die Gefaht aus dem Internet

'Cybergrooming' ist ein Begriff, den viele Eltern wohl nicht kennen. Aber die Gefahr, die dahinter steht, die ist uns wohl allen bewusst. Die Angst, dass unseren Kinder etwas passiert, wenn sie online unterwegs sind, die ist bei vielen Eltern einfach sehr diffus. Zeit, das mal mit einem Experten zu besprechen.

Wir haben mit dem bekanntesten und wichtigsten Cyberkriminologen Deutschlands gesprochen. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger beschäftigt sich am Institut für Polizeiwissenschaften der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg mit der Frage, wie entsteht Kriminalität im Netz und wie kann man dem begegnen. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit hat er dabei insbesondere auf die Risiken und Gefahren die Kinder und Jugendlichen im Netz drohen, gelegt. Er ist also der Experte schlechthin, wenn es um Cybergrooming geht.

Cybergrooming: Dr. Thomas Gabriel Rüdiger
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Herr Dr. Rüdiger, was sind denn die aktuellen Gefahren für Kinder im Netz?

Die Frage ist ja, gibt es denn überhaupt rein spezifische Gefahren für Kinder? Eigentlich nicht. Aber es gibt natürlich bestimmte Risiken, die man damit verknüpft. Da haben wir eine Vielzahl an Risiken, gerade im Sexualdeliktsbereich. Das reicht vom klassischen Cybergrooming, also dem onlinebasierten Anbahnen des sexuellen Kindesmissbrauchs, mit dem ich mich besonders beschäftige, bis hin dazu, dass Kinder unerwünscht sexuelle Inhalte, sogenannte Dick Pics zugesendet bekommen. Gerade letzteres ist ein Phänomen, dass alle Altersgruppen vermehrt betrifft. Darüber hinaus haben wir auch immer Themen wie Cybermobbing, Stalking und momentan ist auch die Konfrontation mit extremistischen Nutzern ein großes Problem.

Haben sich die Gefahren im Netz durch Corona verändert?

Das kann seriös noch nicht beantwortet werden, dazu fehlt einfach noch die gesicherte Datenlage. Ich kann aber eine erste Einschätzung abgeben. Und da gehe ich davon aus, dass die Konfrontationsraten mit digitalen Risiken ansteigen werden. Einfach auch weil alle Menschen vermutlich noch mehr Zeit im Netz verbringen. Wie viele Eltern sagen gerade jetzt vermutlich „Komm, ich muss arbeiten, du kannst an die PS4 oder geh ans Handy“.

Dabei muss man eins bedenken: Wir haben in der Vergangenheit häufig über die Risiken für Kinder gesprochen. Aber genauso wichtig ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche bei all diesen Delikten selbst mit steigender Tendenz als Tatverdächtige in Erscheinung treten. Deswegen müssen wir jetzt nicht nur vermehrt aufpassen, dass die Kinder und Jugendliche im Netz Opfer werden, sondern auch, dass sie selbst nicht als Tatverdächtige in Erscheinung treten. Vor allem auch, weil diese ja viel mit Gleichaltrigen in Kontakt stehen und ja da wird auch Sexualität bei 13-, 14- oder auch 15-Jährigen in ihrer digitalen Kommunikation eine Rolle spielen. Wenn Kinder aber nicht auch über die rechtliche Situation aufgeklärt werden, können sie sich ganz schnell strafbar machen.

Müssen Eltern sich sorgen, dass ihr Nachwuchs jetzt von Fremden im Netz angesprochen wird?

Es sind nicht nur die Fremden, die über das Netz Kinder ansprechen, es gibt auch viele Fälle, in denen es Täter sind, die die Kinder aus dem physischen Raum bereits kennen. Eltern mussten aber schon immer drauf achten, diese Gefahr ist jetzt nicht neu durch Corona.

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Corona wird aber die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Kinder mit unbekannten Tätern in Kontakt kommen. Weil Kinder gegenwärtig relativ unkontrolliert in einen digitalen Raum gelassen werden, der keine physischen Grenzen kennt und nicht für Kinder abgesichert ist. Teilweise wird es zudem im digitalen Raum als Normalität empfunden, wenn Erwachsene und ältere Jugendliche mit ihnen unbekannten Kindern spielen und interagieren. Daraus kann eine Vielzahl an sexuellen Übergriffen, aber auch anderen Gefahren für Kinder, entstehen.

Cybergrooming: Grenzen gibt es nicht

Problematisch ist auch: Nicht mal mehr Sprachengrenzen schützen mehr Kinder. Nach dem Motto, der Täter kann kein Deutsch oder Englisch. Durch die automatischen Übersetzungen ist es so, dass Kinder mittlerweile weltweit allen Tätern ausgesetzt sind, wenn sie im Netz unterwegs sind.

Was bedeutet Cybergrooming?

Cybergrooming bedeutet in Deutschland, dass ein Täter auf ein Kind einwirkt in der Vorstellung, dass wenn er mit dem Kind intensiv redet, oder chattet er damit den sexuellen Missbrauch des Kindes ermöglicht oder fördert. Teilweise können die Täter aber auch die Wohnorte der Kinder lokalisieren, auch wenn die Kinder diese selbst nicht angeben. Dies kann durch die Kombination von Informationen aus Sozialen Medien erfolgen. Wenn Eltern oder andere Bezugspersonen also selbst öffentliche Accounts unterhalten, können die Täter dann Wohnorte, Schule aber auch Aspekte wie Hobbys, Geschwister usw. herauslesen. Dass das ein Risiko darstellen kann, ist eigentlich offensichtlich.

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Aber der Täter kommt ja nicht zur Tür rein? Wovor soll ich als Elternteil denn eigentlich Angst haben?

Dem hypersexuellen Cybergroomer geht es aber gar nicht um ein physisches Treffen. Er will erreichen, dass das Kind ihm Nacktbilder sendet, oder nur mit ihm über sexuelle Themen chattet. Das Ziel ist, Material zu erhalten mit dem er das Kinder erpressen kann. Es gibt Fälle, da drohen Täter damit, die Eltern oder Geschwister des Kindes umzubringen, deren Namen oder Adressen sie wiederum im Netz gefunden haben. Aber auch konkrete Drohungen, dass dem Kind selbst was passiert, wenn es kein Nacktbild sendet. Wenn das Kind das Bild aber sendet, würde der Täter sofort aufhören. Und mit jedem Bild kommt das Kind immer tiefer in den Kreislauf. Die Täter gehen sehr unterschiedlich, aber häufig sehr aggressiv vor und die Eltern kriegen das typischerweise nicht mit.

Aber wie kann das sein?

Die Kinder wenden sich teilweise nicht an die Eltern, weil sie fürchten, dass ihnen das Handy weggenommen wird. Für mich ist das ein Resultat aus einem Grundproblem. Viele Eltern machen sich keinen Kopf, sie geben ihren Kindern einfach ein Smartphone, weil ja alle eins haben. Sie bereiten ihre Kinder aber gerade nicht hinreichend auf digitale Risiken oder auch auf Rechtsfragen im Netz hinreichend vor, machen sich teilweise gar keinen Kopf darüber. Wenn Kinder dann aber mit digitalen Risiken konfrontiert werden, dann haben sie halt Angst, dass Eltern mit einem Handyentzug reagieren.

Und genau das ist aus meiner Sicht ein Fehler. Wenn Eltern ihren Kindern ein Smartphone in die Hand geben, dann müssen Eltern vermitteln, dass die Kinder immer kommen können, egal was ist, und dass sie darüber reden. Es gibt Fälle, da wollten Kinder lieber mit der Polizei reden, als mit den Eltern. Und es gibt Kinder, die bitten die Polizei, sie sollte die Eltern auch nicht informieren was passiert ist, weil die Kinder Angst hatten, dass ihnen dann das Smartphone / WhatsApp/ das Onlinespiel weggenommen wird.

Aber Eltern benutzen doch selber Smartphones, die wissen doch was so online los ist.

Wir alle werden mit unerwünschten Inhalten konfrontiert, wenn es keine Dick Pics sind, dann halt die täglichen Phishing Emails oder Kontaktanfragen in Sozialen Medien. Eltern erleben auch digitale Übergriffe im Netz, ich nenne das Digitale Kriminalitätstransparenz. Das ist im Prinzip genau dasselbe. Aber viele Erwachsene denken über diese Phising-Mails kaum nach, weil sie Normalität sind.

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Es gibt offenbar eine Art Unrechtskultur im Netz, und weil das so ist, machen sich Eltern nicht unbedingt einen Kopf, weil es eben normal ist. Außerdem ist es natürlich viel Arbeit, sich mit der Medienwirklichkeit der Kinder auseinanderzusetzen. Ich empfehle ja immer, dass Eltern die Apps und Spiele der Kinder nutzen. Nur welche Eltern sind wirklich auf Instagram und TikTok, oder wer spielt auch mal ein Onlinespiel?

Machen Sie nicht auch Informationsveranstaltungen? Dann wissen Sie doch, wie Eltern mit dem Netz umgehen!

Es sind fast immer nur die Interessierten, die bei so etwas erreicht werden. Die große Masse eher nicht. Da sitzen im Prinzip „die Falschen“, weil diese Eltern ja schon interessiert sind. Wir müssen aber auch die Eltern erreichen, die überhaupt keine Affinität zu Onlinemedien haben.

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Aus Medienstudien wissen wir, dass Eltern eher in der Lage sind junge Kindern bis etwa 10 bis 12 Jahren in der Mediennutzung zu begleiten. Sobald die Kinder aber in das Teenageralter kommen, wo sie gerade aktiv die Interaktionsfunktionen Sozialer Medien nutzen, sind Eltern immer weniger dazu in der Lage. Das deutet daraufhin, dass Eltern in der Lage sind, eine Art Wischkompetenz zu vermitteln, aber nicht, eine tiefer gehende Medienkompetenz.

Cybergrooming durch Medienkompetenz verringern

Das ist ein Problem. Wie man z.B. auf Instagram Fotos likt ist weniger Medienkompetenz als die Frage: Wann darfst du denn ein Foto hochladen, was ist mit Beleidigungen in Onlinespielen? Wann darfst du eine andere Person um ein Nacktfoto bitten? Das hat viel mit Kenntnissen um Recht zu tun und das haben ja teilweise Eltern selbst nicht. Wir haben wie erwähnt in fast allen digitalen Deliktsbereichen, von der Verbreitung von kinderpornografischen Schriften bis zur digitalen Hasskriminalität steigende Zahlen an minderjährigen Tatverdächtigen. Nur wer vermittelt den Kindern, wenn sie in einen globalen digitalen Raum über Smartphones gelassen werden, was strafbar ist und was nicht. Meiner Erfahrung nach kaum jemand, was die steigenden Tatverdächtigenzahlen auch indiziert.

Dass sich Kinder durch das Teilen von Nacktbildern selbst strafbar machen können, das wissen wohl nur die wenigsten Eltern, oder?

Man muss auch sagen, wer hat ernsthaft Lust seiner 13-jährigen Tochter zu erklären, dass wenn sie sexualisierte Bilder von sich anfertigt ggf. strafbare Kinderpornografie produziert und wenn diese es an ihren 14-jährigen Freund sendet, sich alle Beteiligten strafbar machen könnten. Dasselbe gilt aber auch für Jugendliche, die in der Form Jugendpornografie produzieren deren Verbreitung und der Besitz unter gewissen Umständen strafbar ist. Es gibt da echte gesellschaftliche Probleme über die gesprochen werden muss. Nicht selten werden mit solchen Themen auch die Lehrer konfrontiert und alleine gelassen.

Was ist denn heutzutage anders als früher?

Vermutlich jeder hat in seiner Jugend auch Normen gebrochen, das ist ganz normal. Jede Beleidigung eines Mitschülers kann beispielsweise strafbar gewesen sein. Ein Unterschied ist aber, dass das niemand irgendwie aufgenommen hat. Heute wird über Schulchats beleidigt, durch die Smartphones ist zudem immer eine Kamera dabei, viel wird gefilmt, fixiert und wandert nicht selten ins Netz. Was das bedeutet, diese Transparenz und Fixierung von Normenbrüchen, wissen wir noch gar nicht hinreichend.

Cybergrooming: Wann soll man mit Kindern über die Gefahren im Netz sprechen?

Spätestens ab der Einschulung. Aber darüber sprechen heißt nicht, es ihnen zu ermöglichen. Ich bekomme oft die Frage, wann Eltern ihren Kindern ein Handy erlauben sollten. Dann frage ich zurück: Wann lässt du dein Kind das erste Mal allein den Schulweg laufen? Normalerweise geht gemeinsam den Schulweg ab, redet über Risiken, fährt vielleicht mit dem Fahrrad hinterher. Man kann es nicht an der Zeit festmachen, sondern an der Feststellung: Habe ich meinem Kind alle Risiken vermittelt? Habe ich alles erklärt, was passieren kann? Das kann man für den Schulweg gut einschätzen, weil Eltern sich mit den Verkehrsregeln gut auskennen. Kein Kind macht ihnen was vor im Straßenverkehr. Und das muss auch fürs Netz gelten.

Brauchen wir einen Test fürs Netz?

Eigentlich ja! Eine Art Medienführerschein wäre wünschenswert. Der Gedanke hinter der regulären Fahrerlaubnis ist ja, dass der Staat sehen will, dass wir die Verkehrsregeln beherrschen, die technische Anwendung ist nicht das primäre Ziel. Es gilt der Gedanke: nur weil Menschen im Straßenverkehr groß werden, müssen sie nicht per se alle Regeln verinnerlicht haben.

Im Netz scheint ähnliches zu gelten. Nur weil mittlerweile auch die erste Elterngeneration mit Medien aufgewachsen ist, heißt das ja nicht, dass sie sich automatisch auch auskennt. Wir wollen aber ja, dass die Regeln beherrscht werden, damit Eltern diese an die Kinder weitergeben können. Kinder bekommen die Verkehrsregeln vornehmlich von ihren Eltern beigebracht, in der Schule wird das häufig nur wiederholt. Das gibt es für Medien nicht. Es gibt in Deutschland noch immer nicht an den Schulen flächendeckende Medienkompetenzvermittlung.

Maßstab für Medienkompetenz: Die Kinder, deren Eltern sich nicht interessieren

Mir ist aber noch ein weiterer Gedanke wichtig. Der Maßstab für Schutz im Netz sollten nicht die Kinder sein, deren Eltern sich für den Schutz der Kinder interessieren. Im Straßenverkehr haben diese Kinder, die sonst nicht von ihren Eltern geschützt werden, einen Vielzahl an Mechanismen, die die Risiken für sie minimieren, beispielsweise den Bürgersteig. Dieser schützt sie davor, überfahren zu werden, auch, wenn die Eltern keine Verkehrsregeln vermitteln. Im Netz haben wir das in der Form nicht. Es gibt keine digitalen Bürgersteige. Dafür müssten wir über Altersverifikation oder Ähnliches nachdenken, das gibt es ja faktisch nicht.

Internet: Ein Ort, eher für Erwachsene

Ein Grund ist aus meiner Sicht, auch, dass das Netz von Erwachsenen für Erwachsene erschaffen wurde, und die Interessen von Kindern keine Rolle spielte. Ein wirklicher Schutz von Kindern im Netz würde nämlich im Umkehrschluss vermutlich auch Einschränkungen für das digitale Leben von Erwachsene bedeuten. Das beispielsweise Pornografie mit einem Mausklick aufrufbar ist, oder dass unbekannte Erwachsene ganz selbstverständlich mit ihnen völlig fremden Kindern in Onlinespielen zusammenspielen können. Normalerweise würde, wenn ein Fremder auf dem Spielplatz ein unbekanntes Kinder anspricht und mit ihm spielen will, nicht selten die Polizei gerufen werden. Oder eine Polizeistreife kommt vorbei und wird auf das Geschehen aufmerksam. Im Netz gibt es so einen gesellschaftlichen Schutz kaum.

Aber brauchen wir nicht auch mehr sichtbare Polizei im Netz?

Aus meiner Sicht schon.

Aber warum ist da noch so wenig?

Häufig wird mir die Frage gestellt: Ist das Internet nun ein rechtsfreier Raum? Das Netz ist zwar kein rechtsfreier Raum, aber es ist ein Raum mit einer offenbar so geringen Wahrscheinlichkeit für eine Straftat auch verfolgt zu werden, dass es einem strafverfolgungsfreien Raum ähnelt. Dabei muss man wissen, dass nach einer Erhebung von Ende 2017 nicht einmal 1% des Personals der Polizei in Deutschland für das Netz zuständig war. Selbst wenn es sich bis jetzt verdoppelt haben sollte, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gerade verbringen Menschen vermutlich sehr viel mehr Zeit im Netz und die Kriminalität verlagert sich noch weiter ins Digitale.

Auch Erwachsene werden Opfer von Cybergrooming

Dabei sollte man wissen, Kriminalität entsteht in den meisten Fällen aus zwischenmenschlicher Interaktion und Kommunikation. Früher passierte das auf der Straße, Überfälle, Raub, Vergewaltigungen. In Zeiten von Corona verlagert sich das vermehrt in die eigenen vier Wände und ins Netz. Müssten dann nicht auch die Sicherheitsbehörden ihre Ressourcen vermehrt ins Netz verlagern?

Wo soll ich mich denn hinwenden, wenn mir im Netz was passiert?

Natürlich an die Polizei. Viele dieser angesprochenen Phishing Mails könnten ein versuchter strafbarer Betrug sein und zur Anzeige gebracht werden. Nur wer macht das schon? Diese akzeptierte Normalität von digitaler Kriminalität zu durchbrechen, das kann ein gesellschaftliches Ziel sein. Im physischen Raum würden viele solche Betrugsversuche ja viel eher zur Anzeige bringen.

Das Internet: ein globaler Kriminalitätsraum?

Das Netz ist gegenwärtig ein weitestgehend ungesicherter globaler Kriminalitätsraum, in dem Kinder häufig ohne eine grundlegende Vorbereitung hineingelassen werden.
Dr. Thomas Gabriel Rüdiger

Interessanterweise hat eine aktuelle Studie ergeben, dass gerade Kinder mit den höchsten digitalen Kompetenzen, gleichzeitig die sind, die die höchsten Konfrontationsraten mit digitalen Risiken aufweisen. Dies ergibt auch einen gewissen Sinn, denn Kindern, denen man hohe digitale Fähigkeiten zutraut, werden vermutlich auch eher unkontrolliert in den digitalen Raum gelassen. Dabei muss man aber bedenken, dass wir über Kinder reden.

Wieso sollte ein Kind mit digitalen Fähigkeiten in der Lage sein einem Sexualtäter oder Extremisten im Netz stand zuhalten? Nur der Verweis auf Medienkompetenz erscheint mir beim Schutz von Kindern daher als zu wenig. Wir sollten vielmehr über eine Art digitaler Generalprävention nachdenken, die unterschiedliche gesellschaftliche Schutzmechanismen von der Vermittlung von Medienkompetenz durch Eltern und Schule, über die Verpflichtung von Betreibern Kinder effektiver zu schützen bis zu einer höheren Strafverfolgungswahrscheinlichkeit vereint.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview!

10 Tipps gegen Cybergrooming

Auch wenn es natürlich unfair ist, dass die Tipps gegen Cybergrooming sich an die Opfer richten, sie sind nötig. Denn die Täter*innen werden von allein nicht mit ihrem Verhalten aufhören und die Strafverfolgungsbehören stehen diesem Problem noch recht machtlos gegenüber.

  1. Nutzt die Privateinstellungen: Eigentlich sollte jeder Mensch, der sich online aufhält, dies aus Selbstschutz tun. Das gilt umso mehr für Kinder. Tickt in den Privateinstellungen alles so an, dass wirklich nur ein kleiner, vertraulicher Kreis die Möglichkeit zum Kontakt hat.
  2. Benutzt im Chat nie euren richtigen Namen: In den Chatrooms und anderen Anwendungen sollte man nie den richtigen Namen verwenden.
  3. Keine Nicknames, die auf das Alter hinweisen: Auch bei der Wahl des Nicknames ist Vorsicht geboten. Dodo2010 lässt schon das wahre Alter erahnen.
  4. Keine Porträts: Auf Profilfotos sollten die Kinder nicht zu erkennen sein.
  5. Wählerisch bei Kontakten sein: Nie wahllos andere den eigenen Kontakten hinzufügen - das gilt für alle, aber besonders für Kinder.
  6. Keine persönlichen Informationen preisgeben: Falls aber doch mal andere in die Kontakte hineingeraten sind, sollten die Kinder äußerst verschlossen auf Aufforderungen und Anfragen reagieren. Also keine Informationen preisgeben, wie alt man ist, wo man zur Schule geht oder wie die Adresse lautet.
  7. Keine Videos und keine Fotos mit Unbekannten tauschen: Wenn man schon die persönlichen Informationen nicht preisgibst, sollte man noch vorsichtiger mit Fotos und Videos sein. Unbekannte bekommen so etwas nie!
  8. Zu intime Fragen - gleich den Eltern erzählen: Das ist das Allerwichtigste - die Kinder müssen das Vertrauen haben, es euch zu sagen, wenn jemand sie virtuell bedrängt. Macht ihnen deutlich, dass sie sich nicht schämen müssen, sondern dass sie sich damit schützen.
  9. Blockieren: Zum Glück kann man unangenehme Zeitgenossen virtuell blockieren. Auch sollten die Kinder sie den zuständigen Stellen des Chats oder der Social-Media-Plattform melden.
  10. Keine Verabredungen mit Unbekannten: Auch das ist wichtig - Kinder sollten sich nie allein mit jemanden, den sie nur aus dem Internet kennen, verabreden. Wenn sie es doch tun möchten, geht mit und nehmt das Gegenüber unter die Lupe.

Cybergrooming: Auch Kinder können Täter werden

Es ist wohl für alle Eltern besonders schockierend, dass die eigenen Kinder auch zu Tätern werden können, auch wenn das überhaupt nicht deren Ziel ist. Vermutlich haben die wenigstens Eltern darüber schon mal nachgedacht. Umso wichtiger, dass wir mit unseren Kindern im Kontakt bleiben, wenn sie online unterwegs sind. Denn nur, wenn wir interessiert und aufmerksam sind, können wir merken, wenn sich etwas bei unseren Kindern verändert, wenn sie Opfer von Cybergrooming werden.

Cybergrooming: Eltern müssen informiert bleiben

Es fühlt sich bedrohlich an, wenn Eltern klar wird, dass ihr Nachwuchs nun nicht nur in der Realität Opfer werden kann, sondern eben auch virtuell. Das klingt harmlos, kann aber Leben zerstören. Und mit Jugendlichen darüber sprechen, dass sie sich selbst ebenfalls strafbar machen können, ist elementar wichtig. Das viel zitierte Neuland Internet ist es einfach in vielen Bereichen wirklich noch. Und wir Eltern müssen damit Schritt halten. Vielleicht ist es deswegen auch eine gute Idee, sich eben für Schutzmechanismen stark zu machen, Medienkompetenzschulungen (und Test für Eltern und Kinder) zu fordern.

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Andrea Zschocher

Mein Fazit

Ich glaube, es ist nie zu früh mit den Kindern über das Internet und die Gefahren sprechen, die dort lauern können. Im Interview wurde mir noch einmal mehr klar, wie viel wir Erwachsene so hinnehmen, obwohl auch das nicht ok ist. Einfach, weil wir es so gewohnt sind.

Da müssen wir wohl genauer hinschauen, um unsere Kinder zu stärken und sie gleichzeitig auch zu sensibilisieren. Denn wer von uns weiß schon im Alltag immer, wann und ob sich Kinder im Netz strafbar machen. Ich finde den Appell, dass Eltern immer ansprechbar sein müssen, enorm wichtig.

Andrea Zschocher

Bildquelle: getty images / ClarkandCompany
Dr. Thomas Gabriel Rüdiger