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Chronisch krank

Schwangerschaft und MS

MS, also Multiple Sklerose, ist unheilbar, und der Verlauf ist unvorhersehbar. Das und andere Unwägbarkeiten bei dieser chronischen Erkrankung des Nervensystems verunsichert viele Frauen. Bedeutet MS automatisch den Verzicht auf Kinder?

Multiple Sklerose ist eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems. Das erste Mal tritt sie zumeist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, also just in eben jenem Lebensabschnitt, in dem man sich intensiver mit dem Thema Familienplanung befasst. Multiple Sklerose ist die häufigste chronisch-neurologische Erkrankung bei jungen Menschen. Und Frauen erkranken doppelt so häufig daran wie Männer. MS äußert sich mit unterschiedlichen Symptomen und bei jedem Menschen anders, weshalb sie auch die Krankheit mit den 1000 Gesichtern genannt wird. Wegen dieser Unvorhersehbarkeit überlegen sich manche Frauen, ob sie nicht lieber auf Kinder verzichten sollen.

Liebevolle Unterstützung ist für schwangere MS-Patientinnen besonders wichtig.
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Schwangerschaft und MS – die Krankheit mit den 1000 Gesichtern

In Deutschland haben mehr als 200.000 Menschen MS, weltweit schätzt man die Zahl der Erkrankten auf zweieinhalb Millionen. Bis heute ist MS auch für Ärzte und Forscher eine rätselhafte Krankheit: Man weiß nicht, wie sie ausgelöst wird, wie eine Verschlimmerung vermieden werden kann, und es gibt noch immer kein Mittel zur Heilung. Es können lediglich Symptome und Beschwerden behandelt werden, das aber heutzutage schon ziemlich gut.

Symptome der Multiplen Sklerose

Bei einer MS-Erkrankung wendet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und greift die Schutzschicht der Nervenzellen des zentralen Nervensystems an. Zurück bleiben Vernarbungen in Gehirn und Rückenmark: die multiplen Sklerosen. Symptome und Folgen dieser Krankheit sind ganz unterschiedlich. Bei einem schubförmigen Verlauf gibt es immer wieder Ausbrüche unterschiedlicher Intensität und in nicht vorhersehbaren Abständen, mit zum Teil beschwerdefreien Phasen zwischendurch. Bei der progredienten MS, also mit einem fortschreitenden Verlauf, verschlimmert sich die Erkrankung immer weiter. Die Folgen können in beiden Fällen unter anderem eine Einschränkung der Sehfähigkeit sein, Blasenfunktionsstörungen, spastische Lähmungen an den Extremitäten sowie extreme Erschöpfungszustände, die man Fatigue nennt.

Schwangerschaft und MS – ein Wagnis?

Die Tatsache, dass die Krankheit unheilbar ist und ihr Verlauf unvorhersehbar, lässt viele Frauen zweifeln, ob es überhaupt sinnvoll ist oder vielleicht sogar gefährlich sein könnte, ein Kind zu bekommen. Vielleicht stellst auch du dir vor allem diese Fragen:

  1. Schadet meine MS-Erkrankung dem Kind?
  2. Wird mein Kind später auch an MS erkranken?
  3. Verschlimmert die Schwangerschaft meine Krankheit?
  4. Was muss ich während der Schwangerschaft tun oder lassen?
  5. Kann man trotz MS Kinder aufziehen?
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Schwangerschaft und MS – was gibt es zu beachten?

Noch vor wenigen Jahrzehnten haben Neurologen einer MS-kranken Frau von einer Schwangerschaft abgeraten. Inzwischen jedoch haben glücklicherweise viele Studien gezeigt, dass es Frauen während der Schwangerschaft trotz MS gesundheitlich gut geht und auch befürchtete Schübe nach der Geburt nicht automatisch auftreten müssen.

Hier findest du die Antworten auf deine wichtigsten Fragen:

1. Schadet meine MS-Erkrankung dem Kind?
Auch wenn die MS der Familienplanung und einer Schwangerschaft nicht im Weg steht: Eine ausführliche ärztliche Aufklärung ist dringend erforderlich, vor allem, wenn du medikamentös behandelt wirst. Denn bei vielen Medikamenten gegen die MS ist eine Gefährdung des Ungeborenen durchaus möglich. Zum Beispiel müssen Medikamente, die das Immunsystem stimulieren oder dämpfen, vor einer geplanten Schwangerschaft rechtzeitig, am besten ein halbes Jahr zuvor, abgesetzt werden. Bei diesen Medikamenten kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass sie den Fötus schädigen. Wenn du während einer laufenden Immuntherapie schwanger wirst, muss diese Therapie sofort beendet werden. Doch inzwischen gibt es die Möglichkeit einer kurzzeitigen Therapiephase mit Langzeitwirkung, ohne dass du fortwährend Medikamente einnehmen musst. So musst du während der Schwangerschaft keine erhöhte Krankheitsaktivität befürchten. Auch dabei wird dir sicher dein Neurologe beiseite stehen und dich beraten.

2. Wird mein Kind später auch an MS erkranken?
MS ist nicht vererblich. Enge Verwandte von MS-Kranken haben allerdings ein etwas höheres Risiko, an MS zu erkranken, als jemand, in dessen Verwandtschaft keine MS vorkommt. Anders liegt der Fall jedoch, wenn in den Familien beider Partner bereits MS-Erkrankungen vorgekommen sind. Dann besteht ein deutlich höheres Risiko. Professorin Sigrid Poser, ehemalige leitende Oberärztin der Neurologischen Universitäts-Poliklinik Göttingen, beschäftigte sich 30 Jahre lang mit dem Krankheitsbild der Multiplen Sklerose. Ihre Forschungsergebnisse beschrieb sie so: "Ein naher Verwandter eines MS-Betroffenen hat ein zehn Mal größeres Risiko, an MS zu erkranken, als jemand, in dessen Familie die Krankheit nicht vorkommt. Das klingt viel schlimmer als es tatsächlich ist. Selbst in Gebieten mit einem hohen MS-Risiko liegt die Erkrankungsrate bei 0,01% der Bevölkerung. Das 10fache Risiko beträgt dann 1% - das ist für Ärzte kein ausreichender Grund, um von einer Familiengründung abzuraten." Der weltweite "Atlas der MS" zeigt, dass die Häufigkeit der Erkrankungen von Süd nach Nord zunimmt.

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3. Verschlimmert die Schwangerschaft meine Krankheit?
Die MS wird in ihrem Verlauf von der Schwangerschaft nicht ungünstig beeinflusst - im Gegenteil: Eine Schwangerschaft ist der beste und natürlichste Schutz bei MS. Was fast wie Märchen oder wie ein Wunschtraum klingt, ist inzwischen einhellige Expertenmeinung. Eine große europäische Studie mit mehr als 250 Frauen mit MS kam zu dem Ergebnis, dass eine Schwangerschaft sogar das Fortschreiten der MS verlangsamt. Schwangere in den letzten drei Monaten haben 70 Prozent weniger MS-Schübe als im Jahr vor der Schwangerschaft. Allerdings steigt das Schubrisiko in den ersten sechs Monaten nach der Entbindung wieder an.

4. Was muss ich während der Schwangerschaft tun oder lassen?
Die Ärzte empfehlen, eine geplante Schwangerschaft, falls möglich, in eine schubfreie Phase zu legen und außerdem, ebenfalls wenn machbar, weitestgehend auf Medikamente zu verzichten. Das gilt besonders für Immunmodulatoren und Immunsuppessiva. Ansonsten unterscheidet sich der Schwangerschaftsverlauf einer Frau mit MS, wenn das Krankheitsbild nicht allzu ausgeprägt ist, nicht von dem einer gesunden Schwangeren. Das bedeutet, dass du dich genau so verhalten solltest wie jede andere schwangere Frau auch. Ist das Krankheitsbild sehr stark ausgeprägt, muss jede Frau für sich selber entscheiden – am besten in Absprache mit ihrem Neurologen und Gynäkologen –, ob sie sich eine Schwangerschaft zutraut, vor allem auch im Hinblick auf die Belastungen in der Zeit danach. Bei der Geburt kann jede MS-Kranke auf normalem Wege entbinden. Auch ein Kaiserschnitt ist kein Problem, wenn die Situation es erfordert. Zur Unterstützung der Geburt können auch Peri- oder Epiduralanästhesien angewandt werden. Eine Einschränkung allerdings gibt es: Bei einer Spinalanästhesie können vereinzelt Probleme auftreten, so dass diese Art der Anästhesie bei MS-Betroffenen nicht angewendet werden sollte.

5. Kann man trotz MS Kinder aufziehen?
Gerade für MS-Kranke ist ein gesichertes und unterstützendes familiäres und soziales Umfeld besonders wichtig - damit du Helfer und Unterstützer hast, falls sich die Krankheit verschlechtern sollte. Jeder weiß, wie anstrengend ein Baby sein kann, auch schon für gesunde Mütter und Paare. Da bist du gut beraten, dir bereits im Vorfeld Ansprechpartner für einen eventuellen Ernstfall zu suchen. Dein Arzt kann dir auch da sicher beratend zur Seite stehen, beispielsweise bei der Frage, ob er in deinem Fall eine Familienpflegerin nach der Entbindung für gut erachtet. Dann könntest du dir vorab schon jemanden suchen und auch die Kostenfrage mit der Krankenkasse klären. Übrigens: Auch auf das Stillen musst du nicht verzichten, wenn es dir kräftemäßig möglich ist. Für dein Baby ist es sogar optimal. In der Stillzeit musst du aber, ebenso wie in der Schwangerschaft, so weit wie möglich auf Medikamente verzichten. Sind Medikamente bei dir unvermeidlich, musst du das Stillen abbrechen.

Zusammenfassend sind also diese Punkte zu beachten:

  • Auf jeden Fall mit dem Neurologen und Gynäkologen besprechen.
  • Die Schwangerschaft sollte möglichst in einer schubfreien Phase sein.
  • Rechtzeitig davor die Medikamente absetzen.
  • Eine eventuelle Immuntherapie sofort absetzen.
  • Im Vorfeld schon Vorsorge für die Nachsorge treffen.
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Sehr gute Informationen und auch Hilfsangebote bei allen Fragen zu MS findest du bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft und ihren Landesgruppen. Unter diesen ist besonders die AMSEL in Baden-Württemberg hervorzuheben. Schirmherrin ist seit mehr als 35 Jahren Bundesverdienstkreuzträgerin Ursula Späth, die Frau des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten.

Für alle Frauen mit MS, die sich gerade auf ihr Kind freuen, zum Schluss noch ein tröstender Satz einer MS-Patientin, wie er treffender nicht sein könnte, wenn es um die Krankheit mit den 1000 Gesichtern geht: “Wenn man sich mit MS beschäftigt weiß man, dass alles sein kann - aber nichts muss ...“

Bildquelle: Getty Images