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Mamakind statt Papakind: Meine Tochter bevorzugt meine Frau

Mamakind

Meine Tochter ist ein Mamakind. Jedenfalls habe ich mich als Papa in unserer Familie lange so gefühlt wie das fünfte Rad am Wagen. Ganz gleich, ob es um Spaziergänge, ums Vorlesen oder ums Socken anziehen ging: Ich war der Elternteil zweiter Wahl.

Was ist ein Mamakind?

Es ist vermutlich die Szene, die uns aus der Serie „Die Dinos“ am besten in Erinnerung geblieben ist: Earl Sinclair, der notorisch schusselige Vater-Dino und starke Baumschubser, soll auf sein jüngstes Baby aufpassen. Das denkt aber gar nicht daran, sich vom unbeholfenen Papa hegen und pflegen zu lassen. Flugs wird die Bratpfanne rausgeholt und beherzt auf Earls Kopf platziert. Dazu ertönen die ikonischen Worte: „Nicht die Mama!“

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Warum gibt es Mamakinder?

Manchmal fühle ich mich wie Earl. Fast jedes Kind hat einen bevorzugten Elternteil, den es lieber mag. Was sich im ersten Moment für den weniger beliebten Erwachsenen traurig anhören mag, ist in erster Linie Ausdruck großen Vertrauens. Das Kind weiß, dass es einen sicheren Hafen bei der Mama hat, und dass der Papa im Zweifelsfall da sein wird, auch wenn es nicht die ganze Zeit Pauken und Trompeten erklingen lässt, wenn er kommt. Diese offene Haltung den Eltern gegenüber charakterisiert eine sichere Bindung. Denn auch wir Erwachsene brauchen Sicherheit, um offen unsere Zuneigung ausdrücken zu können.

Trotzdem kann eine Mamakind-Phase tiefe Erschöpfung mit sich bringen. Bei uns ging es irgendwann so weit, dass unsere Tochter schon weinte, wenn meine Frau sich auch nur anschickte, das Zimmer zu verlassen. Mir, der ich mir immer viel auf meine sonore Vorlesestimme eingebildet hatte, wurde der Mund verboten. Gutenachtgeschichten vorlesen? Fehlanzeige – nicht die Mama! Von Schlafliedern einmal ganz abgesehen. Selbst körperliche Nähe und Trost zu spenden, war ab einem gewissen Alter nicht mehr möglich.

Wie lange bleibt das Kind ein Mamakind?

Irgendwann kommt man da als Papa schon ins Grübeln. Habe ich vielleicht doch etwas falsch gemacht? Kann ich da überhaupt dazwischen kommen, in diese besondere Beziehung zwischen Mama und Kind, die schon im Mutterleib entsteht? Ein Gedanke, der mir sehr geholfen hat, ist folgender: Zuneigung ist keine Formel, die sich einfach berechnen lässt. Es wird immer ein Ungleichgewicht geben, wenn mehrere Menschen sich einander nahe stehen. Liebe lässt sich nicht erzwingen. Ganz einmal davon abgesehen, dass sich alle Kinder unterschiedlich entwickeln und allgemeingültige Aussagen ohnehin nur schwer zu treffen sind.

Vielleicht lagen die Ursachen auch darin, dass unsere Tochter uns einfach unterschiedliche Rollen zuschrieb: Ich war für alles Spielerische zuständig, und die Sicherheit und das Gefühl, geborgen zu sein, waren die Domänen meiner Frau. Doch was die Bindungsforschung fast schon holzschnittartig auseinander sortiert, kam mir mit zunehmendem Alter meiner Tochter immer weniger passend vor.

Denn ich bin kein Wochenendpapa. Ich war von Anfang an dabei, und da ich die meiste Zeit über von zu Hause aus arbeitete, konnte sich zwischen mir und meinem Kind keine Distanz bilden. Aus Mangel an Alternativen konnte sich meine Tochter jedenfalls nicht gegen mich entschieden haben.

Vom Mamakind zum Papakind

Denn auch wenn ich mich manchmal wie Earl unter der Bratpfanne gefühlt habe: Unsere Tochter hatte immer Phasen, in denen es für mich leichter war. Ganz zu Beginn war ich der Einzige, der es schaffte, mein Kind auf dem Unterarm schwebend ins Reich der Träume zu befördern. Wenn alle anderen schon erschöpft aufgegeben hatten, zog ich noch unermüdlich mit der Trage um die Häuser – auch um ein Uhr nachts, auch in Ho-Chi-Minh-City oder in Taipeh.

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Manchmal war ich der gewünschte Aufsteh- und Morgenmensch. Ich schlenderte mit meiner Tochter auf unserer Weltreise vor der ersten Schwüle des Vormittags über Märkte und kaufte große, gelbe Mangos und saftige Ananas. Doch das ist schon eine Weile her. Im Moment werde ich morgens hektisch wedelnd des Schlafzimmers verwiesen. Wichtige Mama-Tochter-Gespräche. Auch die Ausflüge musste ich mir in der Zwischenzeit hart erkämpfen. Doch dabei waren weniger die eigentlichen Unternehmungen das Problem. Sondern schlicht die Tatsache, dass mein Kind es einfach nicht ertrug, meiner Frau Tschüss zu sagen.

Olaf Bernstein

Wertvolle Mama- und Papamomente

Zum Glück waren auch diese Episoden nicht von Dauer. Mittlerweile sind an die Stelle von Mama- oder Papaphasen Mama- oder Papa-Momente getreten. Mein Kind weiß, dass es bei mir eine höhere Chance auf wildes Monstergetobe gibt als mit meiner Frau. Dafür ist sie die unbestrittene Meisterin im Haare kämmen. Je älter unser Kind wird, umso differenzierter wird auch ihre Beziehung zu uns beiden. Immer weiter weg von einem „entweder oder“ und hin zu einem „sowohl als auch“. Damit ist unsere Tochter kein „Mamakind“ oder „Papakind“ mehr, sondern einfach ein extrem vielschichtiger Mensch.

Olaf Bernstein

Bildquelle: Getty Images/evgenyatamanenko