Das Hilfetelefon für schwierige Geburten ist ab sofort für euch da, wenn ihr über eure Geburten sprechen möchtet. Damit wird von Mother Hood e.V. und dem ISPPM eine Lücke in der Betreuung von Frauen geschlossen.
Kennt ihr das, ihr wollt von eurem Geburtserlebnis berichten und hört Sätze wie "stell dich nicht so an" oder "Hauptsache, das Kind ist gesund!" Das ist unglaublich verletzend und sorgt leider oft dafür, dass wir Frauen uns weiter zurückziehen. Wir können das Geschehene nicht verarbeiten und fühlen uns hilflos. Das kann unter Umständen die ganze Familie belasten.
Belastende Geburtserfahrung
Für die eine Frau ist es belastend, dass im Kreißsaal nicht mit ihr gesprochen wurde, für die andere ist es die mangelnde Begleitung durch eine Hebamme. Wenn ihre Versuche darüber zu sprechen, abgeblockt werden, dann kann das massive Folgen haben. Es steht anderen nicht zu, das zu bewerten, "einzig die Frau entscheidet, ob eine Geburt belastend war."
Wir haben mit Katharina Desery, Vorstand bei Mother Hood e.V. über das neue Angebot für Frauen gesprochen.
Warum gibt es das Hilfstelefon für schwierige Geburten?
"Weil es bisher keine Anlaufstelle für Frauen gab, die nach einer schwierigen Geburtserfahrung darüber sprechen möchten. Wir haben immer wieder gemerkt, sobald wir mit Frauen über die Anliegen von Mother Hood gesprochen haben, waren Geburtserfahrungen ein Thema. Und wir mussten feststellen, dass es dafür einfach keine Anlaufstelle gibt. Das ändern wir nun mit unserem Hilfstelefon."
Was ist denn eine schwierige Geburt?
"Zunächst einmal: Das Hilfstelefon ist für alle Frauen. Es geht explizit nicht um traumatische Geburten, es darf sich jede Frau bei uns melden. Die Beratung ist vollkommen offen und keine Wertung, ob eine Therapie nötig ist.
Es ist ja so, eine traumatische Geburt ist immer eine Wertung. Wir möchten aber, dass sich jede Frau an uns wendet, wenn sie Gesprächsbedarf hat. Nicht jede Geburt ist traumatisch, sie ist vielleicht problematisch, aber sie muss kein Trauma sein."
Wer kann sich melden? Darf frau auch anrufen, wenn die Geburt schon mehrere Jahre zurückliegt?
"Bei uns darf sich jede melden. Es gibt ja auch Frauen die fangen erst im Seniorenalter an, von den Geburten zu berichten."
Beratung durch Fachpersonen
"Beraten werdet ihr am Hilfstelefon für schwierige Geburten von Fachberaterinnen. Ihr sprecht mit Frauen, die sich beruflich mit belastenden Geburtserfahrungen auskennen und beschäftigen. So ist sichergestellt, dass ihr euch gut aufgehoben fühlen könnt. Denn natürlich könnt ihr auch euren Freund*innen, eurer Hebamme oder der Gynäkologin von euren Geburtserlebnissen berichten, aber manchmal kann die gegebene Rückmeldung hier verletzend sein."
Hilfstelefon für schwierige Geburten zweimal die Woche erreichbar
"Das Hilfetelefon für schwierige Geburten richtet sich an alle Frauen, die über ihre Geburtserlebnisse sprechen möchten. Mittwochs von 12 bis 14 Uhr und donnerstags von 19 bis 21 Uhr erreicht ihr unter der Telefonnummer 0228 929 599 70 Fachberaterinnen, die mit euch eure Erfahrungen besprechen. Sie sind Mitglied der International Society für Pre- and Perinatal Psychology and Medicine (ISPPM) und unterstützen euch dabei, eure Gefühle zu benennen und einzuordnen."
Belastende Geburten belasten Familien
Mother Hood und ISPPM haben das Hilfetelefon für schwierige Geburten gemeinsam ins Leben gerufen, um Frauen eine Anlaufstelle zu bieten. Die beiden Vereine schätzen, dass rund 20 bis 50 % der Frauen die Geburt ihres Kindes als schwierig, belastend oder sogar traumatisch erleben. Therapeutinnen wie Viresha J. Bloemeke oder Psychoanalytiker wie Ludwig Janus oder Karl Heinz Brisch weisen schon länger auf den Zusammenhang zwischen einer schwierigen Geburtserfahrung und Folgen für Mutter, Kind und die Familie als Ganzes hin. Dazu zählen Bindungsstörungen, Ängstlichkeit im Umgang mit dem Kind, Angst vor einer weiteren Schwangerschaft sowie postpartale Depressionen bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung.
Wenn ihr das Hilfstelefon für schwierige Geburten unterstützen möchtet, findet ihr auf ihrer Website die Möglichkeit, eine Spende zu tätigen.
Mein Fazit
Es ist so wichtig, dass es diese Anlaufstelle nun gibt. Mir haben schon so viele Frauen über ihre Geburtserlebnisse berichtet, ich wollte mal ein Buch darüber schreiben, und immer wieder spürte ich den Schmerz. Auch nach Jahren ist Frauen präsent, was sie erlebt haben. Eine Geburt ist ein einschneidender Moment im Leben einer Frau. Darüber sollte sie, wenn sie sich nicht wohl gefühlt hat, wenn sie Sorgen oder Ängste hatte, reden dürfen. Denn seelische Wunden können nur heilen, wenn darüber gesprochen wird.
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