Ein Kind zeigt alle bekannten Symptome einer Covid-19- Infektion. Einen Test zu bekommen, ist trotzdem beinahe unmöglich. Das hat viele Gründe und leider ist unsere Kolumnistin damit kein Einzelfall.
Eins meiner Kinder fühlte sich krank. Nachts bekam das Kind nicht gut Luft, der Husten war trocken. Es hatte Fieber und war vollkommen platt. Wir gingen also zum Kinderarzt. Und hier hieß es, nach Abhören und in den Rachen schauen: "Sommergrippe". Ich fragte, ob es denn nicht auch Corona sein könnte, das Kind hatte in der letzten Woche viel Kontakt zu anderen Kindern gehabt. Und außerdem würden alle drei ja den Schulhort bzw. die Kita besuchen, eine Ansteckung also leider nicht vollkommen ausgeschlossen.
Sommergrippe oder Corona
Nein, Sommergrippe, lautete das Urteil. Kinder könnten sich nur sehr selten bei anderen Kindern anstecken, wurde mir gesagt, ich müsse mir keine Sorgen machen. Das Kind soll eine Woche Zuhause bleiben, viel Ruhe, viel Trinken, kein Stress. Ehrlich gesagt, mir machte das Stress. Und zwar nicht, weil es mir wichtig ist zu wissen, ob das Kind nun Corona hat oder nicht. Im Zweifelsfall hat es das und außer, dass es sich nicht gut fühlt, ändert sich für uns nichts. Mir geht es tatsächlich um den Schutz der Anderen.
Test zum Schutz für andere
Denn am Wochenende steht bei uns eine Einschulung an, mein ältestes Kind wird eingeschult. Wir werden in der Schule zwangsweise mit vielen anderen Menschen in Kontakt kommen und da möchte ich, zu deren Schutz, einfach ganz sicher sein. Und um das zu erreichen, habe ich nach dem Arztbesuch mehrere Stunden am Telefon verbracht.
Hausarzt, Hotline, Gesundheitsamt
Zunächst rief ich meinen Hausarzt an. Ich stieß auf Verständnis aber leider, wurde mir mitgeteilt, würden Kinder in dieser Praxis nicht getestet werden. Also wand ich mich an die Corona-Hotline der Stadt Berlin. Dort bekam ich die Nummer des Gesundheitsamtes meines Bezirkes, die könnten mir sicher helfen. Beim Gesundheitsamt hieß es, ich solle doch der Diagnose durch den Kinderarzt vertrauen. Ich gestehe, an der Stelle war ich leicht verwundert. Denn seit Monaten lesen und hören wir alle, dass schnelles Testen wichtig ist. Nun aber, wenn es Symptome gibt, die auf eine Erkrankung hindeuten können, dann ist das nicht so relevant?
Das Gesundheitsamt empfahl mir die Website virusdoc.de, hier könnte ich erfahren, welche Ärzt*innen prinzipiell einen Test bei Kindern durchführen. Nach drei weiteren Anrufen fand ich einen Arzt, der uns am 18.08., also nach der Einschulung und über eine Woche nach der Erkrankung testen würde. Vorher waren alle Termine schon belegt.
Corona Test erfragen kostet Kraft
Ich telefonierte weiter, inzwischen nervlich schon ziemlich angeschlagen. Denn natürlich geht das, obwohl ich häufiges Telefonieren durch meine Arbeit als Journalistin gewohnt bin, an die Substanz. Jedes Mal wieder den Grund des Anrufes erklären, eine Absage bekommen, die vielen besetzte Leitungen und das Gefühl vielleicht doch einfach überzureagieren. Dazu ein krankes Kind, das Zuwendung braucht und zwei Geschwister, die keine Lust haben, Mama beim Telefonieren zu beobachten.
Kapazitäten nur für Reiserückkehrer
Der nächste Arzt den ich erreichte, hätte meine Tochter getestet. Allerdings war er an der Kapazitätsgrenze angekommen, weil er so viele Reiserückkehrer testen würde, die ja seit einiger Zeit bis zu drei Tage nach der Rückreise einen kostenlosen Coronatest bekommen können. Ich bin keine Ärztin, aber ist das wirklich sinnvoll, die begrenzten Kapazitäten dafür zur Verfügung zu stellen, dass Menschen, die in den Urlaub fahren die zweiwöchige Quarantäne umgehen? Statt die Kräfte vielleicht für die Menschen einzusetzen, die Symptome und viel Kontakt zu anderen haben.
Ich bekam von der Sprechstundenhilfe eine weitere Website genannt, die Kassenärztliche Vereinigung hat für Berlin aufgelistet, welche Ärzte in welchen Bezirken Coronatests durchführen.
Online-Terminkalender voll
Einige der dort aufgelisteten Arztpraxen hatten einen Online-Terminkalender, fast alle waren bis zum 18.08. ausgebucht. Ich beschloss: Einen Anruf mache ich noch, dann gebe ich auf. Und hatte Glück. Über dreieinhalb Stunden nach dem Beginn meiner Telefon- und Websitenodyssee hatten wir für den gleichen Abend einen Termin zum Testen.
Testen ist sinnvoll
Vor Ort bestätigte die Ärztin auch noch mal, dass bei der Symptomatik getestet werden sollte. Denn ja, inzwischen dachte ich, erschöpft von diesem Tag schon, dass ich total übertreibe. Natürlich bin ich keine Ärztin und vertraue auf die Diagnose meines Kinderarztes. Aber im Fall einer Sommergrippe ist mir nicht klar, wie die sich von Corona unterschiedet. Und wie man das ohne Abstrich erfahren kann.
Mut zur Lücke als Strategie?
Es geht mir auch nicht darum, Ärzt*innen schlecht zu reden. Alle, mit denen ich telefoniert habe, waren bemüht. Sie haben nur schlicht keine Kapazitäten frei. Ich halte das für gefährlich, weil es für mich nach Mut zur Lücke klingt. Nach dem Motto, wird schon schief gehen. Nach auf das Beste hoffen. Angesichts steigender Zahlen überall in Deutschland frage ich mich auch, wie weit oben in der Priorität wohl Kinder stehen, wenn es um Testkapazitäten geht.
Mit Kindern gewinnt man keine Wahl
Denn klar ist ja, Kinder sind keine Wähler*innen. Eltern sind nach den letzten Monaten oft zu erschöpft, um sich aufzulehnen. Ich fand es unglaublich anstrengend so lange durchzuhalten, bis mein Kind getestet wurde. Ich kann alle Eltern verstehen, die vorher aufgeben. Weil es Kraft kostet, so hartnäckig zu sein. Ich jedenfalls war an diesem Tag für nichts mehr zu gebrauchen und wollte einfach nur meine Ruhe. Nicht mehr hören, nichts mehr sagen.
Unterschiedliche Strategien
Ich habe über dieses Erlebnis auch auf meinem Blog berichtet, es gab viele Kommentare in den sozialen Netzwerken. Und es scheint arztabhängig zu sein, was im Fall einer Erkältung geschieht. Es gibt die Kinder, bei denen getestet wird, weil sie Schnupfen hatten oder mit Husten nicht in die Kita durften. Einige mussten einen negativen Corona-Test vorlegen, bevor die Kinder die Einrichtungen wieder besuchen durften. Es regte sich Protest, Eltern fänden das unnötig, weil es für die Kinder so unangenehm ist. Natürlich ist so ein Abstrich nicht schön. Aber ein kleiner Preis um Erzieher*innen, Lehrer*innen und ganz generell andere Menschen nicht anzustecken.
Corona kann tödlich sein
Und es gibt die Familien, denen es ging wie uns. Die um einen Test betteln mussten, denen der Test verweigert wurde. Eine Leserin berichtete mir, dass ein Familienmitglied erst getestet wurde, als ein Krankenhausaufenthalt im Raum stand. Der Test kam positiv zurück, das Familienmitglied verstarb. Es sind Erlebnisse wie diese, die mich darin bestärken auch bei der nächsten Erkältung wieder diesen K(r)ampf um einen Test auf mich zu nehmen. Zu Schutz der Gemeinschaft. Aber ich wünschte, es wäre nicht so verflucht anstrengend.
Und, weil ein gutes Ende immer gut ist: Ich bekam, während ich diese Kolumne schrieb die erlösende Nachricht, dass mein Kind kein Corona hat.
Bildquelle: getty images / iStock / Getty Images Plus / evgenyatamanenko
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