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Vorsicht!

Reye-Syndrom: Was bedeutet die Diagnose?

Kein ASS bei kindlichen Infektionen!

Kinder dürfen bei einer Virusinfektion keine ASS-haltigen Arzneimittel nehmen, also Medikamente, die Acetylsalicylsäure enthalten. Sonst kann das Reye-Syndrom auftreten. Wie sich die Erkrankung zeigt und welche Folgen sie hat.

Beipackzettel sehen wir oft als lästige Beigabe in Medikamenten-Schachteln an. Seien wir ehrlich: Wann lesen wir wirklich alles, was da steht? Bei uns Erwachsenen mag es ja angehen, die Warnhinweise zu medizinischen Wirkstoffen als nicht so wichtig anzusehen oder sogar zu ignorieren. Aber wenn es um unsere Kinder geht, sollten wir unbedingt aufmerksamer sein. Es kann sonst unter Umständen lebensgefährlich werden.

Ein solcher Arzneimittel-Warnhinweis betrifft beispielsweise Medikamente, die ASS, also Acetylsalicylsäure enthalten, wie etwa Aspirin.

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Acetylsalicylsäure soll bei Kindern und Jugendlichen mit fieberhaften Erkrankungen nur auf ärztliche Anweisung und nur dann angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht wirken. Sollte es bei diesen Erkrankungen zu lang anhaltendem Erbrechen kommen, so kann dies ein Zeichen des Reye-Syndroms, einer sehr seltenen, aber lebensbedrohlichen Krankheit, sein, die unbedingt sofortiger ärztlicher Behandlung bedarf.

Warnung laut Beipackzettel

Reye-Syndrom: Was versteht man darunter?

Das Reye-Syndrom ist eine schwere, aber nicht ansteckende Erkrankung in der Kinderheilkunde, benannt nach ihrem Entdecker, dem australischen Pathologen Ralph Douglas Kenneth Reye. Er lehrte und forschte Mitte des vergangenen Jahrhunderts am Royal Alexandra Hospital for Children in Sydney. Reye hat herausgefunden, dass es bei Kindern zu einer akuten Hirnfunktionsstörung (Enzephalopathie) kommt, wenn Giftstoffe durch einen Leberschaden freigesetzt werden. Die Schädigung der Leber wiederum steht meistens mit der Einnahme von Acetylsalicylsäure in Verbindung. Reye war derjenige, der als Erster die Krankheit als eigenständiges Syndrom beschrieb.

Wie zeigt sich das Reye-Syndrom?

Nach Angaben der National Reye's Syndrome Foundation "betrifft die Krankheit alle Organe des Körpers, am tödlichsten jedoch die Leber und das Gehirn. Das Reye-Syndrom ist eine so genannte Zwei-Phasen-Krankheit, weil es fast immer mit einer früheren Virusinfektion wie Influenza, Erkältung oder Windpocken in Verbindung gebracht wird. Etwa fünf bis sieben Tage nach der Ersterkrankung verschlechtert sich der Zustand des Kindes und es treten einige spezifische Symptome auf.

Anzeichen für ein Reye-Syndrom können sein:

  • heftiges Erbrechen
  • Fieber
  • Ruhelosigkeit
  • Gereiztheit
  • bis hin zu Aggressivität
  • teilweise Hyperventilation, das heißt verstärkte schnelle und/oder tiefere Atmung
  • verstärkte Reflexauslösung
  • in der Folge nicht mehr auslösbare Reflexe
  • bis hin zu Bewusstlosigkeit
  • Lähmung aller vier Extremitäten
  • Streckkrämpfe

Bei den genannten Symptomen und ebenso bei veränderten Laborwerten sollte euer Arzt unbedingt aufmerksam werden und handeln. Eine Vergrößerung und Verfettung der Leber kann mit einer Ultraschalluntersuchung festgestellt werden. Zur Absicherung der Diagnose "Reye-Syndrom" kann eine Gewebeprobe aus der Leber helfen. Es muss sich allerdings bei den genannten einzelnen Symptomen nicht immer und zwingend um eine Erkrankung mit dem Reye-Syndrom handeln. Eine Reihe anderer Krankheiten können ähnliche Anzeichen hervorrufen und sollten daher vorher ausgeschlossen werden:

  • Koma durch Sauerstoffmangel oder Unterzuckerung
  • Entzündung des zentralen Nervensystems (Meningitis, Enzephalitis)
  • Vergiftungen durch Blei oder Knollenblätterpilze
  • angeborene Stoffwechselstörungen

Wie kommt es zum Reye-Syndrom?

Auslöser und Entstehung des Reye-Syndroms konnten bislang noch nicht geklärt werden. Vermutet wird jedoch, dass unterschiedliche Faktoren zusammenkommen müssen, um die Erkrankung auszulösen. Was man bislang über das Vorkommen des Reye-Syndroms weiß:

  • Oft geht dem Reye-Syndrom eine andere Krankheit voraus.
  • Meistens ist das eine Virusinfektion.
  • Beobachtet wurde die Erkrankung vor allem nach einer Influenzainfektion und Windpocken.
  • Auftreten kann das Reye-Syndrom bei Kindern aller Altersgruppen.
  • Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen.
  • Glücklicherweise aber ist es sehr selten: eine bis zu fünf Erkrankungen auf eine Million Kinder in einem Jahr.
  • in der Regel sind Kinder bis zum zehnten Lebensjahr betroffen.
  • Die Erkrankung tritt häufiger in ländlichen Gegenden auf.
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Seit Mitte der 1980er Jahre ist bekannt, dass das Reye-Syndrom vor allem im Zusammenhang mit Acetylsalicylsäure bei fieberhaften Infekten im Kindesalter auftritt. Seit Kindern keine ASS-haltigen Medikamente mehr gegeben werden, ist die Anzahl der Erkrankungen drastisch zurückgegangen.

Nicht geklärt sind allerdings einige weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Reye-Syndrom:

  • Welcher Mechanismus löst das Organversagen aus?
  • Warum tritt es nur auf, wenn gleichzeitig eine fieberhafte Virusinfektion besteht?
  • Warum nicht, wenn ASS gegen Rheuma oder Kopfschmerzen genommen wird?
  • Weshalb treten die tödlichen Komplikationen ohne Vorwarnung ein?
  • Und warum trifft es nur Kinder und Jugendliche, Erwachsene dagegen bleiben völlig verschont?

Was kann man gegen das Reye-Syndrom tun?

Vor allem schnelles Handeln ist entscheidend. Nach der Diagnose Reye-Syndrom muss der kleine Patient auf der Intensivstation behandelt werden. Es kann bislang jedoch nur etwas gegen die Symptome getan werden, eine Behandlung der Ursache ist nicht möglich, da man den Auslöser des Reye-Syndroms nicht kennt.

Wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt wird, lässt sich das Sterberisiko deutlich senken. Es muss jedoch in der Folge mit einer Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel Sprach- oder Lernschwierigkeiten, gerechnet werden. Offensichtlich schädigen Viren im Zusammenhang mit Acetylsalicylsäure die noch kindlichen Gehirnregionen.

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Quellen:
National Reye's Syndrome Foundation UK
The University of Sydney School of Medicine
Klinikleitfaden Pädiatrie
Deutsche ApothekerZeitung

Brigitte Oesterle

Fazit

Wer ASS-haltige Medikamente außer Reichweite der Kinder aufbewahrt, und wenn möglich die Beipackzettel der Arzneien liest, muss das Reye-Syndrom nicht fürchten.

Wenn ihr bei einer Infektion ein fiebersenkendes Mittel für euer Kind braucht, sollte statt ASS Paracetamol oder Ibuprofen das Mittel der Wahl bei Fiebersaft oder Schmerzzäpfchen sein.

Brigitte Oesterle

Bildquelle: Getty Images