Autismus ist ein weites Feld, so weit, dass es mittlerweile ein Autismus-Spektrum mit verschiedenen Formen gibt. In dieses Spektrum fällt auch der frühkindliche Autismus, der in den ersten drei Lebensjahren sichtbar wird.
Über Autismus weiß man mittlerweile einiges, aber immer noch nicht genug. Das fängt schon bei den Zahlen an - sie variieren. Oft findet sich in Forschungen, dass ungefähr ein Prozent der Weltbevölkerung mit Autismus diagnostiziert werden kann. Auf Deutschland übertragen, wären das über 800.000 Menschen, die eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) haben. Es könnten sogar noch mehr sein. Dass immer mehr Menschen diagnostiziert werden, liegt auch daran, dass Eltern heutzutage ganz genau auf ihre Babys und deren Entwicklung schauen und viel früher ihren Arzt fragen, weil Autismus mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist.

Frühkindlicher Autismus: Die Merkmale
Heutzutage sprechen Forscher von einem Spektrum, was den Autismus betrifft, da manche Grenzen fließend sind - es wird also eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) diagnostiziert. Autismus begreift man als eine Entwicklungsstörung, die sich in Schwierigkeiten mit der sozialen Interaktion, der Kommunikation und der Wahrnehmung offenbart. Innerhalb des Spektrums gibt es verschiedene Formen, von denen eine der frühkindliche Autismus ist.
Im Unterschied zu den anderen Autismus-Formen zeigt sich dieser frühkindliche Autismus in den ersten drei Jahren. Einige der Symptome, die das Baby zeigt, können auch andere Ursachen haben, wie zum Beispiel Taubheit, aber Eltern sollten den Kinderarzt darauf aufmerksam machen, wenn ihr Kind sich in den ersten drei Jahren folgendermaßen verhält:
- Kein Blickkontakt
- Kein Zeigen von Dingen
- Kein Brabbeln, keine Babysprache
- Keine dauerhafte Reaktion auf den eigenen Namen
- Kein Lächeln, wenn es angelächelt wird, kaum freudige Gesichtsausdrücke
- Schaut auf den Zeigefinger des Gegenübers und nicht auf das Gezeigte
- Kein Interesse an anderen Kindern, Dinge sind wichtiger als Menschen
- Keine Zwei-Wort-Sätze mit 24 Monaten
- Abneigung gegen Berührungen und Kuscheln
- Spielzeug wird anders benutzt - es wird zum Beispiel stundenlang am Rad gedreht oder aufeinander gestapelt, statt es fahren zu lassen.
- Echolotie: Wörter einer Frage werden wiederholt, statt eine Ja- oder Nein-Antwort zu geben.
Autismus-Kultur.de, eine Webseite, die Autismus aus der Sicht von Betroffenen beschreibt, bietet Tests an, die allerdings keine Diagnose liefern, aber zumindest eine erste Orientierung gibt.
Hier siehst du die Entwicklung eines "normalen" Babys, das ein Jahr alt ist:
Niedrigfunktionaler und hochfunktionaler Autismus
Der frühkindliche Autismus wird in einen niedrigfunktionalen und hochfunktionalen Autismus unterteilt. Beim niedrigfunktionalen Autismus wird zum einen der IQ als Definition genommen, dieser wäre dann unter 70. Viele Kinder können nicht sprechen oder haben große Schwierigkeiten. Kommunikation läuft über Lall-Laute oder Ein-Wort- oder Zwei-Wörter-Sätze. Von einem hochfunktionalen Autismus spricht man bei einem IQ von über 70. Auch hier hat es eine Sprachverzögerung geben, die Kinder lernen später zu sprechen. Oder sie haben zwar einen Wortschatz, dafür aber Schwierigkeiten, ihn in einem Gespräch anzuwenden. Dafür können sie später schriftlich kommunizieren, was im digitalen Zeitalter von hohem Nutzen ist. Gerade wegen der verzögerten Sprachentwicklung werden einige Kinder zunächst mit niedrigfunktionalen Autismus diagnostiziert, obwohl sie eigentlich in die Sparte hochfunktionaler Autismus fallen.
Für Eltern ist es manchmal ein frustrierender Prozess, bis sie erstmal die richtige Diagnose bekommen. Und das ist wichtig, denn je früher etwas erkannt wird, desto eher kann man die Situation verbessern. Eltern sollten sich erst an den Kinderarzt wenden und können dann an spezielle sozialpädiatrische Zentren überwiesen werden. Ab dem sechsten Lebensjahr wäre die Anlaufstelle eine Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie. Hierfür braucht man keine Überweisung.
Eltern von Kindern unter drei Jahren werden Strategien vermittelt, wie sie richtig mit ihrem Nachwuchs umgehen können. Ist das Kind älter als drei Jahre, liegt das Hauptaugenmerk bei den Therapien eher auf dem Kind selbst, damit es besser mit Situationen umgehen und auf Menschen reagieren kann.
Autismus: Aufklärung ist nötig
Autismus ist nicht heilbar, aber es gibt Therapien und Methoden, die Kinder dabei helfen, besser kommunizieren zu können. Gerade wenn man nicht kommunizieren kann, birgt dies ein hohes Frustrationspotential. Viele Kinder reagieren aggressiv, was die Eltern in eine Stresssituation bringt, denn ihre Umwelt nimmt nur ein schreiendes Kind wahr, nicht den Grund. Gesellschaftlich besteht noch ein großer Aufklärungsbedarf, was Autismus betrifft, denn er hat etwas mit Wahrnehmung zu tun.
In der autistischen Welt wird man so viel mit Reizen überflutet, dass man sich ins Detail flüchtet. Oder eben auch in einen starren Rahmen. Alles muss immer so gemacht werden wie immer. Weicht dies ab, schafft das großen Stress, denn man hat ja gerade in diesem vorgegeben Rahmen ein Gefühl von Sicherheit gehabt, das nun genommen wird - sei es durch neues Essen, neue Leute, neue Umgebung, einfach jede neue Situation ist eine große Herausforderung.
Aber Leben passiert und es gibt immer wieder neue Situationen, in denen das autistische Kind total überfordert ist und mit Aggression oder Schreien reagiert. Da ist es dann nicht hilfreich, sich als Außenstehender bei den Eltern über das Geschrei zu beschweren, denn das erhöht den Stress auf allen Seiten. Oft helfen sich die autistischen Kinder mit wiederholenden Gesten, den sogenannten Stimmings, um Stress abzubauen - das kann Händeflattern sein, das Verdrehen der Finger, Schaukeln des Oberkörpers oder im Kreis Gehen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Was verursacht den frühkindlichen Autismus?
Es wird noch viel geforscht, was Autismus eigentlich verursacht, aber man kann sagen: Die Mütter sind nicht schuld! Das war nämlich noch die Ansicht in den 50er Jahren, als man den Müttern vorwarf, keine richtigen Gefühle für ihre Kinder aufzubringen und und sie damit zu Autisten zu machen. Klar ist, dass ein Großteil der Entwicklungsstörung genetisch bedingt ist - das stellte man in der Zwillingsforschung fest. Es gibt aber kein spezifisches Autismus-Gen, sondern eine Vielzahl von genetischen Faktoren Und auch Umweltfaktoren konnten bislang nicht kategorisch ausgeschlossen werden.
Eine amerikanische Studie konnte allerdings belegen, dass Masernimpfungen Autismus nicht auslösen. Es gibt also eine Vielzahl von Faktoren, aber bei keinem Autisten und keiner Autistin gibt es den gleichen Verlauf, was die Forschung erschwert, die natürlich gern die eine bestimmende Ursache herausfinden möchte. Man weiß, dass Jungen dreimal eher betroffen sind als Mädchen, aber man weiß nicht, warum. Das sollte aber nicht bedeuten, dass man Autismus bei Mädchen außer Acht lassen sollte.
Autismus bleibt also weiter ein breites Forschungsfeld, das es zu beackern gibt. Für die betroffenen Familien ist es eine große Herausforderung und deshalb sollte man ihnen mit dem größtmöglichen Respekt und einer großen Toleranz und Unterstützung begegnen.
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